Sprache


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Einleitung

Auf dieser Seite werde ich in unregelmäßigen Abständen Kommentare, Rand­be­merkungen oder Schmäh­schriften zum Ge­brauch der deutschen Sprache ver­öffentlichen. Sei es aus aktuellem Anlass, oder weil mir der falsche, häufige bzw. un­angebrachte Ge­brauch eines Wortes oder einer Rede­wendung auf­gefallen ist, oder weil es mir einfach in den Kopf kam. Ich beziehe mich dabei auf Presse, Inter­net, Funk und Fern­sehen, auf Wer­bung, Polit­sprech und Dumm­deutsch.

Was Sprache an­belangt, so bin ich ein Wert­konservativer, der bemüht ist, Neu­schöpfungen, Denglisch und ähnliche sprachliche Tor­heiten weit­räumig zu um­schiffen – was natürlich nicht in allen Fällen gleicher­maßen glückt. Gegen Fach­chinesisch, das quasi bis zu Un­kennt­lich­keit verdenglischt ist,  kann man sich ja prak­tisch gar nicht mehr wehren. Ein weiteres Pro­blem ist die Jour­na­listen­sprache, die sich auf man­chen Ge­bieten in er­schrecken­der Weise ver­selb­ständigt hat. Gegen solcher­lei Aus­wüchse werde ich in bester don-quixotescher Manier zu Felde ziehen. Die An­merkungen dazu sind sub­jektiv, in jedem Falle recht­haberisch und ober­lehrer­haft und teil­weise po­le­misch. Dass diese keines­falls allzu ernst ge­nommen werden sollten (zu­mindest nicht alle), ver­steht sich hoffent­lich von alleine ...

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Inhalt

Spot-Premiere

Jetzt streamen

Farbenlehre

Händlorkäachtschn II.

Händlorkäachtschn I.

Ich hab' zu danken

Panade

Blues

Heiße Temperaturen

Xavier Naidoo!

Atemalkoholsensoren

Weniger ist mehr

Ein bisschen Glück

Doppel-Moppel

Knottschies

Zigzig

Trümmer

Geschmack

Lounge

 

#Hackfleischplakette 

Kreieren

Und ... ja.

Smart?

Sagt mal, TopGear ...

Radikalisierung  

Kraftanstrengung & Co.

Konsonantencluster

Mir scheint,...

Wir sind das Volk!

Textur?

Terrorismusexperten

Schein-Englisch

Pari-Pari unentschieden

Stundenkilometer?

Tiernahrung

Teilen

Reife Leistung 

Mixer-Durcheinander

 

Ich persönlich …

Tragische Umstände 

Beitragsservice

Tagesschau24  

Aufgehangen

Mund-zu-Mund-Propaganda

Gewöhnlich

Gelatine

Quantensprünge

Thomy-Werbung

Lieber Xavier Naidoo

Je länger je lieber

Jetzt ...

Die beste Alternative

Was ist dass den?

Hallo Fans!

Platzangst

Nutzt nix 


Spot-Premiere

Jan. 2024

... oder: Wie die Werbeindustrie wieder ein­mal ver­sucht, den Fern­seh­zu­schauer zu ver­schau­keln.

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Es soll hier heute um den neuesten und spitzesten Pfeil im Köcher der TV-Werbe­gestalter gehen: die Spot-Premiere. Schauen wir uns doch zu­erst ein­mal die Definition im Film­lexikon der Uni Kiel an: 

Sonderwerbeform, bei der ein Spot von mindestens 20 Sekunden Länge un­mitte­lbar vor dem Start des Haupt­abend­pro­gramms gleich­zeitig auf den wich­tig­sten Privat­sendern läuft. Meist handelt es sich um die Ur­auf­führung des Spots (daher rührt die Be­zeich­nung) und wird ergänzt um 120-150 Se­kun­den lange Making-of-Se­quen­zen

Es handelt sich also um ein cinematisches Ereignis von allergrößter Relevanz und kom­pro­miss­loser Qualität, an­lässlich dessen auch noch im An­schluss der Meister selbst und seine ge­treuen Mimen bei ihrem künst­lerischen Schaffens­pro­zess ge­zeigt werden. Steven Spielberg goes Eduscho, sozusagen.

