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Einleitung |
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Auf dieser Seite werde ich in unregelmäßigen Abständen Kommentare, Randbemerkungen oder Schmähschriften zum Gebrauch der deutschen Sprache veröffentlichen. Sei es aus aktuellem Anlass, oder weil mir der falsche, häufige bzw. unangebrachte Gebrauch eines Wortes oder einer Redewendung aufgefallen ist, oder weil es mir einfach in den Kopf kam. Ich beziehe mich dabei auf Presse, Internet, Funk und Fernsehen, auf Werbung, Politsprech und Dummdeutsch. Was Sprache anbelangt, so bin ich ein Wertkonservativer, der bemüht ist, Neuschöpfungen, Denglisch und ähnliche sprachliche Torheiten weiträumig zu umschiffen – was natürlich nicht in allen Fällen gleichermaßen glückt. Gegen Fachchinesisch, das quasi bis zu Unkenntlichkeit verdenglischt ist, kann man sich ja praktisch gar nicht mehr wehren. Ein weiteres Problem ist die Journalistensprache, die sich auf manchen Gebieten in erschreckender Weise verselbständigt hat. Gegen solcherlei Auswüchse werde ich in bester don-quixotescher Manier zu Felde ziehen. Die Anmerkungen dazu sind subjektiv, in jedem Falle rechthaberisch und oberlehrerhaft und teilweise polemisch. Dass diese keinesfalls allzu ernst genommen werden sollten (zumindest nicht alle), versteht sich hoffentlich von alleine ... Der Aufbau entspricht einem Blog: Die älteren Artikel befinden sich am Ende der Seite, die aktuellen oben. Zum gezielten Anspringen von zurückliegenden Beiträgen benutzen Sie bitte das Inhaltsverzeichnis.
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Inhalt |
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Spot-Premiere |
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Jan. 2024 |
... oder: Wie die Werbeindustrie wieder einmal versucht, den Fernsehzuschauer zu verschaukeln. |
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Es soll hier heute um den neuesten und spitzesten Pfeil im Köcher der TV-Werbegestalter gehen: die Spot-Premiere. Schauen wir uns doch zuerst einmal die Definition im Filmlexikon der Uni Kiel an:
Es handelt sich also um ein cinematisches Ereignis von allergrößter Relevanz und kompromissloser Qualität, anlässlich dessen auch noch im Anschluss der Meister selbst und seine getreuen Mimen bei ihrem künstlerischen Schaffensprozess gezeigt werden. Steven Spielberg goes Eduscho, sozusagen. Mal ehrlich: Kein Mensch, wirklich keiner, will sich Werbung anschauen. Jeder hasst sie – von den Produzenten und deren Auftraggebern vielleicht einmal abgesehen. Doch irgendein schlauer Fuchs kam eines Tages auf die Idee, dem offensichtlich völlig verblödeten Fernsehzuschauer seine bescheuerte Werbung als Premiere zu verkaufen. Schaut her: Dieser Spot wird genau jetzt zum allerersten Mal gezeigt und ihr könnt später noch euren Enkeln davon erzählen, wie ihr Zeugen dieses formidablen Ereignisses wart. Und seine Chefs klopften ihm anerkennend auf die Schulter und fanden die Idee ganz wunderbar und überschütteten ihn mit Goldstücken, und die Zuschauer jubelten ob der phantastischen Darbietung und wollten gar nicht mehr umschalten. Das fand allerdings in einem unbekannten Parallel-Universum statt, in dem wir uns glücklicherweise nicht befinden. Und so kann ich dazu nur sagen: „Wen juckt's?“ bzw. im Jargon der etwas Jüngeren: „Wayne interessiert's?“ Auch wenn ich einen Kuhfladen lecker mit Käse überbacke und mit einem Petersilienzweig, einem Tomatenschnitz und einem Sardellenröllchen hübsch auf einem Teller anrichte, bleibt es trotzdem ein Haufen Scheiße. Das muss man mal in aller Härte und Klarheit so aussprechen. Es spielt eben keine Rolle, ob es sich um eine Premiere oder einen ganz normalen Werbespot handelt: Werbung bleibt Werbung. Plump, öde, lästig, nervig, aufdringlich. Da nützt auch eine noch so großartige Ankündigung »SPOT-PREMIERE« nicht. Im Gegenteil: Ich als Betroffener dieses Reklame-Attentats muss plötzlich einsetzende Benommenheit abschütteln, im selben Sekundenbruchteil fluchend die Fernbedienung an mich reißen und ... ... na, Sie wissen schon was ... Sie tun's doch hoffentlich auch, oder? |
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Jetzt streamen! |
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Nov. 2023 |
... oder über die grüne Taste auf der Fernbedienung aufrufen. |
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Werden Sie auch täglich von Ihrem Fernseher in diesem Kasernenhofton angegangen? Wie geht es Ihnen dabei? Fühlen Sie sich eingeschüchtert, bevormundet, überrannt? Geht Ihnen das genauso gewaltig auf den Nerv wie mir? Ich meine, was denken sich Fernsehanstalten (allen voran ZDFneo), deren Betreiber und Verantwortliche eigentlich, wie viel Zeit und Lust unsereins hat, ständig an irgendeinem Endgerät herumzusitzen und irgendwelche Sendungen zu streamen? Vielleicht habe ich gerade gar keine Zeit oder Lust zum Fernsehschauen, weil ich gerade meine Wohnung putzen, den Wocheneinkauf erledigen, mit der Nachbarin Kaffee trinken oder den Keller aufräumen möchte? Das ist doch alles viel wichtiger als Fernsehen. Aber das können sich Medienschaffende wahrscheinlich überhaupt nicht vorstellen. |
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Und wissen die was über meine Fernbedienung, das ich nicht weiß? Wenn ich auf die grüne Taste meiner TV-Fernbedienung drücke, geschieht nämlich genau nichts! Alle anderen habe ich auch schon durchprobiert – da schaltet sich maximal das zugehörige Gerät aus; also auch wieder nix mit Schtriemen. Und dann ständig dieser Befehlston. „Jetzt streamen!“ „Jetzt über die grüne Taste auf Ihrer Fernbedienung ...“, los, mach schon – man könnte sich glatt belästigt fühlen. Was stimmt mit diesen Leuten nicht?! Einen freundlichen Hinweis fände ich hier angebrachter: „Diese Sendung können Sie ab sofort in unserer Mediathek streamen“. „Wenn Ihr Fernsehgerät mit dem Internet verbunden ist, können Sie eventuell mit der grünen Taste Ihrer Fernbedienung ...“. Wäre damit die Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers bereits überreizt? Ich denke nicht. Ich jedenfalls möchte nicht ständig in barschem Ton von meinem Fernseher angeblafft werden. Ein Minimum an Höflichkeit kann man doch wohl erwarten, oder? Fernsehanstalten: Aufgepasst! Jetzt merken! Netter zum Kunden sein! Wegtreten! |
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Farbenlehre |
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Sep. 2023 |
Über die Deklination von attributiven Farb-Adjektiven – am Beispiel von orange und lila. |
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Samstägliche Abendunterhaltung im Zweiten Deutschen Fernsehen. Eine Frau Heinrich moderiert »Das Große Deutschlandquiz«. Dabei sitzen sich je vier prominente Rate-Kandidaten auf zwei Seiten gegenüber. Zur einfacheren Unterscheidung ist die eine Seite durch die Farbe Orange gekennzeichnet, die andere bekam die Farbe Lila. Frau Heinrich bezeichnete nun während der gesamten zweieinhalbstündigen Sendung mit ungerührter Hartnäckigkeit die eine als „orangene Seite“ und die andere als „lilane Seite“. Und jedes Mal durchzuckte meinen Körper ein heftiger Schmerz. Warum? Ich hole einmal etwas weiter aus: Farben begegnen uns im Alltag zumeist in Form von Adjektiven (Eigenschaftswörtern). Der Mann ist blau, die Wiese ist grün, das Auto ist rot. Wollen wir aber die Farbe vor den Gegenstand setzen, dann ändert sich im Deutschen die gesamte Grammatik. Denn jetzt sind blau, grün und rot nicht mehr nur einfache Adjektive, sondern attributive Adjektive – und die müssen wir deklinieren. Wir bekommen dann also einen blauen Mann, eine grüne Wiese und ein rotes Auto. Wie sieht es aber mit exotischeren Farben aus? Was macht man mit orange, rosa, lila, beige, mauve? Normalerweise bleiben Farb-Adjektive, die auf einem Vokal enden undekliniert. Das orange Haus, die rosa Brille, die lila Blume, der beige Mantel. Wobei orange, beige und mauve (also französische Farbbezeichnungen, die auf [Konsonant + e] enden) Sonderfälle darstellen, da das e am Ende des Wortes in der Grundform stumm ist [oˈrɑ̃ːʒ], [beːʒ], [moːv] aber in der attributiven Form als Schwa [ə] gesprochen, also »schon irgendwie« dekliniert wird. |
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![]() Dieses könnte man gleichermaßen als orange Pyramide (von oranger Farbe) oder als orangene Pyramide (aus Orangen bestehend) bezeichnen – tut man aber nicht: Es ist eine Orangenpyramide. |
Weil orange, beige etc. also quasi nicht auf einem Vokal enden, werden sie wie alle anderen Farben dekliniert: grün, ein grüner, eine grüne, ein grünes; beige, beiger, beige, beiges; orange, oranger, orange, oranges. Alle anderen Farben, die auf Vokalen enden (bleu, lila, magenta, écru) werden nicht dekliniert. Wem dann die bleu Hose nicht gefällt, der kann immer noch zur bleufarbenen greifen. Und wie steht es um Gold und Silber? Wie heißen die korrespondierenden Farben? Golden und silbern. Der goldene Herbst, der silberne See. Warum sagt man dann aber nicht orangen wenn man orange-farbig meint? Weil silbern eigentlich »aus Silber« bedeutet, genau wie golden »aus Gold«, hölzern »aus Holz«, tönern »aus Ton« usw. Wenn etwas also aus Orangen besteht, dann (und nur dann) könnte man es als orangen bezeichnen. |
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Fassen wir also (nicht nur für Frau Heinrich) zusammen: Die eine ist die orange Seite, und die andere ist die lila Seite. So und nicht anders. Ich finde, dass alle Personen, die wie Frau Heinrich ihre Sprache beruflich nutzen, schon ein bisschen besser auf ihr Handwerkszeug achten sollten, meinen Sie nicht? | ||||||||||||||||||||||||||
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Händlorkäachtschtn, Teil II |
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Juni 2023 |
Weitergehende Bemerkungen und Informationen zu »Bares für Rares«**Sie sollten zuerst Teil1 gelesen haben. |
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Zuallererst sollte man sich stets bewusst sein, dass diese Sendung von Anfang bis Ende geskriptet ist. Nichts wird dem Zufall überlassen. Sowohl die Kandidaten als auch die angebotenen Objekte durchlaufen Eignungstests. Die Experten haben ein Team, das ihnen zuarbeitet. Die langen Menschenschlangen vor den Expertentischen sind lediglich Staffage. Auch bei den Expertengesprächen, die scheinbar zeitgleich an Nebentischen laufen, sind nur Komparsen und Requisiten zugegen. Einzig die Preisfindung und die Verkaufsverhandlungen sind ergebnisoffen. Herr Lichter ist eine rheinische Frohnatur mit kölschem Akzent. Er ist Hansdampf in allen Gassen und weiß, wie man auf Menschen zugeht und ihr Vertrauen gewinnt. Erkennungsmerkmale: großer Schnäutzer, kleine Brille mit kreisrunden Gläsern, ständig aktives Mundwerk. Seine Kaspereien zu Anfang und Ende (siehe hierzu auch den Nachtrag weiter unten) der Sendung laden stets zu extremem Fremdschämen ein, scheinen aber bei den eingefleischten Fans der Sendung recht beliebt zu sein. Ansonsten neigt Herr Lichter stark zu Schmeicheleien und zu Indiskretionen – wenn er beispielsweise der Frau Doktor oder der Wendela einigermaßen aufdringliche Komplimente macht, oder den Verkäufer befragt, wozu die Kohle denn verwendet würde. Er verwendet mindestens einmal pro Sendung das Wort »zumindestens«. Außerdem hat ihm anscheinend noch niemand den Unterschied zwischen den Begriffen Akzent und Dialekt erklärt, die er zuverlässig durcheinander bekommt. Ähnlich ist es mit Lampe, Leuchte und verwandten Begriffen wie Leuchtmittel und Beleuchtungskörper (von der Birne ganz zu schweigen). Die Experten haben in der Sendung einen fast gottgleichen Status. Sie scheinen wirklich alles über wirklich alles zu wissen. Das sähe ganz anders aus, wenn diese exaltierten Wesen die zu bewertenden Objekte tatsächlich zum ersten Mal in Händen hielten. Ohne die Möglichkeit, die Ware vorab zu besichtigen und ohne die Recherchen des im Hintergrund wirkenden Teams stünden sie wohl oftmals mit sprichwörtlich heruntergelassenen Hosen da. Die Verkäufer kommen aus fast allen Schichten der Bevölkerung, haben sich aber für diesen wichtigen Tag meist in die beste zur Verfügung stehende Garderobe geworfen und sich mit feinstem Schnöseldeutsch parfümiert. Da wird nicht ge- oder verkauft, sondern erworben oder veräußert. Die Mutter ist nicht ge- sondern verstorben. Den mitgebrachten Plunder bezeichnen sie gerne als Exponat oder als Gegenstand. Das Wort entsprechend wird gerne und entsprechend beiläufig eingestreut. Im krassen Gegensatz dazu wird häufig von der Omma erzählt, die ich persönlich, zumindest im Fernsehen, eher als Großmutter bezeichnen würde. Der Typus des Verkäufers kann vom schneidigen Draufgänger bis zum verhuschten Häschen alles umfassen. Auf den Verkaufserfolg hat das nur selten Auswirkungen. Die Händler sind
allesamt Typen, die man mögen kann oder nicht. Das geht vom polterigen
Vollproll aus der Eifel über die mädchenhaft kichernde Schmuck- und
Pferdeliebhaberin und den gefärbt-gepiercten Modeafficionado bis zum
tiefbayerischen hochbetagten ehemaligen Kunstturner – um nur einige wenige zu
nennen. Allen gemein ist die Krämerseele – der tief in die Wolle gefärbte
Drang und Wille, möglichst billig einzukaufen und möglichst teuer zu verkaufen. Die sogenannten
Startgebote sind oftmals wirklich obszön niedrig, aber auch die Endgebote
liegen oftmals weit unter der Expertise – gerne mit dem Hinweis darauf, dass
man selber ja auch noch ein bisschen was verdienen müsse. Was nicht heißt,
dass nicht auch das eine oder andere Teil über Expertise verkauft wird.