Mal ehrlich: Kein Mensch, wirklich keiner, will sich Wer­bung an­schauen. Jeder hasst sie – von den Pro­du­zenten und deren Auf­trag­gebern viel­leicht ein­mal ab­gesehen.

Doch irgendein schlauer Fuchs kam eines Tages auf die Idee, dem offen­sicht­lich völlig ver­blödeten Fern­seh­zu­schauer seine be­scheuerte Wer­bung als Premiere zu ver­kaufen. Schaut her: Dieser Spot wird genau jetzt zum aller­ersten Mal gezeigt und ihr könnt später noch euren Enkeln davon er­zählen, wie ihr Zeugen dieses formi­dablen Ereig­nisses wart. Und seine Chefs klopften ihm an­erkennend auf die Schulter und fanden die Idee ganz wunder­bar und über­schütteten ihn mit Gold­stücken, und die Zu­schauer jubelten ob der phan­tastischen Dar­bietung und wollten gar nicht mehr um­schalten.

Das fand allerdings in einem unbekannten Parallel-Uni­versum statt, in dem wir uns glück­licher­weise nicht be­finden. Und so kann ich dazu nur sagen: „Wen juckt's?“ bzw. im Jargon der etwas Jüngeren: „Wayne interessiert's?“

Auch wenn ich einen Kuhfladen lecker mit Käse überbacke und mit einem Peter­silien­zweig, einem Tomaten­schnitz und einem Sar­dellen­röll­chen hübsch auf einem Teller an­richte, bleibt es trotz­dem ein Haufen Scheiße. Das muss man mal in aller Härte und Klar­heit so aus­sprechen.

Es spielt eben keine Rolle, ob es sich um eine Premiere oder einen ganz normalen Werbe­spot handelt: Wer­bung bleibt Wer­bung. Plump, öde, lästig, nervig, aufdringlich. Da nützt auch eine noch so groß­artige Ankündigung »SPOT-PREMIERE« nicht.

Im Gegenteil: Ich als Betroffener dieses Reklame-Atten­tats muss plötz­lich ein­setzende Be­nommen­heit ab­schütteln, im selben Sekun­den­bruch­teil fluchend die Fern­be­die­nung an mich reißen und ...

... na, Sie wissen schon was ...

Sie tun's doch hoffentlich auch, oder?


Jetzt streamen!

Nov. 2023

... oder über die grüne Taste auf der Fernbedienung aufrufen.

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Werden Sie auch täglich von Ihrem Fernseher in diesem Kasernenhofton angegangen? Wie geht es Ihnen dabei? Fühlen Sie sich eingeschüchtert, bevormundet, überrannt? Geht Ihnen das genauso gewaltig auf den Nerv wie mir?

Ich meine, was denken sich Fernseh­an­stalten (allen voran ZDFneo), deren Be­treiber und Ver­ant­wort­liche eigent­lich, wie viel Zeit und Lust unser­eins hat, ständig an irgend­einem End­gerät herum­zusitzen und irgend­welche Sen­dungen zu streamen?

Vielleicht habe ich gerade gar keine Zeit oder Lust zum Fern­seh­schauen, weil ich gerade meine Woh­nung putzen, den Wochen­ein­kauf er­ledigen, mit der Nach­barin Kaffee trinken oder den Keller auf­räumen möchte? Das ist doch alles viel wichtiger als Fern­sehen. Aber das können sich Medien­schaffen­de wahr­scheinlich über­haupt nicht vor­stellen.

Und wissen die was über meine Fernbedienung, das ich nicht weiß? Wenn ich auf die grüne Taste meiner TV-Fern­be­dienung drücke, ge­schieht nämlich genau nichts! Alle anderen habe ich auch schon durch­probiert – da schaltet sich maxi­mal das zu­gehörige Gerät aus; also auch wieder nix mit Schtriemen.

Und dann ständig dieser Befehls­ton. „Jetzt streamen!“ „Jetzt über die grüne Taste auf Ihrer Fern­be­dienung ...“, los, mach schon – man könnte sich glatt be­lästigt fühlen. Was stimmt mit diesen Leuten nicht?!

Einen freundlichen Hinweis fände ich hier an­gebrachter: „Diese Sen­dung können Sie ab so­fort in unserer Media­thek streamen“. „Wenn Ihr Fern­seh­gerät mit dem Inter­net ver­bunden ist, können Sie even­tuell mit der grünen Taste Ihrer Fern­be­die­nung ...“. Wäre damit die Auf­merk­sam­keits­spanne des Zu­schauers be­reits über­reizt? Ich denke nicht.