Rätsel: Ich habe mich schon öfter gefragt, ob Herr Lichter eine speziell für diesen Anlass gefertigte Hose trägt, denn ich kenne kein Beinkleid von der Stange, in dessen Gesäßtasche so eine riesige Karte passen würde. Möglicherweise ist das Ganze ja auch eine optische Täuschung und »dat Käachtschn« wird ihm von einer im Verborgenen agierenden Hilfskraft zugesteckt? Die Preise muss man zuerst einmal verstehen: Der Experte gibt eine Summe an, zu der so ein Teil auf dem freien Markt normalerweise verkauft wird. Im Händlerraum ist aber kein freier Markt, denn dort sitzen Händler, die Waren am liebsten für hundert Euro einkaufen und für vierhundert Euro verkaufen, und die von diesen mageren drei Prozent Gewinn ihr ärmliches Leben bestreiten müssen. Ich frage mich immer, warum die Experten dermaßen unrealistische Expertisen erteilen, anstatt eine für den Verkäufer brauchbare Summe zu nennen, die tatsächlich erreichbar wäre. Aber das gehört wohl zum Selbstverständnis dieser Sendung. Andererseits wundere ich mich dann aber auch über Verkäufer, die bei Angeboten teilweise unter der Hälfte des Expertisen-Preises kleinlaut noch „ein bisschen mehr“ haben möchten, anstatt selbstbewusst darauf hinzuweisen, dass da noch „sehr viel mehr“ kommen müsse. Völlig normal hingegen: Wenn tatsächlich mal ein Angebot durch die Decke ging, hat noch nie ein Verkäufer vorzeitig gesagt: „Jetzt is’ aber genug“. Was ich nicht verstehe: Der Verkäufer wird um Nennung eines Wunschpreises gebeten; liegt die Expertenschätzung darunter, wird der Kandidat gefragt, ob er denn auch zu diesem Preis verkaufen würde, denn ansonsten könne man die Händlerkarte nicht herausrücken. Andererseits wird aber im Händlerraum immer wieder dezidiert darauf hingewiesen, dass »hier niemand zum Verkaufen gezwungen wird«. Warum also gibt es Anbieter, die nicht zum Expertenpreis verkaufen wollen und deshalb die Händlerkarte nicht bekommen? Warum sagt man nicht einfach »ja« und macht später bei den Händlern einen Rückzieher, wenn die Gebote zu niedrig sind? Der Onkel aus dem Off (ein gewisser Volker Wolf) ist in BfR allgegenwärtig und kommentiert – mit dem altväterlichen Duktus eines pfeifchenschmauchenden Märchenonkels – das Präsentierte aus dem Hintergrund (fachsprachlich off-screen oder aus dem Off). Leider werden ihm allzu oft unterirdisch schlechte Wortspiele in sein Manuskript geschrieben. Das grenzt manchmal wirklich an schwere Körperverletzung. Zusammen mit dem allgegenwärtigen musikalischen Gedudel im Hintergrund bildet er das Gerüst, das Bares für Rares zusammenhält. Die Guten Hände: Mindestens einmal pro Sendung äußert einer der Kandidaten, dass es ihm gar nicht so sehr ums Geld gehe, sondern er vielmehr froh wäre, den angebotenen Gegenstand in „gute Hände“ abgeben zu können. Da springt mein innerer Bullshit-Detektor immer auf Tief-Rot: Wenn ich schon willens bin, meinen Trödel an einen Händler zu verramschen, kann ich eigentlich sicher sein, dass dessen Hände lediglich an Banknoten und nicht an behutsamem Umgang und tiefster Wertschätzung interessiert sind. Will ich etwas in „gute Hände abgeben“, dann muss ich mich vorher eingehend und sorgfältig informieren, welcher Empfänger dazu geeignet sein könnte – ein Händler ist es, entgegen eigener aufrichtigster Beteuerungen, sicher nicht. Der Spaß damit: Zum Abschied geben die Verkäufer meist noch eine Abschiedsformel von sich: „Und viel Spaß damit“. Und zwar egal, um was es sich bei der Ware handelt. Vasen, Bilder, Bronzeskulpturen, alte Küchengeräte, antike Maschinen: „viel Spaß damit“. Wie, bitteschön, soll jemand mit einem Flaschenverkorker „Spaß“ haben? Ginge es um einen antiken Holzdildo oder ein Louis-XVI-Furzkissen, wäre die Sache klar, aber „Spaß“ mit einem Ölgemälde, einem Rechenschieber oder einem Zigaretten-Etui? Da muss ich fluchtartig das Kopfkino verlassen ... Rituale: Die völlig blödsinnige Einleitung durch Herrn Lichter, die Vorstellung der Verkäufer, die gefakte Expertise, die Übergabe der Händlerkarte, die Verkäufer-Statements, der Onkel aus dem Off, die ständig im Hintergrund dudelnde Musik, der völlig blödsinnige Epilog durch Herrn Lichter – alles muss exakt festgelegten Ritualen folgen, genau wie beim Sonntagsgottesdienst. Alles andere wäre der Fangemeinde vermutlich nicht zuzumuten. Und genau aus diesem Grund gibt es diese Fangemeinde überhaupt: Man weiß genau, was passieren wird, wie es passieren wird und wann. Der deutsche – und insbesondere wohl der ältere deutsche – ZDF-Konsument braucht das anscheinend. Er will keine Veränderung, er will das Erwartbare, das Ritual. Deshalb hat Bares für Rares so konstant hohe Einschaltquoten. Ich gebe gerne zu, dass auch ich ein einigermaßen regelmäßiger Zuschauer bei Bares für Rares bin. Allerdings hänge ich dabei nicht mit verklärtem Blick und offenem Mund vorm Fernseher, sondern beobachte die Vorgänge auf dem Bildschirm und mich selbst währenddessen meistens recht genau. Ich gebe auch gern zu, dass die Sendung professionell und routiniert gemacht ist (von den Fremdschäm-Momenten am Anfang und am Ende einmal abgesehen, bei denen ich immer den Ton ausschalte) und auch durchaus lustige und informative Momente hat. Ich denke jedoch auch, dass ich den Unterhaltungswert dieser Sendung an anderen Stellen finde als viele andere Fans der Reihe. Aber das ist es ja auch, was das Konzept von BfR gerade auszeichnet: Es ist für jeden Geschmack und jede Gemütslage etwas dabei. ***************** Nachtrag 2024: Seitdem Herr Lichter neben seinem Schnäuzer nun auch einen Kinnbart trägt, wurde der Beginn der Sendung revolutioniert: Der Eingangsquatsch wurde glücklicherweise stark reduziert; dafür wird jetzt unglücklicherweise ein »Bloß-nicht-umschalten-hier-kommt-jetzt-was-ganz-Tolles«-Vorspann gezeigt, der die Folge quasi im Vorgriff zusammenfasst, wie man es sonst nur von Privatsendern kennt. Ich weiß nur noch nicht genau, was ich störender finde – fremdschämen oder gepampert werden? Weitere interessante Details zur Sendung finden Sie übrigens in der Wikipedia. |
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Händlorkäachtschn Teil I |
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Juni 2023 |
Eine Einführung in die wunderbare Welt von »Bares für Rares« |
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Anknüpfend an den vorhergehenden Eintrag möchte ich hier einmal für alle, die es nicht kennen und solche, die es trotzdem interessiert, das Paralleluniversum der im ZDF bzw. ZDF Neo ausgestrahlten Unterhaltungssendung »Bares für Rares« vorstellen. Einfach ausgedrückt geht es darum, dass Leute wie Du und ich ihren nicht mehr benötigten Plunder zu möglichst hohen Preisen an Antiquitätenhändler verscherbeln wollen. Dazu müssen sie einen streng ritualisierten Prozess durchlaufen. Schauen wir uns so eine Sendung und ihr Personal einmal an. Ich verzichte im Folgenden bewusst auf irgendeine Form von Gendern, da das den Text unnötig aufblähen würde, beziehe mich aber vorurteilslos auf alle bekannten und noch zu erforschenden Geschlechtervarianten. 1. Der Beginn: Ein gewisser Horst Lichter (im Folgenden Herr Lichter genannt, die älteren unter uns kennen ihn noch als Koch) moderiert die Sendung an, indem er irgendeinen kindischen Quatsch zum Besten gibt, vorgibt mit irgendetwas Wichtigem beschäftigt zu sein und/oder irgendeinen dümmlichen Dialog mit einem seiner Mitstreiter führt, um anschließend mit „häachtsch willkommen zu Bares für Rares“ den Zuschauer zu begrüßen. Schnitt. Intro mit rockiger Titelmelodie. 2. Die Einleitung: Der Onkel aus dem Off stellt den ersten Kandidaten mit vollem Namen vor, Alter und Herkunftsort werden eingeblendet. Der prospektive Verkäufer sagt ein, zwei Sätze, verrät aber noch nicht, worum es geht (die Spannung …). 3. Die Vorstellrunde: Eines der häufigsten Szenarien: Der Experte steht an einem Pult im Expertenraum und betrachtet das angebotene Objekt. Herr Lichter tritt hinzu, meist gut gelaunt, und gibt schon einmal eine eigene Meinung zu dem Stück ab, die aber meistens nicht allzu ernst zu nehmen ist. Der Experte erklärt schon mal ein wenig. Der Anbieter wird hinzugebeten. Man begrüßt sich und klärt, ob man sich mit Vornamen anspricht (was Herrn Lichter sehr sympathisch ist) oder nicht (was Herrn Lichter immer etwas verlegen macht). Mit den Lichter’schen Worten „da hast du uns ja wat Dollet mitjebracht“ beginnt nun die Befragung des Verkäufers, woher das gute Stück stammt und wie es in seinen Besitz gekommen ist. Möglicherweise folgen auch noch einige Worte zur eigenen Person, zu Hobbys und besonderen Tätigkeiten (besonders beliebt: Moppedfahren – da hat man in Herrn Lichter sofort einen Freund fürs Leben). 4. Die Expertise: Der Experte erklärt nun in mehr oder weniger nüchternen Worten, worum es sich handelt, zeigt – umgeben von einer Aura der absoluten Unfehlbarkeit – Besonderheiten und Fehler auf, kennt jedes noch so kleine Detail zu Ursprung, Herstellung und Vertrieb, brilliert mit Fachwissen und Kompetenz. Herr Lichter hat auch stets die eine oder andere Frage, die der Experte geduldig beantwortet. 5. Die Preisfindung: Der Verkäufer wird nun nach seiner Preisvorstellung gefragt, worauf dieser sich oft etwas ziert, bevor er dann, meist auf hartnäckiges Nachfragen, mit einer Summe herausrückt. Nun wird der Experte gefragt (oft auch unterstützt durch den Onkel aus dem Off), was das Objekt der Begierde denn nun wirklich wert sei. Auch der Experte druckst erst noch ein wenig herum (die Spannung …), bevor er dann schließlich einen Betrag nennt. Der – je nach Ergebnis – ernüchterte, ungerührte oder erstaunte Verkäufer muss jetzt nur noch offiziell äußern, ob er denn zu dem genannten Preis verkaufen würde. Wird das positiv beschieden, dann zieht Herr Lichter aus der Gesäßtasche seiner Hose die Händlerkarte, die zum Eintritt in den Händlerraum berechtigt (dat Händlorkäachtschn). Mit den Worten „da jedederübbor“ wird die Karte dem Verkäufer übergeben, wobei dieses Ritual, bei dem der eine nicht loslassen will und der andere vergeblich zieht, stets in Großaufnahme erfolgt. 6. Freud und Leid: Der Verkäufer gibt ein weiteres kurzes Statement des Inhalts ab, dass er sich riesig freut, die Händlerkarte bekommen zu haben, bzw. dass er nicht damit gerechnet hat, diese zu bekommen, bzw., dass er schon damit gerechnet hat, sie zu bekommen, bzw. (was äußerst selten vorkommt) er traurig/nicht traurig ist, diese nicht bekommen zu haben. 7. Positionen (2) bis (6) werden jetzt mit einem weiteren Kandidaten durchlaufen. 8. Das Vorspiel: Der Händlerraum wird gezeigt. Es sitzen meist fünf Händler an einem gemeinsamen tresenartigen Möbelstück. Ist das Objekt zu groß, um vom Verkäufer mitgebracht zu werden, befindet es sich bereits vor Ort und es entspinnen sich erste Gespräche; Meinungen werden ausgetauscht. Schnitt auf einen Vorraum. Der Verkäufer gibt hier noch ein Statement ab, dass er sehr/kaum/gar nicht aufgeregt sei und es doch am besten wäre, wenn sich mehrere Händler für das Objekt interessierten und sich gegenseitig überböten. Der Onkel aus dem Off spendet noch ein paar begleitende Worte, gerne auch Wortspiele aus der untersten Schublade („… ob seine Modelleisenbahn wohl im Händlerraum ankommt oder auf dem Abstellgleis landet?“), während der Verkäufer sich in Richtung Händlerraum begibt (schön anzusehen, besonders, wenn es sich um ein Paar handelt, das vergeblich versucht, nebeneinander durch die engen Glastüren zu gehen). 9. Der Händlerraum: Der Verkäufer tritt ein, übergibt gegebenenfalls das Objekt und stellt sich auf den für ihn markierten Platz. Es gehen Begrüßungen und Informationen hin und her, bis schließlich der erste Händler ein Gebot abgibt, das meistens lächerlich weit von der Expertise entfernt ist. Mit etwas Glück entwickelt sich nun ein Bietergefecht, an dessen Ende einer der Händler das Objekt zugeschlagen bekommt (oder auch nicht, wenn der angebotene Ankaufspreis dem Verkäufer zu niedrig erscheint). Der vereinbarte Preis wird in Großaufnahme in großen (selten auch kleinen) Scheinen vorgezählt und übergeben. In Corona-freien Zeiten besiegelt ein Handschlag schließlich das Geschäft. Auch der Onkel aus dem Off gibt gerne noch einen onkelhaften Kommentar dazu („Zehn Euro über dem Wunschpreis. Prima.“) 10. Die Nachbereitung: Der Verkäufer geht, die Händler beglückwünschen sich gegenseitig zu dem tollen Objekt, das sie eine Minute vorher noch kleingeredet hatten („der Markt gibt das nicht her“, „vor zehn Jahren hätten Sie [...] dafür bekommen können“, „es wird schwer, dafür einen Käufer zu finden“, etc.). Der Verkäufer gibt im Vorraum ein weiteres Statement ab: dass er sehr/einigermaßen/weniger zufrieden sei und er mit dem Geld jetzt […] kaufen, lecker Essen gehen, oder einfach seine Reisekasse füllen werde. 11. Positionen (8) bis (10) werden nun mit dem Kandidaten aus (7) wiederholt. 12. Zweimalige Wiederholung von (2) bis (11) mit jeweils neuen Kandidaten. 13. Ende: Herr Lichter nimmt Bezug auf die Kinderei aus (1), bringt sie zu einem vermeintlich witzigen Abschluss und verabschiedet sich von den Zuschauern, oft mit Hinweis auf weitere spannende Folgen, die man sich in der Mediathek anschauen könne. Abspann, rockige Titelmelodie.
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Lesen Sie hierzu bitte auch den zweiten
Teil.
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Ich hab' zu danken! |
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April 2023 |
... eine der idiotischsten Phrasen der deutschen Sprache. |
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Jeder von uns wird vermutlich irgendwann in frühester Kindheit gelernt haben,
wie der Austausch von Dankesfloskeln abzulaufen hat. „Wie sagt man denn, wenn
man etwas haben möchte?“ „Bitte.“ „Wie sagt man, wenn man etwas bekommen
hat?“ „Danke.“ Aber da gibt es noch eine dritte Phrase, die auch in diesem Zusammenhang steht, nämlich: Was sagt man, wenn sich jemand bedankt hat? Da gibt es zahllose Möglichkeiten, zum Beispiel „bitte“, „gern geschehen“, „keine Ursache“ oder eine beliebige Kombination daraus. Und wenn man aus dem Norden kommt: „da nich für“. Am anderen Ende Deutschlands: „basst scho“. Immer stärker setzt sich auch „gerne“ durch, was ich für vollkommen sinnentleert halte. „Vielen Dank“ – „Gerne.“ – gerne was?! Es verlangt ja keiner, dass man sich ganze Romane abringt, aber einfach nur „gerne“ finde ich doch ein wenig zu maulfaul. Kommen wir jetzt aber zum absoluten Gipfel, dem Leuchtturm unter den Dankes-Erwiderungen: „Ich hab' zu danken“, mit besonders gewichtiger Betonung auf ich. Das hört man eigentlich nur von Händlern, wenn sie einen Kunden besonders elegant über den Tisch gezogen haben. Das lernen die anscheinend auf der Handelsschule, oder wo auch immer. Die Übersetzung von ich habe zu danken lautet doch ich muss danken. Es handelt sich also lediglich um eine Feststellung, und noch nicht einmal um eine Absichtserklärung (ich werde danken), geschweige denn um einen tatsächlichen Dank (ich danke). Warum sagt man nicht einfach „Ich danke Ihnen“? Dieses alberne „Ich hab' zu danken“ treibt jedes Mal meinen Blutdruck in die Höhe und ich bin versucht zu sagen: „Ja, dann tun Sie's doch einfach!“. Es gibt doch so viele andere Möglichkeiten, den Dank des Gegenübers gewissermaßen abzulehnen, indem man ihm zu verstehen gibt, dass man selber eigentlich zu Dank verpflichtet und ein Dank seinerseits somit nicht nötig sei, und man dieser Verpflichtung hiermit nachkomme, und zwar von ganzem Herzen. Es ist eine über hunderte von Generationen weitergegebene, immer wieder verfeinerte, hochkomplexe soziale Interaktion, deren Sinngehalt in „ich hab' zu danken“ komplett verloren gegangen ist. Andere Sprachen haben hierfür ebenfalls gängige Floskeln erarbeitet: »You're welcome« sagt man in anglophonen Gegenden – Sie sind willkommen. »Prego« sagt der Italiener, was „ich bitte“ bedeutet. Die Spanier (de nada) und Franzosen (de rien) reden die Sache klein und behaupten einfach, es sei um nichts gegangen. Oder mit ähnlichem Inhalt, ebenfalls französisch, »pas de quoi«, was auch der Russe (не за что) kennt. Meines Wissens gibt es in keiner anderen als der deutschen Sprache dieses knöcherne, gedankenlose und unpersönliche „ich hab' zu danken“. Kann das mal jemand diesen erbärmlichen Krämerseelen erklären? Danke! – Da nich' für. |
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Panade |
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Sept. 2022 |
... oder doch Panierung? Informationen für Besserwisser. |
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Ich kann mich noch entfernt an eine Kochsendung
erinnern, in der irgendein bester [...] von Deutschland gekürt
wurde. Einer der Beteiligten war der recht bekannte und
im Laufe seiner Karriere mit
bis zu zwei Michelin-Sternen hochdekorierte
Christian Lohse. Gegen Anfang dieser Sendung erklärte er »für alle zum Mitschreiben« den Unterschied zwischen Panade und Panierung. Sinngemäß dozierte er:
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* Definitionen der Gastronomischen Akademie Deutschlands e.V.. |
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Blues |
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Juni 2022 |
... kennt jeder, hat jeder schon gehabt. Trotzdem eine Frage dazu ... |
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Wieso heißt es eigentlich der
Blues? Klar, die Amis sagen the blues, aber wieso wird bei uns ein
männlicher Singular daraus? Fakt ist, dass blues in Amerika und anderen
englischsprachigen Ländern ein Plural ist. Glauben Sie nicht? Dann schauen
Sie sich doch mal folgende Zeilen* des berühmten Liedermachers Neil Diamond an:Während wir Deutschen, Franzosen, Italiener, Spanier und viele andere den/le/il/el Blues haben, haben die Amis (et al.), wenn man es linear übersetzt, die Blauen. Merkwürdig, dass sich das so falsch eingebürgert hat, finden Sie nicht? Und wenn man sich das erst einmal klar gemacht hat, bekommt man jedes Mal so ein komisches Gefühl am Hinterkopf, wenn mal wieder jemand behauptet, den Blues zu spielen. Fakt ist auch: You can't unthink it. Also machen Sie das Beste draus. |
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* Neil Diamond: Song sung blue (1972) |
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Von heißen Temperaturen ... |
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Aug. 2020 |
... ist ja im Sommer gerne mal die Rede. Aber gibt es so etwas überhaupt? |
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Ganz klar: Nein. Temperaturen können hoch oder niedrig, ja sogar extrem
oder auch angenehm sein.
Aber weder kalt noch warm. Es kann draußen heiß sein, im
Gefrierfach kann es kalt sein – Temperaturen
können jedoch nur Größen sein: niedrig, mittel oder hoch, wie auf einer Skala.
Eine Größe kann weder heiß noch kalt sein. Sehr viele Zeitgenossen begreifen die Logik nicht, die dahinter steckt. Und so kommt es dann auch immer wieder zu totalem Nonsens wie teuren Mieten, billigen Preisen, schnellen Geschwindigkeiten, schwerem Gewicht, weiter Entfernung, jungem Alter und ähnlich abstrusen Konstrukten. Leute! Hirn einschalten beim Schreiben und Sprechen! |
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Niedrige Preise |
Hohe Mieten |
Große Entfernung |
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Es ist so, wie ich es bereits unter
der Überschrift »Weniger ist mehr« beschrieb: Es wird nur noch in
möglichst griffigen Slogans und Parolen gesprochen und gedacht.
Kaum einer macht sich die Mühe, einmal den Sinn hinter solchen Sprüchen zu
ergründen. Ein Großdiscounter könnte beispielsweise durchaus auf die Idee kommen, mit „Ab Montag noch billigere Preise“ zu werben, aber dennoch nichts zu verändern. Denn er hat ja nicht behauptet, dass ab Montag alle angebotenen Waren billiger werden, sondern lediglich die Preise (wie auch immer das gehen soll). Keine Sorge, das wird nicht passieren, denn die Kundschaft ist auf diese Art von Dummdeutsch bereits konditioniert und hätte keinerlei humorvolles Verständnis für derlei Winkelzüge. Lidl/Penny/Aldi würden sich also selbst einen Bärendienst erweisen. Teure Mieten sind auch wieder so ein Slogan, der sich ungeprüft festgesetzt hat. Niemand würde von teuren Kosten sprechen – und der Mietzins gehört nun einmal zu den Kosten. Das, wofür wir Miete bezahlen ist die kostenpflichtige Überlassung von Wohnraum. Sozusagen die Genehmigung, das Eigentum des Vermieters nutzen zu dürfen. Und die ist teuer, nicht die Miete. Dass allerdings ein Elektroingenieur, und zwar bereits 1932, elektrische Hochleistung auf weite Entfernung übertragen wollte, lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass er in einer Zeit lebte, in der Pathos zur Alltagssprache gehörte. Auf weite Entfernung: Man sieht quasi vor dem inneren Auge die Weite der wogenden Wälder, der silbernen Seen, der lockenden Landschaften ... Und auf diese Weise bekommt man selbst in den Titel eines Fachaufsatzes etwas Leidenschaft. In der heutigen, sehr viel nüchterneren Zeit hieße es wahrscheinlich „Übertragung elektrischer Hochleistung über große Distanzen“. Nichtsdestoweniger gibt es weite Entfernungen einfach nicht. Fazit: Wir alle sollten unsere Muttersprache mit etwas mehr Sorgfalt behandeln, sonst erreichen wir den Zustand der Beliebigkeit mit überaus schneller Geschwindigkeit. |
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Xavier Naidoo! |
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März 2020 |
Fridays For Future → F F F → 6 6 6 → Was??? |
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Original-Zitat: „Es ist heute der 20. September, ein sogenannter Friday for Future. F F F. Dreimal F. F ist am sechsten Platz im Alphabet [zählt an den Fingern mit] A, B, C, D, E, F. Dreimal F in dem Fall. 6 6 6. Und ähh, auf jeden Fall, da weiß man auch wieder, wer dahinter steckt.“ Das Tier? Der Antichrist? Der Teufel, Satan, Beelzebub? Dunkle Mächte? Außerirdische? Ich wittere Verschwörung! Mein Vorschlag dazu: Kauf Dir 'ne Rolle Alufolie. Bau dir 'nen Helm draus. Stylische Sonnenbrille und Handschuhe hast Du ja schon. Mehr kann man dazu echt nicht sagen. Oder doch: Dass man einen Irrläufer wie Dich überhaupt in diese sogenannte Jury bei DSDS* aufgenommen hat, ist mir unverständlich. Der Rauswurf war daher keine Überraschung. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass Du wirres Zeug von Dir gabst. Ich bezeichne Dich jedoch weder als Rassisten noch als Zeloten. Nein, Du bist einfach verwirrt und solltest professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Von Fernsehen und sozialen Netzwerken halte Dich bitte künftig fern. Danke. Ich wünsche gute Besserung. |
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* Deutschland sucht den Superstar, Unterhaltungssendung beim Privatsender RTL. |
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Atemalkoholsensoren |
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Feb. 2020 |
Vom Parsen und über die Vorzüge des Bindestrichs. |
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Vielleicht wussten Sie's noch gar nicht: Beim Lesen geschieht etwas im Kopf, das die Wissenschaft parsen (ich parse, habe geparst, parste) nennt. Das ist der Vorgang, bei dem aus einem Haufen Buchstaben Sinn gewonnen wird. Nehmen wir als Beispiel den Begriff in der Überschrift. Je nachdem, mit welchem Thema sich das Gehirn kurz zuvor beschäftigt hat, untersucht es das Wort vielleicht zunächst einmal bis Atemal. Jetzt wird in der hirn-eigenen Bibliothek nach diesem Ausdruck gesucht, nichts gefunden und ein Vermerk hinterlegt („mal bei Google nachschlagen“). Neuer Versuch: Weiter hinten findet man ja auch noch holsen (könnte ein Name sein), oder sogar koholsen (also ein Mitarbeiter von Holsen). Dann bleiben noch ein paar Dänen o.ä. übrig (soren). Das Ganze wird dann einer Plausibilitätsprüfung unterzogen, für Unsinn befunden, und es geht zurück zum Wortanfang. Und so nach und nach dämmert uns dann, dass es sich um Atem-Alkohol-Sensoren handeln könnte. Dieser Vorgang des Parsens benötigt im Extremfall einige Sekunden und bindet unglaubliche Mengen an Energie und Konzentration. In einem realen Sinne ist dieser Vorgang ermüdend. Doch hier kommt unser Held, der Bindestrich (alias Viertelgeviertstrich oder Divis) ins Spiel: Kaum findet unser Parser einen solchen Bindestrich, weiß er, dass eine logische Einheit abgeschlossen ist und er sich dem nächsten Abschnitt widmen kann. Kein zeitraubendes Hin und Her, kein Noch-mal-von-vorne. So können auch Missverständnisse von vorneherein vermieden werden: Die berühmten Blumento-Pferde geben sich sofort als Blumentopf-Erde zu erkennen. Der Unterschied zwischen Buschfeuern und Buschauffeuren wird durch die Trennung sofort offenbar. Der Politikersatz wird sogar erst durch einen Bindestrich eindeutig: Entweder Politik-Ersatz oder Politiker-Satz. Ebenso verhält es sich mit Spielende, Staubecken und Versendung. Ich kann nur dazu aufrufen, unübersichtliche Wörter so weit und so oft wie möglich aufzutrennen. Es hilft enorm bei der Sinnerfassung. Lese ich beispielsweise etwas über unseren ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und anschließend einen Artikel über Bio-Technologie, in dem mehrfach der Begriff Genschere vorkommt, dann kann es schon etwas länger dauern, bis sich das Wort Gen-Schere zu erkennen gibt. Dem Verfasser des Artikels, der sich ja intensiv mit dem Thema befasst hat, erschiene das vielleicht unsinnig und weit hergeholt – wahrscheinlich hat er gar nicht darüber nachgedacht: Aber für mich wäre ein Bindestrich hier eine deutliche Erleichterung gewesen. Ähnlich erging es mir wenig später mit der Eigelbremoulade, Eigel-bremoulade, nein Eigelb-Remoulade. Ähnlich schwer zu parsen: Altbaucharme, Baumentaster, Hoffensterchen, Kreischorverband, Rotzeder, Urinsekten, Zwergelstern. Das soll jetzt aber dem Deppenbindestrich nicht Tür und Tor öffnen. Die Gartenpforte bekomme ich ebenso wie den Parkplatz und den Staubsauger problemlos auch ohne diese Lesehilfe bewältigt. Ich denke da eher an so pikante Wörter wie die Salonalbumserie* ... |
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* siehe hierzu auch: E.C. Hirsch Deutsch für Besserwisser, Verlag Hoffmann & Campe 1976 |
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Weniger ist mehr... |
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Dez. 2019 |
... glauben ja viele. Aber ist das auch tatsächlich so? |
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Diese Phrase haben Sie doch bestimmt auch schon mal gehört: „... man sagt ja immer: »weniger ist mehr« ...“. Da frage ich mich dann doch ab und zu, wer man ist und warum er das immer sagt. Zumal das ja auch gar nicht stimmt: Weniger ist weniger und mehr ist mehr. Und zwar immer. Die pauschale Aussage »weniger ist mehr« stimmt so einfach nicht. Es kann durchaus sein, dass weniger a mehr b ergibt. Aber dann sagt man eher: Je weniger Wasser desto mehr Trockenheit. Je weniger Autos desto mehr Parkplätze. Je weniger Doofe desto mehr Lebensfreude. Meistens ist »weniger ist mehr« jedoch ganz anders gemeint:
Weniger ist hier nicht mehr sondern besser – und so ist es auch in den allermeisten anderen Fällen gemeint. Die Wurzel des Übels liegt in einem allgemeinen Trend: Kaum jemand spricht noch in ganzen, zusammenhängenden Sätzen. Inhaltsleere Slogans ersetzen komplexe Aussagen: »Weniger ist mehr«*, »genug ist genug«, »wenn schon denn schon« und »früher war mehr Lametta«. Besser wären natürlich präzise Hinweise:
... aber das überschreitet dann wohl die Aufmerksamkeitsspanne der meisten Zuhörer bzw. Leser. Was kann man tun? Ein Anfang wäre bereits gemacht, wenn die Leute sich beim Sprechen nur mal selbst zuhörten. Hinreichende Selbstkritik und Einsichtsfähigkeit vorausgesetzt, verzichteten sie dann vielleicht gerne auf die eine oder andere sinnlose Floskel – denn weniger ist einfach weniger. |
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* Übrigens: Gibt man »weniger ist mehr«
mal bei Google
Ngram Viewer ein fällt auf, dass sich diese Weisheit erst so richtig
seit den Neunzigerjahren durchgesetzt hat. |
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Ein bisschen Glück |
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Nov. 2019 |
Haben Sie schon mal was per Anruf beim Privatfernsehen gewonnen? Nein? Na, da fehlt Ihnen wahrscheinlich nur ein bisschen Glück. |
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Privatsender sind ja stets auf der Suche nach Einnahmequellen. Sei es durch die unerträgliche Werbung, die mittlerweile schon epidemische Ausmaße angenommen hat, oder durch irgendwelche dümmlichen Mitmachspielchen, bei denen man anrufen („nur 50 ct. pro Anruf!“) oder eine SMS („nur 50 ct. pro SMS“) schicken soll. Durch bloße Nennung eines Kennwortes und mit ein bisschen Glück* kann man da nicht selten tausende von Euros gewinnen („per Blitzüberweisung: Geld ist am nächsten Tag auf dem Konto“). Ein bisschen Glück, pah, ich kann's echt nicht mehr hören. Was ist eigentlich ein bisschen Glück? Wenn sich die Nadel der Tankuhr in den roten Bereich begibt und ich noch vierzig Kilometer bis zur nächsten Tankstelle habe, dann komme ich mit ein bisschen Glück dort auch an. Wenn zum Familienfest unangemeldet Tante Hedwig und Onkel Otto erscheinen, dann bekomme ich die mit ein bisschen Glück (und etwas kleineren Kuchenstücken) auch noch versorgt. Ich habe also eine ungefähre Fifty-fifty-Chance auf einen erfolgreichen Ausgang. Und ein bisschen Glück reicht, um auf der Schicksalswaage zu meinen Gunsten zwei, drei Gramm aufzulegen. Wie seht es denn nun mit dem bisschen Glück beim Privatsender aus? Haben die etwas zu verschenken? Klare Antwort: Nein! Wenn da meinetwegen 5.000 Euro ausgelobt werden, woher kommt denn das Geld? Klare Antwort: Von den dämlichen Anrufern, die auf ihr bisschen Glück vertrauen – und auch gerne zwei- bis zehnmal anrufen, um ans große Geld zu kommen. Der Sender rückt die Kohle sowieso erst raus, wenn mindestens zehntausend (gleich 5.000 Euro) Anrufe eingegangen sind. Vermutlich wage ich mich nicht zu weit vor, wenn ich behaupte, dass die Auszahlung gar erst bei hundert- bis zweihunderttausend Anrufen erfolgt (wenn überhaupt). Eine 1:100.000-Chance auf 5.000 Euro klingt ja zunächst mal auch gar nicht so schlecht. Aber ich bin dennoch der Meinung, dass hier ein bisschen Glück nicht mehr ausreicht. Man benötigt schon massiv viel Glück, wenn man bei so einem »Spiel« gewinnen möchte. Dieses Kleingerede bringt mich jedes Mal auf die Palme. Warum sagt man den Zuschauern nicht, dass ein bisschen Glück eben nicht ausreicht, und dass es im Gegenteil absoluter Quatsch ist, sich an solchen Gewinnspielen zu beteiligen? Laut Gesetz starren mich von jeder Zigarettenschachtel krankhaft veränderte Atemwegsorgane an. Laut Gesetz muss ich darauf hingewiesen werden, dass ich meinen Arzt oder Apotheker zu Risiken und Nebenwirkungen frei verkäuflicher Medikamente befragen soll. Laut Gesetz müssen Allergene in Lebensmitteln deklariert werden. Alles zum Schutze des mündigen Bürgers. Aber hier? Noch nicht einmal ein flüchtig hingenuscheltes „Glücksspiel kann süchtig machen, Teilnahme erst ab 18“. Keine Bekanntgabe der Gewinnchance, oder wenn doch, dann im Winzigkleingedruckten, das innerhalb von 0,5 Sekunden am unteren Bildschirmrand durchläuft. Wie kann das sein? Die Antwort liegt auf der Hand: Der Sender verdient daran, der Telefondienstanbieter verdient daran, der Staat verdient daran, niemand klagt, und mit ein bisschen Glück für die Verdiener und Mitverdiener wird das auch noch lange Zeit so bleiben ... |
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* Übrigens: Man kann beides sagen: »mit ein bisschen Glück« oder »mit einem bisschen Glück«. Mit »ein wenig« geht das seltsamerweise nicht. |
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Doppel-Moppel |
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Sept. 2019 |
Redundanz trägt zwar oft zur besseren Verständlichkeit bei, aber bisweilen kann sie ganz schön nerven. |
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Neulich hat mal wieder so ein Fernsehkoch eine Sauce einreduziert. Er gebrauchte dieses Wort mehrfach und mit großer Begeisterung. Wenn man sie erst einmal zusammenaddiert hat, kann man die Einzelkomponenten dann nicht mehr auseinanderdividieren, da die Flüssigkeit schon abgebunden ist. Immer mehr Sabbelköppe möchten uns ihr wirres Deutsch aufoktroyieren. Derlei überflüssige Vorsilben könnten sie aber auch einsparen (oder deren Anzahl doch wenigstens herabmindern). Man könnte auch schlussfolgern, dass eine Abänderung dieser Angewohnheit wieder mehr Klarheit in die Sprache brächte: Reduzieren, addieren, Komponenten, dividieren, binden, oktroyieren, sparen, Zahl, mindern, folgern, Änderung, Gewohnheit. Mehr Präzision geht nicht. Verdoppelung steigert den Informationsgehalt nicht, sondern trübt ihn. Das wollte ich nur mal kurz angemahnt haben. |
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Knottschies |
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Jul. 2019 |
Seit dem Einzug der mediterranen Gourmet- in die deutsche Einbauküche tauchen immer wieder Fragen zu Aussprache, Genus und Numerus der Zutaten auf. |
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Hier einige Beispiele dazu aus dem italienischen Sprachraum:
Buon appetito! |
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Der richtige Singular: In Italien produzierte Wurstspezialität mit Fenchelsamen. |
Die Farben Italiens: Basilikum, Mozzarella und Tomaten versammeln sich auf der Pizza Margherita. |
Nix Espresso: Der Italiener nennt ihn schlicht und ergreifend caffè. |
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* Genus (nicht zu verwechseln mit Genuss) ist das grammatische Geschlecht eines Wortes, also männlich, weiblich oder sächlich (maskulin, feminin oder Neutrum). |
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Zigzig |
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Jun. 2019 |
Die Kombination von Zahlen und Buchstaben zu einem sinnvollen Wort fällt vielen Deutschen anscheinend schwer. |
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Stolpern Sie auch öfter mal über so merkwürdige Dinge wie den »50zigsten Geburtstag«, die »70ziger Jahre«? Wurden Sie schon einmal gefragt, ob Sie einen »100erter« wechseln können oder würden Sie sich für eine schicke »1000ender Kawasaki« begeistern? Alles völlig normal? Dann fangen wir nochmal von vorne an. Was ist am »50zigsten Geburtstag« zu bemängeln? Ganz einfach: 50 ist fünfzig. Und 50zig ist fünfzigzig. Der Hunderter wird zum Hunderterter und der Tausender zum Tausendender (der feuchte Traum eines jeden passionierten Rotwild-Jägers). Grundsätzlich unterscheiden wir im Deutschen (und den meisten anderen Sprachen) zwischen Kardinalzahlen und Ordinalzahlen. »Fünfzig« bzw. »50« ist eine Kardinalzahl. Die dazu passende Ordinalzahl ist »fünfzigste/r/s« oder »50.«. Ein einfacher Punkt macht also aus einer Kardinal- eine Ordinalzahl. Das »zigste« kann (und sollte) man sich sparen. Der Duden erlaubt uns, die »Siebzigerjahre« auch »70er Jahre« zu schreiben. Aber ohne überflüssiges »ziger«. Ebensowenig sollten 50er, 100er und 1000er verunstaltet werden. In verschiedenen Internet-Foren ist mir sogar der »1000sender« schon mehrfach begegnet. Ein besonders sinnloses und hässliches Exemplar wie mir scheint. Gegen derlei Auswüchse hilft eigentlich nur eines: Sich das Geschriebene einmal laut vorlesen. Aber bei manch einem gelingt das wohl weder beim 1sten, noch beim 100erdsten Mal. | ||||||||||||||||||||||||||
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Trümmer |
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Mai 2019 |
Ein Ausflug in die Trümmerlandschaft der deutschen Gegenwartssprache. |
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Immer häufiger höre ich in letzter Zeit den Ausdruck »so ein Riesentrümmer«, oft zeitgleich mit einer beidhändigen Geste, die – ähnlich wie unter Anglern üblich – das Ausmaß des »Riesentrümmers« darstellt. Da frage ich mich jedes Mal, wo derjenige wohl Deutsch gelernt haben mag. Klären wir doch mal ein paar Begriffe:
Halten wir also fest: »Den oder das Trümmer« gab und gibt es nicht. In den allermeisten Fällen dürfte »das Trumm« aus [1.] gemeint sein. Das alles kann man z.B. bei www.duden.de oder in klugen Büchern nachlesen ... und sich dann erneut fragen, was denn ein »Riesen-Trümmer«, ein »riesen Trümmer« oder ein »Riesentrümmer« sein könnte – selbst über die Rechtschreibung scheint im weltweiten Netz Uneinigkeit zu herrschen. Aber auch hier hilft uns die Duden-Redaktion gerne weiter: Einzig richtig (gäbe es ihn denn) ist der Riesentrümmer. Gleiches gilt auch für den Mordstrümmer. Denn unsere Rechtschreibregeln gelten auch für Wörter, die gar nicht existieren! | ||||||||||||||||||||||||||
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Über Geschmack ... |
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Dez. 2018 |
... kann man bekanntlich nicht streiten. Was aber ist ein Geschmäckle? |
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Er begegnet uns seit einiger Zeit wirklich überall: Der kleine Geschmack – das Geschmäckle. Journalisten, Politiker, Promis – alle benutzen es. Ein jegliches, das früher einen faden Beigeschmack oder gar Hautgout hatte, anrüchig oder dubios genannt wurde, hat heutzutage ein »Geschmäckle«. Was ist das überhaupt für ein Wort – Geschmäckle? An der Endung -le lässt sich mit hoher Sicherheit ein schwäbischer Ursprung ablesen. Im Land der Häuslebauer und Pfennigfuchser, wo eine Hand die andere wäscht, wo man »zamma khörd«, wo die Vedderleswirdschafd fröhliche Urständ feiert, wo man Vierdele trinkt und Schbäddzle mampft, da hat ein kleines Gschäfdle knapp am Rande der Legalität und guter Sitten eben keinen Geschmack, sondern ein Gschmäggle. Ja, richtig: Hinter das Anfangs-G gehört kein e. Wenn schon schwäbisch, dann auch richtig. Aber wozu überhaupt? Versucht der Sprecher damit sein Sprachtalent unter Beweis zu stellen? Macht er sich augenzwinkernd mit dem Schwaben und seiner Lebensphilosophie gemein? Oder ist das bloß mal wieder so ein total bescheuertes Modewort? Wie auch immer; was auch immer: falsch ausgesprochen klingt es eigentlich nur peinlich. Also: Entweder Geschmäcklein (wie putzig), oder Gschmäggle. Wer das nicht aussprechen kann [ˈkʃmɛglə], der benutze bitte weiterhin das alteingeführte Wort Beigeschmack. Denn: „Wer schwäbische Wörter nachmacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte sich verschafft und in Verkehr bringt, wird mit Maultaschen nicht unter zwei Portionen bestraft“. Vrschtosch mi?! |
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Lounge |
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Okt. 2018 |
Sie kennen den Unterschied zwischen Lounge, Longe, Lunch und Launch? Da haben Sie dem Großteil Ihrer Landsleute etwas voraus. |
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Ich will jetzt hier nicht im einzelnen darauf eingehen, wer was wo gesagt hat, denn das Phänomen ist leider allgegenwärtig. Schauen Sie sich nur mal Fernsehsendungen an, in denen regelmäßig und mit einigem Stolz die Innenarchitektur der eigenen vier Wände präsentiert wird. Wie z.B. »Das perfekte Dinner« auf VOX. Da gibt es in der Guten Stube meistens eine ausgedehnte Wohnlandschaft (früher: Eck-Sofa), die sehr gerne mit weiter Geste zum »Longe-Bereich« hochstilisiert wird, dann wieder zum »Launch-Bereich«, oder tatsächlich zum »Lunch-Bereich« ... Wirklich? Wenn man schon meint, so schicke neudeutsche Lehnwörter benutzen zu müssen, dann aber doch bitte richtig:
Also, liebe Häusle-Präsentierer: Eure federkerngepolsterte Möbel-Diskounter-Lümmellandschaft zum Super-Schnäppchenpreis könnte man mit viel gutem Willen einen Loungebereich nennen. Das spricht sich Laundsch. Wenn das so schwer zu begreifen ist, dann sagt doch einfach wieder »Eck-Sofa«. Das trifft's dann auch in den meisten Fällen viel besser. |
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#Hackfleischplakette |
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Sept. 2018 |
Mittlerweile kann man kaum noch irgendwas lesen, ohne über #Hashtags zu stolpern. Ich finde das #lästig. |
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Wozu soll dieser Mist eigentlich gut sein? Es stört den #Lesefluss und ich weiß nicht, wie ich dieses komische Zeichen lesen soll, das hier regelwidrig ohne Leerzeichen einfach vorne an jedes beliebige #Wort drangebatscht wird. Vielleicht einfach einen Halbton höher?* Wäre ich bei #Twitter, könnte ich das ja noch verstehen – die haben diesen #Hashtag (zu Deutsch: #Gehacktesanhänger, #Haschischetikett oder auch #Doppelkreuzmarkierung) quasi erfunden. Verschlagwortung heißt der Vorgang wohl. Aber neuerdings findet sich dieser Quatsch in jeder Zeitung (wo er nicht nützt), im Fernsehen (wo er genauso wenig nützt) und sogar in der Werbung (wo er zudem auch noch niemanden interessiert). Ich fühle mich dadurch belästigt. Ich will nicht dauernd nutzlose Zeichen lesen, die nichts zum #Informationsgehalt beitragen. Schönes Beispiel: Das WDR3 Abendprogramm vom 13.09.2018.
Wo liegt der Nutzwert dieser Hashtags? Kann man die nicht einfach weglassen und das folgende Wort regelkonform groß schreiben? Ist das jetzt chic, trendy, angesagt? Steuern diese Doppelkreuze irgendeine relevante Information bei? Warum muss es „Häschtäck jahrhundertsommer“ heißen? Ist man ausgestoßen, ewiggestrig, out, wenn man den Marker einfach weglässt, ihn eventuell sogar durch einen Artikel ersetzt? »Der Jahrhundertsommer - Sonne satt und Schattenseiten«. Kann man für meinen Geschmack so lassen. Ich kann der Täggerei nichts abgewinnen. Mich nervt das. Belasst die #Kreuzchen bei Twitter. Da gehören sie hin und da stören sie mich auch nicht weiter. Ich rufe hiermit zum #Hashtagboykott auf! |
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* Für Nichtmusiker: Das Kreuz ♯ bezeichnet in der Musik die Erhöhung eines Stammtons um einen Halbton. |
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Kreieren |
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Jul. 2018 |
Das neue Lieblingswort aller Fernseh-, Radio-, Internet- und Print-Journalisten muss auf Teufel komm raus in jede Reportage eingebaut werden. Das kreiert ein Problem. |
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Und zwar für mich. Mir geht diese neue Kreativität nämlich momentan ziemlich auf den Geist. An allen Ecken und Enden wird kreiert, dass es nur so eine Art hat. Besonders, wenn es um Übersetzungen aus dem Englischen bzw. Amerikanischen geht. Dort wird ja noch viel mehr kreiert als hier – und da kommt es vermutlich auch her: „Schief ist englisch und englisch ist modern“. Kreieren ist hip, kreieren ist in. Allein schon das Schriftbild finde ich scheußlich: kreieren liest sich im ersten Anlauf immer wie »krei'eren«. Dann muss man innehalten, wieder zurück und nochmal richtig lesen: »kre'ieren«. Im Duden ist kreieren nicht einfach nur „machen“ sondern ganz explizit:
Man mache sich nur einmal die Mühe und gebe „kreiert“ bei google.de ein. Hier einige Highlights:
Also: entweder ist es bildungssprachlich, was wir wohl bei den meisten hier gezeigten Beispielen ausschließen dürfen, oder es hat was mit Theater oder Ecclesia Catholica zu tun, was hier ebenso nicht der Fall zu sein scheint. Aber wie kann Digitalisierung Profiteure kreieren? Wie können Helden, Europameisterschaften, Torchancen oder (am weitesten verbreitet) Probleme kreiert werden? Kreieren hat doch immer etwas mit Kreation oder Kreativität zu tun – dem Schaffen von Dingen. Und genau deshalb kann man weder Menschen (Profiteure, Helden), noch Immaterielles (Probleme, Torchancen) kreieren. Das Wort ist hier einfach fehl am Platz. War kreieren anfangs noch ein unreflektiert übernommener und falsch verwendeter, jedoch selten auftretender Anglizismus, so hat es sich heute aller Fesseln entledigt und ist – egal, ob sinnvoll oder sinnfrei – allgegenwärtig. Aber gibt es denn eventuell Möglichkeiten, unsere Beispielsätze zu ent-kreieren? Versuchen wir's:
Man sieht: Auch ohne das schicke neue Modewort kreieren kann man mit etwas Kreativität ganz normale deutsche Sätze kreiereiereieren. |
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Und ... ja |
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Jun. 2018 |
Manche Leute wissen einfach nicht, wie man Aufzählungen ordnungsgemäß über die Bühne bringt. Das kann für Zuhörer recht anstrengend sein. |
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Wer kennt sie nicht, die Ohne-Punkt-und-Komma-Plappermäuler, die stundenlang und mit wachsender Begeisterung aufzählen, was sie so alles machen, können, haben, wissen, dürfen oder wollen? Wenn die plötzlich und unerwartet fertig sind mit ihrer Litanei, dann schließen sie oftmals mit „und ... ja“. Da sträuben sich mir die Nackenhaare – ich kann's echt nicht mehr hören. Leser, die sich ein bisschen mit HTML auskennen, wissen, was eine sogenannte "unsorted list" (<ul>), ist. Das ist eine unsortierte Liste, bei der jeder Listeneintrag ("list item", <li>) automatisch mit einem Punkt ("bullet", "·") eingeleitet wird. Die unsortierte Liste hat den Vorteil, dass man nicht von vorneherein wissen muss, wie viele Einträge in diese Liste gehören. Sie hat auch keine Hierarchie. Man kann also einfach mal so ins Blaue hinein aufzählen und aufzählen und aufzählen und ... ja.
Mir kommt es häufig so vor, als seien solche Und-ja-Zeitgenossen selbst ziemlich unsortiert. Einfach mal drauf los plaudern, bis man nichts mehr zu sagen hat, so ihre Devise. Sollte es nicht möglich sein, das letzte »und« einfach wegzulassen, wenn sowieso nichts mehr folgt? Mich als Zuhörer irritiert das kolossal. Ich lege mir beim Sinn-Erfassen ja schließlich selber vor meinem geistigen Auge eine virtuelle Liste an, die ich dann in den Kontext des Gesagten einbette. Wenn also im letzten Listeneintrag nur »ja« steht, dann muss ich die ganze bisher erstellte Liste im Kopf erneut durchgehen („parsen“) und den letzten Eintrag löschen. Auch wenn das automatisch, unterschwellig und blitzschnell abläuft, finde ich es lästig. Meistens soll diese fast schon manische Aufzählerei die Quasselstrippe wohl davor schützen, dass ihr jemand ins Wort fällt: „Quatsch mir nicht dazwischen. Du merkst doch, dass ich noch nicht fertig bin. Ein bisschen mehr Rücksicht darf man ja wohl erwarten.“ (der Soziolinguist nennt das Rederecht). Das alles steckt in diesem kleinen Wörtchen »und«. Und weiter geht der Sermon – Augen zu und durch. Wenn dem Schwätzer dann aber nach dem letzten »und« plötzlich nichts mehr einfällt, dann kommt ein linkisches, fast schon hilfloses, auf jeden Fall jedoch völlig sinnloses »... ja«. Im Klartext: „OK, du darfst jetzt auch was sagen (aber mach's kurz).“ Liebe Dampfplauderer und Endloserzähler: Wenn ihr das nächste Mal etwas aufzählt, überlegt euch doch vorher, was alles auf die Liste soll und fangt dann erst an zu reden und bildet dann bitte einen ganzen, abgeschlossenen Satz und lasst dieses blöde »ja« am Ende weg und ... ja, das wollte ich eigentlich nur mal los werden. |
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Smart? |
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Nov. 2017 |
Ist Ihr Home „clever, gewitzt“, „von modischer und auffallend erlesener Eleganz“, oder sogar „fein“? Dann haben Sie sicherlich ein Smart Home. |
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So definiert unser aller Duden nämlich das Wort smart. Was, so möchte ich fragen, ist zum Beispiel an einem Smart Phone im Format einer ausgewachsenen Tafel Goldnuss-Schokolade von erlesener Eleganz, geschweige denn clever? Dieser ganze Smart-Hype geht mir im Moment einfach tierisch auf die Nerven. Alles ist auf einmal smart. Mein Haus, mein Kühlschrank, mein Fernseher, mein Telefon, meine Uhr, sogar meine Kleidung. Allesamt clever und gewitzt, oder was? Da möchte ich aber heftigst widersprechen. Was ist an einem Kühlschrank smart, der sich ständig ohne mein Zutun im Internet herumtreibt und Lebensmittel für mich bestellt? Muss der das? Kann er das nicht einfach mir überlassen? Vielleicht habe ich momentan gar keine Lust auf das Zeugs, das er mir bestellt. Und wer räumt dann den ganzen Plunder in den Smart-Fridge, wenn ich bei Anlieferung nicht zu Hause bin? Was ist an einem Home, vulgo Haus, smart, das den ganzen Tag im Internet auf Befehle lauert, um die Heizung einzustellen, die Rollläden zu betätigen, das Licht ein- und auszuschalten? Gewitzte Hacker sind heute in der Lage, mein cleveres Haus sozusagen auszulesen und wissen dann genau, dass die Heizung auf Minimum steht, die Lichter über einen Zufallsgenerator geschaltet und die Rollläden über einen Timer gesteuert werden. Mit anderen Worten: Ich bin unterwegs auf Urlaubsreisen. Herzlich willkommen in meinem Smart Home! Und mein Smart Phone teilt aller Welt ständig mit, wo ich mich gerade aufhalte, ob und wann ich gerade unterwegs bin und wenn ja wohin. Es hält mich den ganzen Tag von der Arbeit ab, macht mein Familienleben zunichte, gaukelt mir Freundschaften vor und schreibt mir in Zusammenarbeit mit meiner Smart Watch auch noch vor, wann und was ich zu essen habe, wann und wie lange ich schlafen soll – und: Sport, Sport und nochmal Sport. Die passenden Smart Clothes senden derweil Informationen über Herzfrequenz, verbrannte Kalorien, Atemfrequenz und wer weiß was sonst noch an mein Smart Phone. Potzblitz! Da sich diese Gerätschaften allesamt im Netz tummeln, kosten sie natürlich auch noch Gebühren. Ständig. Und wer im Einzelnen was mit meinen Daten in der Smart Cloud tut, das weiß auch niemand so genau. Vermutlich gibt es aber mehr interessierte Parteien, als mir recht sein kann. Wer weiß, ob meine Krankenversicherung nicht schon einen direkten Draht zu meiner Smart Watch hat (Stichwort: Beitragsanpassung), oder meine Banking-App heimlich mit dem Finanzamt unter einer Decke steckt? Die smarten unter meinen Lesern werden es bereits vermutet haben: Ich besitze gar keines der oben genannten Gadgets. Aber wenn ich mich so umschaue, dann stelle ich immer häufiger fest, dass ich mit dieser Einstellung einer Minderheit angehöre. Viele können sich heutzutage ein Leben ohne ihr Smart-Gedöns gar nicht mehr vorstellen. Ich finde das beängstigend. „Schöne neue Welt“, kann ich da nur sagen. Für ein bisschen Bequemlichkeit begeben wir uns freiwillig und sehenden Auges jener Rechte und Freiheiten, um die uns viele andere unterdrückte, bespitzelte und überwachte Zeitgenossen glühend beneiden. Wir machen uns zu gläsernen Bürgern, die von Staat und Industrie an der kurzen Leine geführt werden. Und wenn wir nicht spuren: Ein leichter Ruck genügt, und schon gehen wir wieder brav bei Fuß. Ist das etwa smart? |
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Sagt mal, BBC TopGear Deutschland ... |
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Aug. 2017 |
... bei euch ist aber garantiert mehr als nur ein Rad locker, oder? |
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Ich habe mir gerade mal rein interessehalber euer neues Heft September-Oktober 2017 gekauft. Und was mir da zum Preis von € 5,90 für ein unglaublicher Quatsch zugemutet wird, das ist mir bisher noch nicht untergekommen. Dieser stets bemüht locker-jugendliche Ton, der sich durch sämtliche ... na, sagen wir mal ... „Reportagen“ zieht und dazu auch noch das ständige Duzen des Lesers, das alles geht mir gehörig gegen den Strich. Die Leute, die für euch schreiben, können einem wirklich den letzten Nerv rauben. Kleine Kostprobe gefällig? Zum Jaguar XE 2018 gelangen dem Schreiberling S. Wagner z.B. folgende Gemmen der Gegenwartsprosa:
Der Jag vierzylindert also wenig turbolochig, und er allradet grippig? Kann es sein, dass der Autor S. Wagner morgens vergessen hat, seine Medikamente einzunehmen? Und jetzt hat er zu viel Extra-Power, die sein mangelhaftes und wirres Deutsch komplementiert? Ich möchte es, in Anlehnung an seine eigenen Worte, mal so ausdrücken: „S. Wagner teilt sich wunderlich mit, ist Phrasendrescher mit Leib und Seele.“ Hier noch ein weiteres Kleinod, das S. Wagner zum Seat Leon Cupracer aus der virtuellen Feder floss:
Da kann ich nur, Wilfried Schmickler zitierend, dazwischenrufen: „Aufhören! Hör'n Se auf, Herr Wagner ...“. Es ist wirklich unglaublich, unfassbar, unerträglich, was der Mann sich zusammen schreibt. Dazu S. Wagner: „Ich vernehme ein sehr lautes innerliches »Waaaaah«“. Das glaube ich sofort und ohne weiteres. |
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Leere Versprechungen auf dem Titelblatt |