Ich jedenfalls möchte nicht ständig in barschem Ton von meinem Fern­seher an­geblafft werden. Ein Mini­mum an Höf­lich­keit kann man doch wohl er­warten, oder?

Fernsehanstalten: Aufgepasst! Jetzt merken! Netter zum Kunden sein! Weg­treten!


Farbenlehre

Sep. 2023

Über die Deklination von attributiven Farb-Adjektiven – am Beispiel von orange und lila.

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Samstägliche Abend­unterhaltung im Zweiten Deutschen Fern­sehen. Eine Frau Hein­rich mo­deriert »Das Große Deutsch­land­quiz«. Dabei sitzen sich je vier pro­mi­nente Rate-Kan­di­daten auf zwei Seiten gegen­über. Zur ein­facheren Unter­schei­dung ist die eine Seite durch die Farbe Orange ge­kenn­zeich­net, die andere bekam die Farbe Lila.

Frau Heinrich bezeichnete nun während der ge­samten zwei­ein­halb­stündigen Sen­dung mit un­gerührter Hart­näckig­keit die eine als „orangene Seite“ und die andere als „lilane Seite“. Und jedes Mal durch­zuckte meinen Körper ein heftiger Schmerz. Warum?

Ich hole einmal etwas weiter aus: Farben begegnen uns im All­tag zumeist in Form von Ad­jek­tiven (Eigen­schafts­wörtern). Der Mann ist blau, die Wiese ist grün, das Auto ist rot. Wollen wir aber die Farbe vor den Gegen­stand setzen, dann ändert sich im Deutschen die ge­samte Grammatik. Denn jetzt sind blau, grün und rot nicht mehr nur ein­fache Ad­jek­tive, sondern attri­butive Ad­jek­tive – und die müssen wir de­kli­nieren. Wir be­kommen dann also einen blauen Mann, eine grüne Wiese und ein rotes Auto.

Wie sieht es aber mit exotischeren Farben aus? Was macht man mit orange, rosa, lila, beige, mauve? Nor­maler­weise bleiben Farb-Ad­jek­tive, die auf  einem Vokal enden un­de­kliniert. Das orange Haus, die rosa Brille, die lila Blume, der beige Mantel. Wobei orange, beige und mauve (also fran­zö­sische Farb­bezeich­nungen, die auf [Kon­sonant + e] enden) Son­der­fälle dar­stellen, da das e am Ende des Wortes in der Grund­form stumm ist [oˈrɑ̃ːʒ], [beːʒ], [moːv] aber in der attri­bu­tiven Form als Schwa [ə] ge­sprochen, also »schon ir­gend­wie« de­kliniert wird.


Dieses könnte man gleicher­maßen als orange Pyramide (von oranger Farbe) oder als orangene Pyramide (aus Orangen be­stehend) be­zeich­nen – tut man aber nicht: Es ist eine Orangen­pyra­mide

Weil orange, beige etc. also quasi nicht auf einem Vokal enden, werden sie wie alle anderen Farben dekliniert: grün, ein grüner, eine grüne, ein grünes; beige, beiger, beige, beiges; orange, oranger, orange, oranges. Alle anderen Farben, die auf Vokalen enden (bleu, lila, magenta, écru) werden nicht dekliniert. Wem dann die bleu Hose nicht gefällt, der kann immer noch zur bleu­farbenen greifen.

Und wie steht es um Gold und Silber? Wie heißen die korres­pon­dierenden Farben? Golden und silbern. Der goldene Herbst, der silberne See. Warum sagt man dann aber nicht orangen wenn man orange-farbig meint? Weil silbern eigentlich »aus Silber« bedeutet, genau wie golden »aus Gold«, hölzern »aus Holz«, tönern »aus Ton« usw. Wenn etwas also aus Orangen be­steht, dann (und nur dann) könnte man es als orangen be­zeichnen.

Fassen wir also (nicht nur für Frau Heinrich) zu­sammen: Die eine ist die orange Seite, und die andere ist die lila Seite. So und nicht anders. Ich finde, dass alle Personen, die wie Frau Heinrich ihre Sprache be­ruf­lich nutzen, schon ein biss­chen besser auf ihr Hand­werks­zeug achten sollten, meinen Sie nicht?