Davon abgesehen ist schon der Aufmacher auf der Titelseite eine Frechheit: „Der GTI ist zurück. Neuer VW Up GTI trifft auf Bugatti Chiron, [...]“. Wenn ich mir dann anschließend den Artikel durchlese: Da wird in einer Tour nur der neue Up GTI über den grünen Klee gelobt. Der Chiron steht nur auf ein paar Fotos als Statist daneben und wird mit kaum einem Wort erwähnt. Der namentlich ungenannte Redakteur (S. Wagner?) hat wohl keine Genehmigung bekommen, sich dem heiligen Gral des Automobilbaus auf weniger als zehn Meter zu nähern – kann ich auch irgendwie nachvollziehen, bei der brisanten Paarung „leicht überforderter Tastaturquäler trifft auf Zweieinhalb-Millionen-Euro-Super-Sportwagen“. Aber dann weckt doch auch bitte nicht großmäulig auf dem Titelblatt Hoffnungen auf einen Vergleichstest oder ähnliches, dem dann im Heftinneren nur ein wenig inspirierter, eher fader Fahrbericht über lediglich eines der angekündigten Fahrzeuge folgt, mit dem niemand – wirklich niemand – auf »große Fahrt« (GTI = Gran Turismo Injection) gehen möchte. Wenn das der Neue Deutsche Motorjournalismus ist, dann verzichte ich gerne und greife zur Springer-Presse. Die ist mir zwar politisch eher suspekt, dafür beschäftigt sie aber richtige Journalisten, die ihr Metier beherrschen. Bei denen ist zwar auch ständig alles „irre“, aber sie können ganze Reportagen schreiben, ohne einen einzigen selbstgeschnitzten Neologismus zu verwenden. Interessant statt nervig, informativ statt einseitig: so geht das. Sorry, TopGear, aber der frische Wind, der wohl offensichtlich durch euer Blättchen wehen soll, riecht verdächtig streng nach flatus cerebri. |
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Nachtrag im März 2018: Auch die bisher als seriös geltende Fachzeitschrift auto motor und sport* beschäftigt mittlerweile einen ähnlich kreativen Sprachverunstalter wie TopGear: Sebastian Renz. In einem SUV-Vergleichstest in Heft 6/2018 erfand er unter anderem die Raumwunderei, einen nicht so zusammencontrollerten Audi, eine sich eilig verdoppelkuppelnde S tronic, einen sich der nächsten Geraden entgegengrippenden Q3, einen quermotorigen und vorderradantriebigen X1, eine knobelige Bedienung, Sitze mit Sinn ergebender Seitenhaltintensität, katapultige Stöße, ein wandleriges Doppelkupplungsgetriebe, alltagsclevere Funktionen, eine herausforderungsreiche Bedienung und einen BMW, der sich hinterradagil und lastwechselmotiviert fährt. Hut ab vor so viel Einfallsreichtum! Davon kann sich S. Wagner aber noch ein bis zwei dicke Scheiben abschneiden. |
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* Eigenbeschreibung: „Die Auto-Zeitschriften der Motor Presse Stuttgart stehen weltweit für fachliche Kompetenz und journalistische Qualität.“ |
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Reflexive Radikalisierung |
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Apr. 2017 |
Wie man hört, radikalisieren sich in letzter Zeit immer mehr muslimische Männer und Frauen. Wie machen die das eigentlich? |
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Radikal: eine extreme politische, ideologische, weltanschauliche Richtung vertretend [und gegen die bestehende Ordnung ankämpfend], Adjektiv. So weit die Definition des Dudens. Radikalisieren ist ein von diesem Adjektiv abgeleitetes Verb. Es bedeutet gemäß den Wortbildungsregeln radikal machen. Was hat es nun aber mit dem reflexiven Verb sich radikalisieren auf sich? Kann sich jemand selbst radikalisieren, d.h. auf sich selbst dergestalt einwirken, dass er radikal wird? Ergibt das irgendeinen Sinn? Nehmen wir an, ich sei ein friedliebender Mensch, der viel Zeit hat. Wie stelle ich es an, dass ich mich radikalisiere? Radikales lag mir ja bisher eher fern. Ich führe also intensive Selbstgespräche und werde von Tag zu Tag radikaler in meinen Ansichten, die sich aus dieser inneren Diskussion ergeben. Ja, klar. Der normale Weg wird wohl eher sein, dass irgendein Dritter auf mich einwirkt, auf mich einplaudert, mich zuquatscht, mir wirres Gedankengut einpflanzt und mich auf diese Weise allmählich auf sein radikal schwarz-weißes Weltbild einschwört. Das würde ich als radikalisieren bezeichnen. Ich habe aber dazu keinen Beitrag geleistet. Der andere hat geredet, ich habe geglaubt. Nicht ich habe, sondern er hat mich radikalisiert. Sich radikalisieren – woher kommt nur dieser Ausdruck und wer hat ihn erfunden? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er im Grunde genommen ziemlich rassistisch ist: Erweckt er doch den Eindruck, dass jeder Muslime in sich die Saat des Bösen trägt, die nur zum Keimen gebracht werden muss. Und wenn niemand darauf regnen möchte, dann tut's der Muselmann eben selbst. Kein Problem! Eben noch war er ein netter Ehemann, Familienvater, Nachbar, Kollege und auf einmal – zack – beschließt er, den offenbar genetisch vorbestimmten Pfad einzuschlagen und sich zu radikalisieren. Kein Imam, kein Mullah, kein Prediger ist dazu nötig; das geht wie von selbst. Ja, klar. Wie ich das sehe, gehören zum Radikalisieren stets mindestens zwei, gerne auch mehr Leute. Die eine Seite redet, die andere glaubt. Und wer leichter glaubt wird schwerer klug. So einfach ist das. Der ganze begriffliche Eiertanz um die Radikalisierung ist doch nur der Zwickmühle geschuldet, die unsere verfassungsmäßig verbriefte Religionsfreiheit in sich birgt: Es ist uns nicht erlaubt zu sagen, dass es islamische Geistliche und deren fanatische Anhänger und Mitläufer sind, die friedliche Muslime radikalisieren und für ihre Ziele instrumentalisieren. Und wir dürfen sie auch nicht des Landes verweisen. Denn Religion ist tabu. Also ward die Mär von der Selbstradikalisierung geboren und schon muss sich niemand mehr mit einem Problem herumschlagen, bei dem die Fettnäpfchendichte dermaßen hoch ist, dass stets ein diplomatisch-religiöser Eklat droht. Ja, und damit haben wir auch schon eine Antwort auf die Frage, wer das Sich-Radikalisieren vermutlich erfunden hat: Das können eigentlich nur Politiker gewesen sein. |
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Kraftanstrengung und Energieleistung |
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Feb. 2017 |
Sie gehören zum Wortschatz eines jeden guten Sportjournalisten. Aber wieviel Sinn verbirgt sich hinter diesen Fachbegriffen? |
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„Um die Streif auch dieses Jahr unfallfrei zu bewältigen
bedarf es bei den Skifahrern einer besonderen Kraftanstrengung, weil die
Strecke heuer von Hubert Hintermayer vom österreichischen Skiverband
abgesteckt wurde.“ „Dass der FC Frischauf Lachwitz das 0:2
tatsächlich
noch in ein 3:2 verwandeln konnte, das war schon eine enorme Energieleistung.“
Wer kennt sie nicht, diese Sprüche unserer hochbezahlten Fernseh-Sport-Kommentatoren? Anstrengung und Leistung genügen heutzutage einfach nicht mehr. Man muss das doch noch irgendwie steigern können. Am besten mit besonders dynamisch klingenden Zusätzen, wie Kraft, Energie, Super, Mega, Hyper ... Betrachten wir doch einmal diese Begriffe etwas genauer: Was genau könnte eine Kraftanstrengung, was eine Energieleistung sein? Rein naturwissenschaftlich betrachtet gibt es die Begriffe Kraft, Energie und Leistung. Die Anstrengung ist leider nicht dabei. Aus Sicht eines Physikers kann man also die Kraftanstrengung schon mal als sprachliche Missbildung ohne jeden akademischen Wert abtun. Nicht jedoch die Energieleistung. |
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Energie ist in der Physik (einfach ausgedrückt) die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Sie hat, genau wie die Arbeit, die SI-Einheit Joule (J). Mit Leistung bezeichnet man die Arbeit, die während einer gewissen Zeit verrichtet wird. Sie hat deshalb die Einheit Joule pro Sekunde (J/s) oder einfach Watt (W). Wie wir sehen, steckt die Energie in der Leistung bereits drin. |
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Das Phänomen Energieleistung, also Energie mal Leistung, also Energie zum Quadrat pro Zeit, gibt es in der Welt, wie wir sie kennen, nicht. |
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Nun könnte der Journalist natürlich einwenden: „Jetzt legen Sie mal nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Ich meinte ganz einfach, dass die Jungs vom FCFL besonders viel Energie aufgewendet haben, um diese Leistung zu erbringen." Ach so! Das würde dann aber doch bedeuten, dass sie mit zwei Halbzeiten à 45 Minuten nicht ausgekommen wären. Warum? | ||||||||||||||||||||||||||
Nehmen wir an, Herbert S. vom FCFL würde während des Spiels 1.000 Watt leisten. Das wären beispielsweise 3.600 Kilojoule (500 g Schwarzbrot), wofür er eine Stunde braucht (die restliche halbe Stunde steht er rum oder sitzt auf der Ersatzbank). |
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Will er aber besonders viel Energie aufwenden, dann investiert er zum Beispiel das Zehnfache (36.000 KJ). Eine einfache Rechnung ergibt, dass es dann aber auch die zehnfache Zeit, also zehn Stunden dauert, um auf die besagten 1.000 W zu kommen. Herbert S. würde sich also quasi in Zeitlupe bewegen – unter Energieleistung versteht unser Kommentator sicher etwas anderes. (Außerdem möchte ich mir nicht vorstellen, wie der arme Herbert nach 5 kg Schwarzbrot aussieht). |
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Was zeigt uns das?
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Konsonantencluster |
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Juli 2016 |
Vielleicht haben Sie es noch nicht bemerkt: Die deutsche Zunge schafft es mühelos, bis zu sieben Konsonanten nacheinander zu sprechen. |
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Klingt unwahrscheinlich? Ist aber so. Im Alltag fällt es uns
vielleicht gar nicht auf, aber Menschen, die Deutsch als Fremdsprache
lernen, haben größten Respekt vor unseren Konsonantenclustern („Sag mal:
Es jauchzen die Würstchen im spritzenden Fett!“). Das Problem spitzt sich
zu bei sogenannten Komposita. Das sind aus beliebig vielen Komponenten
zusammengesetzte Wörter, die es in der deutschen Sprache
zuhauf gibt, und
die auch ganz nach Gusto neu gebildet werden können – man denke nur an
die berühmte Donaudampfschifffahrtsgesellschafts-...
Endet nun der erste Wortteil mit einem Konsonantencluster und beginnt der zweite Wortteil mit einem ebensolchen, dann entstehen Gebilde, die für die fremdländische Zunge schier unaussprechlich sind. Zu einiger Berühmtheit hat es der Angstschweiß gebracht, in dem immerhin acht Konsonanten aneinander gereiht zu sein scheinen. Genau betrachtet sind es deren nur fünf: Das Wort spricht sich [aŋstʃvaɪs]*. Auch die Weihnachtsstimmung hat in Wirklichkeit nur fünf Konsonanten am Stück: [vaɪnaxtsʃtɪmuŋ]. Es geht mir an dieser Stelle nämlich nicht um Konsonantenbuchstaben, sondern nur um tatsächlich gesprochene Laute. Das sch besteht zum Beispiel aus drei Konsonantenbuchstaben, aber nur aus dem Laut [ʃ]. Auch ng [ŋ] und ch [ç] bzw. [x] gehören zu dieser Sorte. Auf der anderen Seite haben wir x [ks] und z [ts], die jeweils zwei gesprochene Konsonanten enthalten. (Ypsilon und Jot klammern wir hier der Einfachheit halber aus.) Natürlich kann man beliebige sechsstellige Konsonantencluster konstruieren – z.B. den Pabstsprung – aber in den wenigsten Fällen ergeben sie wirklich Sinn. Ich habe hier einmal eine Liste zusammengestellt, die sinnvolle Exemplare aufzählt. Ich werde sie nach Möglichkeit ständig erweitern. Gerne nehme ich auch weitere Vorschläge unter der auf der Startseite angegebenen E-Mail-Adresse entgegen. |
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Noch stärkere Zusammenrottungen von Konsonanten bei
gleichzeitiger Vokalknappheit findet man in diversen slawischen
Sprachen. Hier kommen Wörter teilweise ganz ohne Vokale aus. Nehmen wir
zum Beispiel das Serbokroatische: smrt ist der Tod,
vrt ist der Garten, tvrd heißt hart, grm ist ein
Busch,
grb ein Wappen, und
Grk ist ein Grieche. Das ließe sich fast endlos fortsetzen.
Im Tschechischen habe ich dann auch den bisherigen Sieger gefunden: čtvrthrst [tʃtvrthrst]*, eine viertel Handvoll – erinnert zwar stark an den oben erwähnten, ebenfalls ziemlich sinnfreien Pabstsprung, hat aber sage und schreibe zehn Konsonanten ohne einen einzigen störenden Vokal. Und sogar bei sinnvollen Wörtern wird man fündig: čtvrtka [tʃtvrtka]. Man bezeichnet damit ein Viertel, und hier sind es immerhin auch noch sieben Mitlaute in einer Reihe. Aber um sich einen Knoten in die Zunge zu knüpfen muss man nicht so weit reisen. Weniger als 6 Konsonanten, dafür aber selbst für Muttersprachler kaum zu bewältigen: Du röntgtest (nicht mogeln: es heißt nicht rönchtest), Auch du schlurchztest stellt für den einen oder anderen eine kaum überwindendbare Sprachbarriere dar. Also dann: Ein Hoch auf die Feinmotorik des Zungenmuskels! Sind Sprachen nicht etwas Schönes? |
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*innerhalb der eckigen Klammern befindet sich die IPA-Notation (Internationales Phonetisches Alphabet) |
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Mir scheint,... |
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Mai 2016 |
... dass viele den Unterschied zwischen anscheinend und scheinbar nicht kennen. |
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Dabei ist es doch ganz einfach:
Anscheinend bedeutet, dass es deutlich so aussieht, als lägen Fakten vor. Wenn ich sage: „Anscheinend hat dein Auto eine Beule“, dann meine ich, dass es für mich so aussieht, als habe dein Auto eine Beule. Ich habe den Eindruck, es kommt mir so vor, allem Anschein nach – anscheinend – ist es so. Scheinbar ist aber etwas ganz anderes. Etwas gibt sich dann lediglich den Anschein, ist aber in Wirklichkeit ganz anders. Wenn ich sage: „Dein Auto hat scheinbar eine Beule“, dann weiß ich genau, dass es keine Beule hat – es sieht eben nur so aus, es scheint nur so, es macht fälschlicherweise den Eindruck, als sei es so. Das kann im Ernstfall von immenser Bedeutung sein. Wenn ich sage: „Anscheinend betrügt dich deine Frau“, dann äußere ich den Verdacht, dass deine Frau fremdgeht. Nach allem, was ich gesehen und gehört habe, nach Lage der Dinge, scheint es so zu sein, die Beweislast ist erdrückend. Such dir was Neues. Sage ich aber: „Scheinbar betrügt dich deine Frau“, dann teile ich dir mit, dass mich und/oder dich der Schein trügt und dass sie dir in Wirklichkeit vermutlich treu ergeben ist. Der Anschein hat sich nicht bestätigt. Man würde den Satz vermutlich deutlicher formulieren: „Deine Frau betrügt dich nur scheinbar". Sie tut nur so (warum auch immer). Alles wird gut. So betrachtet ist es die Sache doch wert, erst einmal das richtige Wort zu wählen und dann erst über Schein oder Anschein zu sprechen. Zumindest bewahrt es alle Beteiligten vor Missverständnissen. |
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Wir sind das Volk! |
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Feb. 2016 |
Diese Parole, die einst Deutschland geeint hat, wird neuerdings vom rechten Pöbel skandiert. Dazu sage ich deutlich: Nein, seid ihr nicht! |
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Das Volk – das sind die anderen, die für Freiheit und Gleichberechtigung aller Menschen eintreten, und nicht für ihr eigenes engstirniges Weltbild, in dem alles Fremde angezündet oder zurückgeschickt gehört, in dem ein Leben nichts gilt und die Volkszugehörigkeit alles, in dem ein Araber oder einfach jeder Muslim von vorneherein unter Generalverdacht steht. Was habt ihr eigentlich gegen Syrer, die durch Kriegselend und Verfolgung dazu genötigt wurden, ihre Heimat zu verlassen? Glaubt ihr wirklich, die kommen nur hierher, um ein bisschen Taschengeld abzugreifen und unsere Frauen und Töchter zu schwängern? Diejenigen, die sich die beschwerliche und lebensgefährliche Anreise leisten konnten und dabei oftmals engste Familienangehörige verloren, sie gehörten früher zur Mittelschicht ihres Landes, und sie hatten in ihrer Heimat ein gutes Leben und viele Kollegen, Freunde und Verwandte, die sie zurücklassen mussten – und eine jahrhundertealte Kultur. Das tut niemand freiwillig. Aber täglicher Bombenhagel kann das bewirken. Und hier empfangt ihr sie mit geballten Fäusten und Molotowcocktails, mit brennenden Fackeln und Scheißhausparolen. Ihr seid wirklich das Salz der Erde, das Licht der Welt, barmherzige Christen! Natürlich gibt es in jedem Fass ein paar faule Äpfel (solche wie ihr), aber das bedeutet doch nicht, dass diese Flüchtlinge allesamt unwert sind, grundsätzlich schlecht, parasitär und in unsere Gesellschaft nicht zu integrieren. Bedenkt, dass auch eure Vorfahren vor langer Zeit einmal in dieses Land eingewandert sind. Letztenendes stammen wir doch alle aus Afrika – ja, auch ihr. Informiert euch gefälligst! Nix für ungut, aber wenn ihr das Volk seid, dann möchte ich nicht dazugehören. Mein Volk hat aus den zahlreichen Fehlern der Vergangenheit gelernt, ist geläutert, weltoffen und gastfreundlich. Ich kann nur wiederholen: Ich bin nicht Charlie Hebdo, ich bin kein Christ, kein Jude, kein Muslim: Ich bin ein Mensch. Und auch diese Flüchtlinge sind in erster Linie genau das: Menschen. Behandelt sie menschlich. |
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Textur? |
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Dez. 2015 |
Neuerdings haben sogar Kosmetika und Gourmetprodukte eine. Was ist das eigentlich: Textur? |
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Zuerst
ist es mir bei der Kochsendung The Taste (Pro7SAT.1 Media AG) aufgefallen:
Neuerdings sind die fachkundigen Juroren ständig auf der Suche
nach der idealen Textur. Ich kannte Textur bis vor Kurzem
nur als Überzug für 3D-Modelle in der Computergrafik, oder
allgemein als Oberflächenstruktur.
Was also ist die Textur beim Essen? Die Oberflächenstruktur der Speisenbestandteile? Das Krümelige der Krume, das Bröckelige des Brokkolis, das Pampige des Pürees? Mitnichten. „Textur, Textur, ich sage nur: Textur!“ rief ein ob eines besonders gelungenen Probierlöffels enthusiasmierter Sternekoch beschwörend in die beifallnickende Runde. Es muss also etwas Außergewöhnliches, Erstrebenswertes, eventuell sogar leicht Esoterisches, schwer Fassbares sein. Vielleicht kommen wir mit der Weinkunde weiter. Hier wird mit Textur das Mundgefühl (gerne auch Mouth Feeling) bezeichnet und umfasst alles, was man normalerweise nicht mit Worten ausdrücken kann: Geschmack – oder sensorische Wahrnehmung, um es bedeutender klingen zu lassen. Die Textur eines Weines kann sowohl
Und
Die Analogie zu anderen Gaumenfreuden ist naheliegend und nachvollziehbar. Wenn also der sternenbehängte Obermützenträger Textur will, dann meint er vermutlich Geschmack und Mundgefühl, ein sahniges Zerlaufen von Saucen, eine prickelnde Espuma, feinschmelzende Schokolade. Aber warum erklärt uns Normalverbrauchern das niemand? Woher soll unsereiner das Fachvokabular kennen? Oder ... hat sich das nur einer von diesen Löffelschwingern ad hoc ausgedacht und alle anderen Mützenträger plappern es jetzt nach? „Textur? Superwort! Muss ich mir merken. Klingt geheimnisvoll.“ Möglicherweise eine heiße Spur. Und jetzt taucht in der Werbung für Kosmetikprodukte ebenfalls auf einmal dieses Zauberwort auf. Und wieder weiß keiner, was gemeint ist. Der Geschmack wird's ja wohl nicht sein, geschweige denn das Mundgefühl ... Schauen wir mal, was die Fachwelt zu sagen hat:
Das definiert zwar immer noch nicht, was Textur eigentlich ist, aber ... so eine nebulöse Vorstellung bekommt man schon davon. Mehr ist vielleicht auch gar nicht beabsichtigt in dieser Welt der Andeutungen und Versprechungen, der Schönheit und der ewigen Jugend. Applikationskomfort, Produkte, Cremigkeit, Präzision, Transparenz, Textur - das Vokabular eines entfernten Paralleluniversums. Zum Abschluss möchte ich noch weitere Texturen kurz streifen, die auch wieder aus Wikipedia entliehen sind:
Welch ein vielseitiges Wort! Die ganze Welt besteht aus Texturen. Ist das nicht toll? Ich muss jetzt wieder in die Küche: die Textur meiner Tomatensauce muss noch verbessert werden. Apropos Nudeln – auch matschig ist eine Textur. Mahlzeit! |
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Liebe Terrorismusexperten, ... |
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Nov. 2015 |
... liebe Sensationsjournalisten, anlässlich der Morde am 13. November 2015 in Paris: Haltet doch, bitte, einfach mal die redensartliche* Fresse! |
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Es wird sich nichts bessern dadurch, dass 10.000 Zeugen immer wieder schildern, wie schrecklich das alles war. Wir können es uns auch so vorstellen. Wir müssen das nicht 24/7 um die Ohren geschlagen bekommen. Wir haben es auch beim ersten Mal verstanden. Könnt ihr euch nicht vorstellen, dass ihr genau denen dient, denen euer ganzer Abscheu gilt? Dass gerade das Verbreiten eurer sogenannten Informationen genau den Zielen dient, die die Gegner unserer Kultur, unserer Staatsform, unseres Lebensstils, unseres Glaubens verfolgen? Da wird analysiert, kommentiert, gemeint, gemutmaßt, orakelt, und alle tanzen sie um das Goldene Kalb: die Quote. In Wahrheit schürt ihr damit Hass – und berichtet dann wieder von brennenden Asylen, en détail, in High Definition und zur besten Sendezeit. Auch ihr schafft ein Klima von Angst und Schrecken, auch das ist eine Form von Terrorismus. Das hat nichts mehr mit Pressefreiheit zu tun. Und damit meine ich nicht nur die Vertreter unserer privaten Fernsehsender samt ihren Nachrichtenkanälen. Auch die Öffentlich-Rechtlichen von Funk und Fernsehen scheinen der Ansicht zu sein, sie müssten uns mit allen Einzelheiten versorgen, koste es, was es wolle, zu jeder Zeit, an jedem Ort und ohne jeden Respekt. Alle suhlen sich behaglich in schauerlichen Fakten, plastischen Schilderungen, verwackelten Handy-Videos, Vor-Ort-Reportagen und tränenreichen Zeugenaussagen. Wozu? Ich will das nicht. Gebt dem Terror keine Plattform! Berichtet objektiv und in angemessener Kürze über die Fakten und werft Spekulationen, Kommentare und Hintergrundberichte auf den Müll. Berichtet erst dann über Ergebnisse, wenn sie vorliegen. Das wäre für mich engagierter Journalismus. Das brächte den Tätern und deren Anstiftern die Aufmerksamkeit entgegen, die sie verdienen: Keine. Ich bin nicht Charlie Hebdo, ich bin kein Christ, kein Jude, kein Muslim: Ich bin ein Mensch. Die Opfer des 13. November waren Menschen. Ihre Hinterbliebenen sind Menschen. Gebt ihnen, was sie am meisten brauchen: Ruhe und Würde. |
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*„ Wenn man keine Ahnung hat: einfach mal Fresse halten.“ (Dieter Nuhr) |
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Schein-Englisch |
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Sep. 2015 bis heute* |
Den Bodybag umgeschnallt, rein in den Oldtimer und ab zum Public Viewing. Aber vorher noch zum Drive-in, man will ja nicht vor lauter Hunger das Happy End verpassen. |
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Da
haben wir ja gleich fünf Prachtexemplare der Kategorie
Scheinanglizismus im Teaser (nein, das ist keiner). Diese Spezies
ist in letzter Zeit in der deutschen Sprache immer häufiger anzutreffen.
Es wurden und werden teilweise auf Biegen
und Brechen aus bekannten Versatzstücken haarsträubende
neue Wörter zusammengebastelt.
Grundsätzlich kann man zwei Sorten von Scheinanglizismen unterscheiden: Solche, die es tatsächlich in der englischen Sprache gibt, dort aber etwas anderes bedeuten; und solche, die dort gar nicht bekannt sind. Stets scheint aber, wie ich meine, bei deren Entstehung eine gewisses Quäntchen an Ignoranz im Spiel gewesen zu sein. Ich will jetzt gar nicht mit dem Handy anfangen. Dieses Thema wurde bereits andernorts eingehend behandelt. Aber es ist eben bei Weitem nicht der einzige bilinguale Irrläufer, der zu beklagen ist. Starten wir also zunächst mit der ersten Sorte, den Wörtern, die im Englischen eine andere Bedeutung haben:
Und nun zur zweiten Sorte, den komplett erfundenen Scheinanglizismen (wer denkt sich bloß so einen Mist aus?):
Schließlich gibt es noch Ausdrücke, die dem Englischen entlehnt sind – aber leider wortwörtlich, und deshalb falsch:
Man sollte sich stets auf dem Laufenden halten. Die ersten paar Monate nach dem ersten Erscheinen darf man solche Scheinanglizismen gerne mal hie und da fallen lassen. Wenn sich's dann aber herumgesprochen hat, das mit dem falschen Schein, dann sollte man schon wieder abgesprungen sein, sonst ist das ein absolutes No-Go. |
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Dank an Dana Newman (WantedAdventure) und Paul Joyce (Paul Joyce German Course) für einige Ergänzungen. Diese Liste wird ständig weiter vervollständigt. |
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Pari-pari unentschieden |
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Mai 2015 |
Für unentschieden gibt es sinnvolle und sinnfreie Umschreibungen. |
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Neulich hat so ein Fernsehmoderator mal wieder seine Formulierungskunst unter
Beweis stellen wollen, indem er
ein für beide Parteien gleich gutes oder schlechtes Ergebnis als „pari-pari
unentschieden“ bezeichnete. Vor so viel Kreativität ziehe ich meinen Hut!
Der Duden kennt pari stehen, was soviel wie Gleichstand heißt. Er kennt auch remis, das er so definiert: „Im Gleichstand, patt; (Sport) punktgleich, unentschieden“. Was meinte unser Fernsehfuzzi also wohl mit pari-pari unentschieden? Ist das jetzt noch gleicher als gleich – sozusagen dreimal gleich? Ich vermute, dem Sprecher erschien von irgendwoher ein Fifty-fifty, das er dann, nicht imstande diesen geistigen Furz einzuhalten, blitzschnell der Situation anpasste und par-pari daraus erschuf. Diese Aufdoppelung hatten wir ja schon einmal bei der Mund-zu-Mund-Propaganda, und auch dort traf sie irgendwie nicht so recht den Kern. Und weil der Herr Moderator uns alle für blöde hält und meint, wir wüssten nicht, was pari heißt, hängt er an seine Neuschöpfung gleichsam als erklärende Übersetzung auch noch unentschieden an: Pari-pari unentschieden. Typisches Fernseh-Blabla, das sich wohl früher oder später im Wortschatz seiner Moderatoren- und Journalistenkollegen und leider sicher auch in dem der Zuschauer wiederfinden wird. Fassen wir zusammen: Pari-pari gibt es nicht. Für unentschieden gibt es jedoch eine riesige Auswahl an Synonymen. Da muss wirklich nichts Neues mehr erfunden werden! |
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Nachtrag im Dezember 2018: Wie recht ich doch hatte: »pari-pari« (ohne das unentschieden) hat sich tatsächlich unter Fernsehschaffenden verbreitet. |
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Stundenkilometer? |
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Jan. 2015 |
Der Stundenkilometer ist in aller Munde, denn er zergeht auf der Zunge, er flutscht so schön raus. Kilometer pro Stunde hat nur eine Silbe mehr, aber es fühlt sich sperrig an, die Gaumenauskleidung ist unbefriedigend. Was also spricht gegen das leckere Neuwort? |
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Ich
möchte hier gerne einmal zitieren, was ein von mir sehr geschätzter
Sprachwissenschaftler, nämlich Daniel Scholten in seinem hochinteressanten Blog
zu diesem Thema
zu sagen hat:
Einigen wir uns zunächst darauf, dass es sich bei dem Begriff Kilometer pro Stunde um eine physikalische Einheit handelt. Es ist die Einheit der Geschwindigkeit, ein Quotient aus Weg und Zeit. Da die Kilometer im Zähler und die Stunden im Nenner stehen, schreibt man gemeinhin km/h, wobei der Schrägstrich das Divisionszeichen des Bruches darstellt und geteilt durch oder pro ausgesprochen wird. Einigen wir uns ferner darauf, dass man das Produkt a·b in der Mathematik auch als ab bezeichnen darf, und dazu dann auch Ahbeh sagt. Deshalb darf man zur Einheit der Arbeit statt Watt mal Sekunde auch Wattsekunde (Ws) sagen. Eine andere Einheit für Arbeit ist Nm, Newton mal Meter, also Newtonmeter. Genauso verhält es sich mit der Ampèrestunde (Ah), der Einheit für die elektrische Ladung, also z.B. für die Kapazität von Akkus. Das Lichtjahr wäre auch noch zu nennen, eine Einheit für sehr große Entfernungen. Ein Lichtjahr ist das Produkt aus Lichtgeschwindigkeit (300.000 km/s) und einem Jahr (ca. 31.500.000s), also ungefähr 9,5 Billionen Kilometer. Was ist dann also ein Stundenkilometer? Aus dem Vorgenannten folgt, dass es die Einheit hkm, also Stunden mal Kilometer sein muss. Das hat nichts mit Sprachwissenschaften, sondern ausschließlich mit Naturwissenschaften zu tun. Einen Ausdruck Kilometer in Bezug auf die Stunde, den unser Sprachwissenschaftler hier so nebulös konstruiert, gibt es nicht, oder sagen wir's ganz deutlich: er ist absoluter Quatsch! Egal, ob das n ein Fugen-n oder eine Pluralendung ist: dadurch wird es lediglich Quatsch mit Soße. Der Autor blödelt dann noch etwas herum, dass ein Reihenhaus schließlich nicht das Produkt aus Reihen und Häusern sei, sondern ein Quotient, „von allen Häusern nur die, die in Reihe stehen“. Außerdem bezeichneten Sonnentage schließlich nicht das Produkt aus Sonne(n) und Tagen, „sondern Tage mit Sonnenschein“. Gemäß dieser Logik wären also Stundenkilometer entweder „Kilometer mit Stunden“ oder „von allen Kilometern nur die, die ...“, ach was, lassen wir's einfach. Das geht auch völlig am Thema vorbei: Reihenhaus und Sonnentag sind keine physikalischen Einheiten. Herr, schmeiß Hirn. In der Tat! Physikalische Einheiten stehen nicht zur Disposition. Sie können nicht in beliebiger Weise durch Sprach- oder andere Wissenschaftler so lange hin und her gebogen werden, bis sie ein sprachliches oder sonstiges Phänomen erklären können. Man kann aus einem Kilometer pro Stunde keinen Stundenkilometer machen. Ebensowenig kann man aus einer Kilowattstunde (KWh) ein Kilowatt pro Stunde machen, wie es manche Zeitgenossen gerne hyperkorrigieren. Nichts für ungut, Herr Scholten, aber ich sage klipp und klar: Der Stundenkilometer ist hirnloses Dummdeutsch. Im privaten Kreis kann man das schon einmal durchgehen lassen; jeder darf schließlich so sprechen, wie es seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. In öffentlich zugänglichen Medien wie Radio, Fernsehen, Print und Internet, hat der Stundenkilometer hingegen absolut gar nichts zu suchen. |
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Tiernahrung |
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Nov. 2014 |
Ist Ihnen schon aufgefallen, dass aus dem guten alten Tierfutter plötzlich Tiernahrung geworden ist? |
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Die
Baumarktkette Praktiker ist schon fast in Vergessenheit geraten. Nur
nicht ihr Slogan „15% auf alles, außer Tiernahrung“. Hatten Sie vorher
schon einmal das Wort Tiernahrung gehört? Vermutlich nicht.
Dennoch ist sie heute gewissermaßen in aller Munde. Vorbei die Zeiten, als es im Supermarkt noch Regale mit Hundefutter, Katzenfutter oder allgemein Tierfutter gab. Tiere werden heutzutage nicht mehr gefüttert, sondern ernährt! Das geht vermutlich mit dem grassierenden Gesundheitswahn einher, der allenthalben herrscht. Man muss mehr auf die Ernährung achten, schallt es aus sämtlichen Rundfunk- und Fernsehkanälen, raschelt es aus dem Blätterwald. Bei der richtigen Ernährung ist selbstverständlich auch die richtige Nahrung von äußerster Wichtigkeit. Und zwar nicht nur beim Menschen, sondern auch beim vergötterten Haustier. Kamen früher nur Fleisch und Innereien ins Hundefutter, überwiegend Teile, die von Menschen nur ungern verzehrt werden, so findet man heute wertvolles Getreide und feinstes Gemüse, sowie Vitamine und Spurenelemente darin. Der Hersteller freut sich, weil pflanzliche Zusätze schön billig sind, das Herrchen wundert sich, woher der Hund plötzlich die Flatulenz hat. Hat ihm denn noch nie jemand gesagt, dass Hunde und Katzen nicht in der Lage sind, Pflanzenfasern zu verdauen? Die Folge: es gärt im Gedärm. Und die Pharmaindustrie verdient auch gerne mit bei diesem Paradigmenwechsel. Jetzt brauchen nicht nur gesunde, kranke, junge, alte, sportliche und unsportliche Menschen genau abgestimmte Nahrungszusätze, sogenannte Nahrungsergänzungsmittel (was für ein teutonischer Koloss), sondern auch das liebe Vieh. In den schlechten alten Zeiten sind vermutlich tagtäglich abertausende von Haustieren elendig an Mangelernährung eingegangen. Ein dreifach Hoch auf die Vitaminpanscher! Randerscheinung des Ganzen ist, dass die Viecher auch noch schlechte Zähne bekommen, was bei reiner Fleischernährung nicht der Fall zu sein scheint. Schon ist die Zubehörsparte mit Kauknochen zur Stelle, die angeblich die Zähne remineralisieren und auch noch gegen schlechten Mundgeruch wirken sollen. Bei Zahnfäule hilft das aber auch nicht. Jetzt werden natürlich einige ganz Schlaue einwenden: früher auf dem Bauernhof, da haben die Hunde bekommen, was vom Tisch abfiel. Nicht nur Fleisch, sondern auch Kartoffeln und Gemüse, die Abfälle eben. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Aber der Hofhund auf dem Bauernhof befindet sich normalerweise auf dem Hof und nicht im Haus. Da fällt es nicht weiter auf, wenn er hinten- und vornherum ein wenig streng müffelt. Im Hause möchte ich so eine Biogasanlage aber nicht so gerne haben. Also: Vergesst die Tiernahrung, gebt euren Tieren wieder Futter, dann klappt's auch wieder mit dem Raumklima. |
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Teilen |
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Aug. 2014 |
Brauchen auch Sie stets das neueste Smart-Phone und die aktuellsten Apps, um Ihre Bilder und Filmchen noch besser und schneller mit Ihren Freunden teilen zu können? |
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Beim Wort
teilen sträuben sich mir in letzter Zeit die Nackenhaare. Jeder will plötzlich mit jedem und überall alles
teilen. Woher kommt diese neuartige Selbstlosigkeit? Wenn ich etwas
mit jemandem teile, dann gehört ein Teil dessen, was bis dahin allein mir gehörte jetzt
ihm, und mir fehlt es. Das ist der Sinn von
teilen: „If I give my heart to you, I’ll have none and you’ll have two*“, wie schon
Paul Hogan alias Crocodile Dundee wusste.
Natürlich ist da mal wieder ein Wort aus Amerika herübergeschwappt: to share. Dieses wurde nun etwas ungeschickt mit teilen übersetzt und ist jetzt in aller Munde. Aber to share bedeutet etwas ganz anderes: Ich stelle etwas zur allgemeinen Verfügung, sodass viele andere es ebenfalls haben können, sie können daran teilhaben, und (ganz wichtig): ich habe anschließend nicht weniger als vorher. Wie könnte man das auf Deutsch mit einem Wort ausdrücken? Gar nicht. Denn für to share (alle teilhaben lassen), to divide (unter mehreren aufteilen) und to split (unter zweien aufteilen) gibt es im Deutschen als Einzelwort nur teilen. Dennoch klingt es in meinen Ohren falsch, bemüht, hölzern und verkehrt übersetzt, es verkantet sich im Gehörgang. Ein schönes Bild** dazu: Moses steht mit hoch erhobenem Foto-Handy und Wanderstab an der Meeresküste. Unterschrift: »Moses teilt das Meer«. Trifft den Nagel auf den Kopf. Eine ganz andere Frage ist, warum plötzlich alle alles mit allen teilen wollen. Früher hat man Freunde und Bekannte schon mal mit dem Fotoalbum gelangweilt, oder besser noch mit einem Diaabend. Heute muss man alles was einem vor die Linse kommt sofort mit der ganzen Welt teilen. Nicht etwa nur mit dem guten Freund (schau mal, was ich gestern gesehen habe), sondern mit allen Freunden und Followern in den immer zahlreicheren sozialen Netzwerken. Und die freuen sich dann ein Loch in den Bauch über so viele tolle Bilder! Dass bei so massiver Informationsaustauscherei auch gerne mal was Wichtiges liegen bleibt, wie zum Beispiel persönliche Beziehungen, versteht sich wohl irgendwie von selbst. Wichtig ist in diesem Falle dann vermutlich nur, dass ich der ganzen sozialen Gemeinde vom Niedergang meiner Ehe, Partnerschaft oder Freundschaft en detail berichte, damit alle meine Trauer teilen können. Denn: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, wie schon der Volksmund zu berichten nicht müde wird. Diesen Gedanken wollte ich nur schnell mit Ihnen teilen. Interessiert Sie nicht? Nicht mein Problem. Teilen Sie's mit Ihren Freunden ... |
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* wenn ich dir mein Herz gebe, dann habe ich keines und du hast zwei |
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Reife Leistung |
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Apr. 2014 |
Sie haben Abitur? Dann wissen Sie doch sicher, warum die Hochschulreife bei uns „Abitur“ heißt und ein Neutrum ist, oder? |
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Wer in Österreich, der Schweiz, in Liechtenstein oder Südtirol die allgemeine Hochschulreife erwirbt, der hat „Matura“ – von lateinisch maturus, „reif“. In Frankreich erhält er das „baccalauréat“, auch kurz nur „bac“ genannt – das kommt von bacalaureus, dem ersten höheren Abschluss (lat. bacca laurea = Lorbeere). In englischsprachigen Ländern gibt es gar nichts Entsprechendes außer vielleicht einem „degree“ – von lateinisch degradus, „Stufe“. Bei uns in Deutschland ist es das Abitur. Warum eigentlich das Abitur? Die Fraktur, die Agentur, die Blessur, die Ligatur, alle sind weiblich, nur nicht das Abitur. Weil, ja weil es sich, genau wie beim Abi, um eine Abkürzung handelt. Das ganze Wort lautet eigentlich Abiturium (und ist somit ein Neutrum). Aber auch dieses ist wiederum (glaubt man Kluge*) eine Abkürzung, nämlich für Abiturienten-Examen. Der Abiturient ist demgemäß viel älter als das Abitur. Der Abiturient ist „einer, der weggehen will“, zu lateinisch abiturire, „weggehen wollen“, von abire „weggehen“, von ire „gehen“. Und deshalb, liebe Duden-Redaktion und liebe Sprachregulierer, sollte man das Abitur nicht A-bi-tur trennen, wie es die Neue Deutsche Rechtschreibung verlangt, sondern Ab-i-tur. Aber das sei nur ganz am Rande bemerkt. Wer dann nach Abitur und Studium schließlich ein Diplom erhält, der bekommt wörtlich etwas Gefaltetes, von griechisch διπλοῦς (diplous), „zweifach, doppelt, gefaltet“, für den gefalteten und gesiegelten offiziellen Brief, den man einst für seine Mühen bekam. Heute gibt es ja leider nur noch Junggesellen und Meister – Verzeihung: Bachelors und Masters. Eigentlich schade. Hat man es gar bis zum Doktor geschafft, dann ist man eigentlich ein Lehrer, von lateinisch docere, „lehren“, welches sich auch im Dozenten wiederfindet. Wohingegen der Professor aus dem lateinischen profiteri, „laut und öffentlich erklären“, entlehnt ist. Es behaupte also bitte niemand, das Studium der Alten Sprachen sei uninteressant oder gar sinnlos! |
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* Kluge Etymologisches Wörterbuch, 24. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin |
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Mixer-Durcheinander |
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Feb. 2014 |
In Kochshows wird in letzter Zeit fast jede Küchenmaschine als „Mixer“ bezeichnet – Versuch einer Begriffsklärung. |
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Liebe Im-Fernsehen-aus-dem-Off-Dampfplauderer: Nicht jedes Küchenhelferlein, welches eine Schnur und einen Netzstecker besitzt, ist ein Mixer. Folgende Zerkleinerer (neudeutsch auch Foodprozessor genannt) gibt es: | ||||||||||||||||||||||||||
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Die Universal-Küchenmaschine: Der Unimog unter den Küchengeräten. Besteht aus einem leistungsfähigen Motorblock und verschiedenen Anschlussmöglichkeiten für Schneebesen, Knethaken, Durchlaufschnitzler, Fleischwolf sowie Mixer (siehe unter „Mixer“). Für fast alle anfallenden Arbeiten in der Küche einsetzbar. Ist selber kein Mixer! | |||||||||||||||||||||||||
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Das Handrührgerät: Besteht aus einem nicht ganz so leistungsfähigen Motorblock mit einem Handgriff, einstellbarer Geschwindigkeit und Anschlüssen für Schneebesen und Knethaken. Sein Einsatzgebiet ist das Herstellen von Schlagsahne, Eischnee, sowie leichten bis mittelschweren Teigen. Kein Mixer! | |||||||||||||||||||||||||
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Der Pürierstab: Auch als Passierstab bekannt, besteht aus einem grob zylinderförmigen Motorblock mit hoher Drehzahl, an dessen verlängerter Welle sich verschiedene Messersterne oder Schlagscheiben aufsetzen lassen. Seine Domäne ist das Arbeiten in Töpfen, z.B. zum Pürieren von Suppen, dem Beseitigen von Klumpen in missglückten Saucen und ähnlichem. Auch Schlagsahne und Eischnee kann man damit herstellen; auf keinen Fall jedoch Kartoffelpüree – der entstehende Kleister ist ungenießbar. Kein Mixer! | |||||||||||||||||||||||||
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Der Mixer: Ein feststehender Motorblock mit variabler Drehzahl, auf den oben ein Glas- bzw. Kunstoffgefäß mit Griff und Ausgießer, meist zweiteiligem Deckel, sowie unten innenliegendem Messerstern, aufgesetzt wird. Wird bevorzugt zum Herstellen von Milchmixgetränken (Shakes) sowie (mit gebotener Vorsicht) zum Pürieren von Suppen. Auch Mayonnaisen sind kein Problem, da das Öl langsam durch die Einfüllöffnung im Deckel zugegeben werden kann. | |||||||||||||||||||||||||
Also, ganz einfach zu merken: ein Mixer ist durchsichtig mit Griff und Ausgießer. Merken fürs nächste Mal! Ihr bezeichnet ja schließlich auch nicht Dreirad, Fahrrad und Moped als Auto, bloß weil man damit fahren kann. | ||||||||||||||||||||||||||
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Ich persönlich … |
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Jan. 2014 |
… finde das eigentlich ganz gut. Haben Sie das schon einmal gehört? Was könnte das bedeuten? Was sollte es bedeuten? |
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Ich finde das
gut. Das ist eine klare Aussage. Ich finde das
eigentlich gut sollte eigentlich von einem aber gefolgt werden, wird es aber in den
seltensten Fällen. Ich finde das ganz gut schränkt
gut nur ein bisschen ein, so wie früher die Kopfnote im Ganzen
gut. Der Ausdruck eigentlich ganz gut bedeutet also im Klartext:
naja,
geht so. Die meisten Sprecher solch einschränkender Sätze meinen das aber gar nicht so. Sie meinen:
Ich finde das gut, aber sie sagen etwas
anderes.
Und dann: „Ich persönlich …“, „Ich für meinen Teil …“, „Wenn Sie mich fragen …“ - könnte man alles
weglassen. Wozu
dieses ständige Geschwurbel, diese Füllwörter? Gerne hebt z.B. Frau Dr. Merkel mit den Worten an: „Ich persönlich finde eigentlich …“, was absolut nichts zum Thema beiträgt. Aber das Hirn kann sich währenddessen schon mal mit anderen Dingen befassen, der Mund ist ja hinreichend beschäftigt. Angenehmer fände ich, wenn diese Füllwörterverwerter vor dem Sprechen nachdächten und dann präziser formulierte Sätze von sich gäben. Vielleicht schwiegen sie dann in dem einen oder anderen Fall sogar – kaum auszudenken. Aber nicht nur Politiker sind von Schwurbelitis befallen. Talkshows sind wahre Horte gepflegter Wortfüllerei. „Also mir ist da ja mal folgendes passiert …“, „Dazu muss ich dann aber etwas weiter ausholen …“, „Naja, also, ich sehe das jetzt so …“. Über fünfzig Prozent Worthülsenanteil. Klingt nach Vollkorn, ist aber Wassersuppe. Apropos: Auch in Kochshows habe ich schon gehört: „Das schmeckt ganz gut“ - gemeint war: „Das schmeckt sehr gut“, oder wie es ein gewisser steirischer Sternekoch gerne formuliert: „Mmmmmh, lecker“. Das nenne ich eine klare Aussage. |
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Tragische Umstände |
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Aug. 2013 |
Warum wird eigentlich fast jeder Unglücksfall von Presse, Funk und Fernsehen als tragisch tituliert? |
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Es ist ein heikles Thema, dem ich mich heute zuwende. Aber die Tageszeitungen,
Nachrichtenjournale und Internetportale übertrumpfen sich ja förmlich mit tragischen
Ereignissen. Ich finde, es ist an der Zeit auch in diesem sensiblen
Bereich einmal für Aufklärung zu sorgen.
Wenn jemand mit seinem Fahrzeug verunglückt und dabei zu Schaden oder gar ums Leben kommt, dann ist das traurig. Wenn ein Kind im Freibad ertrinkt, weil niemand seinen Todeskampf bemerkt, dann ist auch das traurig. Um aus einem traurigen Ereignis ein tragisches Ereignis zu machen, bedarf es einer tragischen Verwicklung. Mein alter Deutschlehrer erklärte es einmal folgendermaßen: Wenn jemand von der Klippe in den Tod stürzt, dann ist das traurig. Versucht aber jemand anders diesen Sturz zu verhindern und kommt dadurch seinerseits zu Tode, dann ist das tragisch. Man spricht in solchen Fällen auch gerne von einer tragischen Verkettung von Umständen. Befragen wir einmal Wikipedia zur „Tragödie“:
In unserem Beispiel bedeutet das für unseren Helden (Retter), dass sich seine Lage (Sturz) unausweichlich verschlechtert (Exitus durch Aufprall), wobei nicht unbedingt auch der Klippenspringer zu Schaden kommen muss. Mischt sich unser Held jedoch nicht ein, dann ist er kein Held, aus der Tragödie wird nichts, und der Vorgang findet ein trauriges Ende. Also, liebe Journalisten, Berichterstatter und Sensationsreporter: Greift nicht immer gleich zur großen Tragik-Keule; auch ohne sie ist schon alles traurig genug. |
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Tagesschau24 |
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Mai 2013 |
Ihr blendet doch gerne solche kurzen und knappen Nachrichtenschnipsel unter Euren Sendungen ein – Ihr solltet mal den Verantwortlichen auswechseln. |
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Der ehemals einsextra genannte Fernsehsender tagesschau24 beschäftigt offenbar einen des
Deutschen nicht ganz mächtigen Redakteur für seinen Nachrichtenticker. Ich will das hier nur einmal anhand dreier
willkürlich am 12.05.2013 um 01:15
Uhr herausgegriffener Texte aufzeigen:
Rosberg in Barcelona auf Pole vor Hamilton und Vettel. Was will mir dieses knappe Statement sagen? Es gibt in Barcelona einen Stadtteil, der Rosberg heißt? Glaube ich nicht. Vielleicht gibt es einen Herrn Rosberg, der in Barcelona lebt und Pole ist? Nein, das ergibt auch keinen Sinn. Gut, ich gebe es zu, ich stelle mich hier ziemlich dumm. Natürlich habe ich schon einmal etwas von der Formel-1 gehört. Versuchen wir’s noch einmal: Rosberg ist also vor Hamilton und Vettel in Barcelona auf Pole. Auf Koks kenne ich, aber auf Pole ist mir neu. Sollte es sich also eventuell um die Poleposition handeln? Das ergäbe zumindest ansatzweise Sinn. Formulieren wir also neu: Formel-1: In der Qualifikation zum Großen Preis von Spanien errang Rosberg die Poleposition vor Hamilton und Vettel. Zu lang? Das glaube ich nicht. Auf einem handelsüblichen 16:9-Fernseher passt diese Information locker in eine Zeile. Aber weiter mit der nächsten Meldung. Diese ist schon etwas länger, passt aber auch in eine Zeile: Syrien-Konflikt: US-Außenminister Kerry sieht Beweise für Chemiewaffeneinsatz. Im Ansatz schon besser. Einleitend weiß man also schon einmal, dass es um den Konflikt in Syrien geht. Aber dann: Kerry sieht Beweise. Ich stelle mir das gerade bildlich vor: Er steht vor einer langen Reihe von Tischen, auf denen die Beweise ausgebreitet sind, er schreitet sie ab und sieht sie. Ich habe den Verdacht, dass ich mir hier ein falsches Bild mache. Gemeint war vermutlich: Syrien-Konflikt: US-Außenminister Kerry hält Chemiewaffeneinsatz für erwiesen. Das ist genauso lang, ist aber besser, weil richtiger formuliert. Bei dem sehen handelt es sich vermutlich um einen Anglizismus bzw. Amerikanismus, der sich klammheimlich in die deutsche Journalisten-Sprache eingeschlichen hat. Ebenfalls knapp daneben ging folgende Aussage: NSU-Morde: Türkischer Außenminister Davutoglu trifft Angehörige der Opfer ... wahrscheinlich auch noch mitten ins Gesicht, oder? Vermutlich hat er sich mit ihnen getroffen, das klingt doch schon viel freundlicher (und auch friedlicher). Davon abgesehen finde ich den Ausdruck NSU-Morde grauenhaft. Mit NSU verbinde ich, als Liebhaber klassischer Automobile, die 1969 in der Audi NSU Auto Union AG aufgegangenen NSU-Motorenwerke in Neckarsulm. Dass sich eine Neonazi-Gruppe der gleichen Abkürzung bedient ist in meinen Augen purer Frevel. Aber zugegeben: Neofaschistische Mordserie ist nicht so griffig wie NSU-Morde. Ganz am Rande sei noch bemerkt, dass der türkische Außenminister Davutoğlu (Sohn des Davut/David) heißt; das „ğ“ wird nicht mitgesprochen. Man könnte also schreiben: Neonazi-Mordserie: Türkischer Außenminister Davutoğlu trifft sich mit Angehörigen der Opfer. Liebe hochgeachtete und seriöse Tagesschau, achte doch bitte ein wenig mehr darauf, was Du uns Zuschauern mit solchen achtlos dahingeschluderten Textchen zumutest. Zumindest sollte ein zweites Paar Augen hinzugezogen werden, um zu verhindern, dass so ein Unsinn auf Sendung geht. |
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Beitragsservice |
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Apr. 2013 |
Die Gebühreneinzugszentrale (abgekürzt GEZ) wurde umbenannt in »ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice« (keine Abkürzung). |
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Wenn ich das Wort
Service höre bzw. lese, dann denke ich an Dienstleistung. Jemand bietet mir einen Service an, das heißt, er bietet mir an, einen Dienst zu
erbringen. Welchen Dienst bietet mir der ARD ZDF
Deutschlandradio Beitragsservice an?
Von Service keine Rede. Der selbe Text wie weiland bei der GEZ. Bei der erkannte man auch schon sofort am Namen, worum es geht: Gebühren (sind fällig, zahlen!) Einzug (einziehen, eintreiben, her damit!) Zentrale (alles landet auf einem großen Haufen). Heute macht den größten Teil des Namens das Deutschlandradio aus, das vermutlich weniger als 0,01 Promille der deutschen Rundfunkteilnehmer schon einmal gehört haben. Und der zweite größere Bestandteil ist der Beitragsservice – der bekanntlich keiner ist, da mir ja schließlich keine Dienstleistung angeboten wird. Einen Programmservice könnte ich mir als Begriff vielleicht noch vorstellen, aber damit wären dann ja die Dienstleistungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio gemeint und nicht deren willige Schergen, die mein hart erarbeitetes Geld kassieren wollen. Beitragsservice ist ein Euphemismus, eine Blendgranate, dreistestes Dummdeutsch. Ich will sofort wieder meine gute alte, bürokratische, obrigkeitsstaatliche GEZ zurückhaben! |
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Aufgehangen |
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Feb. 2013 |
Gestern ist es wieder passiert: Ein falscher Mausklick und schwups – hat sich der Rechner aufgehangen! |
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Schwups
– da ist es schon wieder passiert: gehangen und gehängt
durcheinander gebracht! Das passiert besonders in niederrheinischen Gefilden sehr leicht und hängt mit dem
ripuarischen Dialekt zusammen. Opjehange ist das
dortige Wort für aufgehängt, und so dringt es auch ins Standarddeutsche vor.
Keine Verwechselungsgefahr besteht, wenn man sich klar macht, dass es zwei verschiedene Verben namens hängen gibt: Ein transitives, schwach gebeugtes und ein intransitives, stark gebeugtes.
Im Präsens fällt dieser Unterschied nicht weiter auf. Im Perfekt jedoch unterscheiden sie sich deutlich voneinander:
Jemanden oder etwas hängen ist transitiv und das Partizip Perfekt dazu lautet gehängt. Hängen ohne aktives Zutun ist intransitiv und das Partizip Perfekt dazu lautet gehangen. Einfacher gesagt unterscheidet man zwischen Tätigkeiten...
...und Zuständen
Sätze wie „isch han d’r Mantel in d’r Schaaf jehange“ sind im Ripuarischen völlig korrekt, im Standarddeutschen sollte man jedoch sagen: „Ich habe den Mantel in den Schrank gehängt“. |
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Mund-zu-Mund-Propaganda |
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Jan. 2013 |
Mund-zu-Mund-Beatmung kennt jeder, der einmal an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen hat. |
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Die Bezeichnung ist ja auch völlig korrekt. Ein Mund wird auf den anderen gepresst und Atemluft wird
eingeblasen. Das hilft dem Verletzten, Sauerstoff in sein Blut zu bekommen.
Zwar wurde zwischenzeitlich auch einmal die Mund-zu-Nase-Beatmung propagiert, aber der
ursprüngliche
Name hat sich erhalten.
Und wie sieht es denn nun mit der Mund-zu-Mund-Propaganda aus? Wie spricht sich etwas herum? A spricht in den Mund von B, B in den von C und so fort? Soweit ich das beurteilen kann, spricht man doch wohl eher in ein Ohr als in einen Mund. Woher kommt also bloß dieses schiefe Bild? Es ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit genau so ein volksetymologisches Mysterium wie der Quantensprung. Ist das denn nötig? Bleiben wir doch, liebe Mitmenschen, insbesondere liebe Journalisten, bitte bei der Mundpropaganda, dann hängt auch das Bild wieder gerade. Es wird etwas propagiert (lat. propagare „weiter ausbreiten, erweitern“), und zwar mündlich, im Gegensatz zu schriftlicher oder bildlicher Propaganda. Ein einleuchtender und nebenbei auch viel kürzerer Begriff! |
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Gewöhnlich |
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Dez. 2012 |
„An so niedrige Temperaturen bin ich nicht gewöhnt“ sagten manche im vergangenen Winter. Oder „Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich duzt.“ Was sagt man denn nun – und in welchem Falle nicht? |
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Erinnern Sie sich noch an die Mikrosekunden-Entscheidung zwischen nutzen
und nützen? Etwas ähnliches geschieht bei gewohnt und gewöhnt. Auch dieses ist wieder eine
Entscheidung, die man nur bewusst
treffen kann, andernfalls besteht nur eine 50:50-Chance, den richtigen Begriff zu
erwischen. Und hat man sich die Regel einmal eingeprägt, dann muss man üben,
üben, üben. Hier also die Unterscheidung:
Man ist etwas gewohnt, das man kennt, das einem gut von der Hand geht, das man immer wieder tut – egal ob gern oder ungern. Das bezieht sich nie auf Personen.
Man ist an etwas gewöhnt, wenn man es zunächst nicht kannte, es dann aber allmählich immer besser kennengelernt hat und es schließlich schätzt oder sich damit abfindet. Das kann sich auch auf Personen beziehen.
Wichtig für die Mikrosekunden-Entscheidung: gewöhnt ist immer mit an gepaart. Klingt einfach, ist es auch; nur die Zeit, die einem für eine Entscheidung zur Verfügung steht, ist arg begrenzt. Daher sollte man sich vorab schon einmal damit beschäftigt haben, um sich daran zu gewöhnen. Dann ist man im Ernstfall den richtigen Gebrauch gewohnt. |
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Liebe Hobbyköche, |
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Nov. 2012 |
schaut doch noch mal ganz genau auf die Packungsaufschrift: Das Zeug heißt Gelatine und nicht Gelantine! |
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Wer findet das zweite n? |
Woher kommt denn nur dieses zusätzliche
n? Vielleicht lässt sich Gelantine
einfacher sprechen? Kann ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen. Oder hat die Mama früher auch schon immer das
Extra-n benutzt? Dann ist es aber allmählich
an der Zeit sie zu besuchen (soweit noch möglich), sie fest in den Arm zu nehmen und zu sagen: „Mama, wir müssen reden...“
Wie man es auch betrachtet, es ist einfach eine Nachlässigkeit, achtloser Umgang mit der Muttersprache. Jeder, der schon einmal sein leckeres italienisches Eis in einer Gelateria gekauft hat, der kann sich vorstellen, dass auch die Gelatine ursprünglich etwas mit gelieren, Gelee und Gelato zu tun hat. Es kommt von lateinisch (was sonst?) gelare, „stocken, gefrieren“ und hat sich dann über italienisch gelare, „stocken, gefrieren“ zu französich géler und deutsch gelieren entwickelt. |
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Das Partizip Perfekt von gelare ist gelato also „gefroren“. Die Endsilbe -ine kam dann im Französischen als Indikator für etwas Weibliches, auf die Küche Bezogenes dazu – vergleiche hierzu auch Margarine, Praline und Galantine. Die Bestandteile sind also Gelat- und -ine. Kein zusätzliches n. Kann man sich doch merken, oder? Übrigens, die Galantine (gefüllte, entbeinte ganze Tiere – Obelix lässt grüßen), über die ich gerade so galant hinweggegangen bin, kommt natürlich auch aus dem Lateinischen - genauer gesagt aus dem Vulgärlateinischen galare, „stocken, gefrieren“ und müsste demgemäß eigentlich Galatine heißen. Auch die Franzosen haben also irgendwo entlang des etymologischen Weges ein undefiniertes n aufgelesen. Gerade habe ich einmal bei Google gesucht: 7.310.000 Einträge für Gelatine, 264.000 für Gelantine. Darunter auch dieser: Nur Dillentanten sagen Gelantine. |
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Mit Quantensprüngen zum Meilenstein |
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Okt. 2012 |
Neulich erst wurde im Fernsehen über einen Quantensprung in der Entwicklung biologisch abbaubarer Hosenträger berichtet. Ganz schön bedeutsam, oder? |
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Schauen wir doch einmal nach, was denn ein
Quantensprung überhaupt ist. Ein
Quantensprung ist laut Wikipedia „der Übergang von einem
quantenmechanischen
Zustand in einen anderen“. Das klingt zunächst sehr wissenschaftlich und wenig
einleuchtend. Man könnte auch sagen, der Quantensprung sei die kleinstmögliche
Änderung eines Energiezustands – was schon nach ziemlich wenig klingt. Ist es auch: Eine kleinere
Energiedifferenz gibt es in unserem Universum nicht.
Betrachten wir nun also einmal die Quantensprünge, die uns die Journaille so täglich um die Ohren schlägt. Darin geht es stets um riesige Fortschritte, um Meilensteine in der Wissenschaft, um globale Lösungen in der Politik, etwas Epochales, alles in den Schatten Stellendes. Das passt doch irgendwie nicht recht zusammen. Der kaum messbare, submikroskopische Hüpfer eines Elektrons von einem Energieniveau aufs nächste dient der Beschreibung kolossaler Umwälzungen auf unserem Planeten. Wie das? Es wird sich wohl um eine volksetymologische Umdeutung handeln: Der Quanten steht umgangssprachlich für einen sehr großen Schuh, einen Quadratlatschen eben. Man stelle sich einen Giganten mit riesigen Schlappen vor, einen Titanen mit Siebenmeilenstiefeln, die Sonne verdunkelnd, mühelos bis zum Horizont springend; die Erde bebt, nichts kann ihn aufhalten. Voilà: der Quantensprung. Interessant ist auch, dass der Begriff Quantensprung in der Physik und angeschlossenen Wissenschaften ungern und kaum noch genutzt wird, da er „die falsche Vorstellung eines instantanen Übergangs suggeriert. Korrekt ist hingegen die Vorstellung, dass der Übergang zwar eine endliche Zeit benötigt, über den Zustand des Systems während dieser Zeit aber grundsätzlich nichts ausgesagt werden kann“ (Wikipedia). Man spricht heute allgemein von Übergängen, ein Begriff, der eher an Zebrastreifen als an überdimensionale Fußbekleidung erinnert. |
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Übrigens, Fa. Thomy, |
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Sep. 2012 |
Eure Plakataktion mit der etwas verschwommen aufgenommenen Senftube und der Unterschrift „Senf. Mittelscharf. Thomy.“ ist einfach ganz große Klasse! |
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Wollte ich nur mal eben anmerken. Weiter so!
Nun habe ich aber bei Horizont.net, einem Portal für Marketing, Werbung und Medien, gelesen, dass die Jury, die dieses Plakat Ende 2012 ausgezeichnet hat völlig inkompetent sei. Das möchte ich so nicht stehen lassen. Sicher steht niemand grübelnd vor dem Plakat, bis er von der Erkenntnis über dieses tolle Wortspiel übermannt in den nächsten Supermarkt eilt, um sich eine Tube vom Guten zu kaufen. Aber: Ich finde, dass es sich hier um intelligent gemachte Werbung handelt, die – mich zumindest – anspricht. Und wo gibt es so etwas heute noch im tristen alltäglichen Werbe-Einerlei? |
![]() (Abbildung aus den Tiefen des www) |
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Außerdem meine ich, dass die Thomy-Werbung in etwa den gleichen Auftrag hat wie Reklame für die Bild-Zeitung: Jeder kennt sie, aber manchmal macht der Springer-Verlag dennoch Werbung für das Schundblatt, um in den Köpfen der Zielgruppe präsent zu bleiben. Ähnlich verhält es sich wohl mit diesem Plakat: Jeder kennt den Senf, aber ab und zu braucht es eine Erinnerung, hallo, es gibt uns noch. Und wenn die so gut gestaltet ist wie im vorliegenden Fall, dann nehme ich das mit schmunzelndem Wohlwollen zur Kenntnis. |
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Lieber Xavier Naidoo, |
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Aug. 2012 |
Entschuldige, bitte, dass ich es so drastisch ausdrücke, aber: Deine Texte gehen mir tierisch auf den Sack! |
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Nehmen wir z.B. die folgenden Liedzeilen*:
Die ersten zwei Zeilen sind von naiv floskelhafter, gleichzeitig verschwurbelt transzendenter, man möchte fast schon sagen brunzbanaler Selbstverständlichkeit beseelt. Das in etwa synonyme „Viele Hände machen der Arbeit bald ein Ende“ kennen die meisten von uns bereits seit dem Vorschulalter. Die dritte und vierte Zeile ergeben hingegen noch nicht einmal ansatzweise Sinn. „Wenn wir geduldig sind, dann dauert es [was auch immer] nicht mehr lang“ würde im Umkehrschluss doch bedeuten: „Wenn wir ungeduldig sind, dann dauert es noch lang“, oder: „Durch warten geht alles schneller“, oder noch allgemeiner: „Nachts ist es kälter als draußen“. Wenn Du das auf Deine unnachahmlich larmoyante Art ins Mikrofon näselst, dann hältst Du das vermutlich für extrem tiefsinnig, oder? Weiter geht’s*
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Et cetera, et cetera ad nauseam. Und was uns an Plattitüden nicht einfällt, das bauen wir dann in den nächsten Song ein. Segeln, dagegen, überlegen, begegnen, Regen, regeln – passt schon (reim dich oder ich beiß dich). Ziel erreichen – 'türlich. Viele Zeichen – ja ja. Auf dem richtigen Weg – klar, was denn sonst. Nerven bewahren und regeln – meine Rede. Der innere Fahrplan – Endstation Himmelreich, wie ich Dich Jesusjünger so kenne. Und dann noch die Kartbahn – das war ja mal ein wirklich origineller Einfall, da muss man erstmal drauf kommen. Nein wirklich, Xavier, das ist ganz, ganz große Dichtkunst – oder, wie es ein Leserbriefschreiber in der FAZ so schön formulierte: „fade Primanerlyrik“. Ein gewisser Frederik E. Scherer schreibt gar von der „aktuellen Flopmusik mit ihrer inhaltslosen Weltschmerzpoesie“. Dem kann man höchstens noch folgendes hinzufügen: |
![]() Was in diesem Lied so alles los ist ... |
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Was lernen die Leute (von Rechtschreibung und Interpunktion mal ganz abgesehen) heute eigentlich noch in der Schule oder zu Hause, dass sie so etwas gut bzw. hammer finden? Ich gehe jetzt erst einmal nachdenken – und zum Teil auch weinen. | ||||||||||||||||||||||||||
*Alle Zitate aus Xavier Naidoo: „Was wir alleine nicht schaffen“. |
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Je länger je lieber |
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Jul. 2012 |
„Je schneller du gehst, je eher bist du wieder hier“, empfiehlt die Mutter dem Sohn, der noch schnell sechs Eier kaufen soll, dazu aber wenig Lust hat. |
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Oder heißt es umso? „Je schneller du gehst, umso eher bist du wieder hier.“ Nein, das klingt auch irgendwie verkehrt. Unser aller Duden, das Fähnlein, wie immer, hart an Volkes Stimme Wind, erklärt es für zulässig. Im Deutschen gibt es jedoch das Paar je/desto. Mit dem funktioniert es einwandfrei, es klingt vertraut und es entbehrt auch nicht einer gewissen Eleganz: „Je schneller du gehst, desto eher bist du wieder hier.“ So sollte es sein. Mit umso kann man übrigens noch andere Paarkonstrukte wie umso/als oder umso/weil bauen. Das klingt dann aber reichlich gestelzt. Duden-Online bietet uns folgendes Beispiel an: „diese Klarstellung ist umso dringlicher, als/weil es bisher nur Gerüchte gab“. Das kann man so sagen, klingt aber eher nach Politsprech. Was ist denn nun aber mit Jelängerjelieber? Das ist die Trivialbezeichnung für das Gartengeißblatt (Lonicera caprifolium) und stammt wohl noch aus einer Periode, in der Konrad Duden noch nicht die Alleinherrschaft über die deutsche Sprache ausübte. Und wie sagt schon der Volksmund? Je öller, je döller. |
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Jetzt ... |
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Jun. 2012 |
Herr Meier vom Fernsehen braucht eine Werbepause, aber er verabschiedet sich nicht ohne eine Vorschau auf kommende Sensationen, die „jetzt – live in Akte“ bevorstehen. |
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Wieso jetzt? Jetzt passiert doch gar nichts. Jetzt ist erstmal Werbung. Jetzt ist
Zeit zum Bierholen oder das Gegenteil davon. Das gesuchte Wort heißt gleich. Nicht
jetzt.
Schon oft ist es in der Geschichte der Deutschen Sprache geschehen, dass sich der Sinn eines Wortes verändert, ja manchmal gar in sein Gegenteil verkehrt hat. Zum Beispiel das Wort toll. Es bezeichnete einst einen abnormalen Geisteszustand – die Tollkirsche kündet heute noch davon. Auch geil hat sich in seiner neuen Bedeutung durchgesetzt – früher bedeutete es sexuell erregt, lüstern bei Tieren, oder üppig, aber kraftlos wachsend bei Pflanzen. Nun also wandelt sich auch das Wort jetzt, und zwar zu später, im Anschluss an die Werbung. Jetzt, damit die Zuschauer dran bleiben. Jetzt nicht wegschalten, denn jetzt geht's schon weiter ... Mal im Ernst: hält man den Zuschauer für so beschränkt, dass er durch das mantrahaft wiederholte „jetzt“ die Finger von der Fernbedienung lässt? Hier handelt es sich sicher um eine Fehleinschätzung: der gemeine TV-Konsument – und zu dieser Spezies zähle ich mich auch – schaltet einfach um, weil ja jetzt doch nichts passiert, außer Werbung. Ein ehrliches „gleich“ hätte ihn vielleicht bei der Stange gehalten. |
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Die beste Alternative |
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Mai 2012 |
Für die Überwindung der Krise gibt es diverse Alternativen. Welche ist die beste? Kennen Sie welche? Nein? Ich auch nicht. |
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Es kann nämlich immer nur eine Alternative geben. Das Wort
alternativ definiert der Kluge – etymologisches Wörterbuch der Deutschen
Sprache folgendermaßen:
Warum also wird ständig von mehreren Alternativen gesprochen? Richtig! Der Ami war's. Dem geht Latein nämlich am Allerwertesten vorbei, und der macht sich seine Welt widdewidde wie sie ihm gefällt. Deshalb gibt es dort die Alternative eben auch im Plural. Und der Deutsche plappert's dem Ami halt gerne nach. Wenn es denn schon ein Fremdwort sein muss, warum nicht Optionen? Davon kann es |