Händlorkäachtschtn, Teil II

Juni 2023

 Weitergehende Bemerkungen und Informationen zu »Bares für Rares«*

*Sie sollten zuerst Teil1 gelesen haben.

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Zuallererst sollte man sich stets bewusst sein, dass diese Sen­dung von Anfang bis Ende geskriptet ist. Nichts wird dem Zufall über­lassen. Sowohl die Kan­didaten als auch die ange­botenen Objekte durch­laufen Eig­nungs­tests. Die Ex­perten haben ein Team, das ihnen zu­arbeitet. Die langen Menschen­schlangen vor den Ex­perten­tischen sind ledig­lich Staffage. Auch bei den Ex­perten­ge­sprächen, die schein­bar zeit­gleich an Neben­tischen laufen, sind nur Kom­par­sen und Re­qui­siten zu­gegen. Ein­zig die Preis­findung und die Ver­kaufs­ver­hand­lungen sind er­gebnis­offen.

Herr Lichter ist eine rheinische Froh­natur mit kölschem Akzent. Er ist Hans­dampf in allen Gassen und weiß, wie man auf Menschen zu­geht und ihr Ver­trauen gewinnt. Er­kennungs­merk­male: großer Schnäutzer, kleine Brille mit kreis­runden Gläsern, ständig aktives Mund­werk. Seine Kaspe­reien zu Anfang und Ende der Sen­dung laden stets zu extre­mem Fremd­schämen ein, scheinen aber bei den ein­gefleischten Fans der Sen­dung recht beliebt zu sein. An­sonsten neigt Herr Lichter stark zu Schmei­cheleien und zu In­diskre­tionen – wenn er bei­spiels­weise der Frau Doktor oder der Wendela einiger­maßen auf­dring­liche Kom­pli­mente macht, oder den Ver­käufer befragt, wozu die Kohle denn ver­wendet würde. Er verwendet mindestens einmal pro Sendung das Wort »zumindestens«. Außerdem hat ihm an­schei­nend noch nie­mand den Unter­schied zwischen den Begriffen Akzent und Dialekt erklärt, die er zu­verlässig durch­ein­ander be­kommt. Ähn­lich ist es mit Lampe, Leuchte und ver­wandten Be­griffen wie Leucht­mittel und Be­leuch­tungs­körper (von der Birne ganz zu schweigen).

Die Experten haben in der Sen­dung einen fast gott­gleichen Status. Sie scheinen wirklich alles über wirklich alles zu wissen. Das sähe ganz anders aus, wenn diese ex­altierten Wesen die zu be­wer­tenden Ob­jekte tat­säch­lich zum ersten Mal in Händen hielten. Ohne die Mög­lich­keit, die Ware vorab zu be­sichtigen und ohne die Re­cherchen des im Hinter­grund wir­kenden Teams stünden sie wohl oftmals mit sprich­wört­lich her­unter­ge­lassenen Hosen da.

Die Verkäufer kommen aus fast allen Schichten der Be­völke­rung, haben sich aber für diesen wichtigen Tag meist in die beste zur Verfügung stehende Garderobe geworfen und sich mit fein­stem Schnösel­deutsch par­fümiert. Da wird nicht ge- oder verkauft, sondern erworben oder veräußert. Die Mutter ist nicht ge- sondern verstorben. Den mit­ge­brachten Plunder be­zeichnen sie gerne als Exponat oder als Gegen­stand. Das Wort ent­sprechend wird gerne und ent­sprechend bei­läufig ein­gestreut. Im krassen Gegen­satz dazu wird häufig von der Omma er­zählt, die ich per­sön­lich, zu­mindest im Fern­sehen, eher als Groß­mutter be­zeich­nen würde. Der Typus des Verkäufers kann vom schnei­digen Drauf­gänger bis zum ver­huschten Häs­chen alles um­fassen. Auf den Ver­kaufs­erfolg hat das nur selten Aus­wirkun­gen.

Die Händler sind allesamt Typen, die man mögen kann oder nicht. Das geht vom polterigen Voll­proll aus der Eifel über die mäd­chen­haft kichernde Schmuck- und Pferde­lieb­haberin und den gefärbt-gepiercten Mode­afficio­nado bis zum tief­bayerischen hoch­betagten ehe­maligen Kunst­turner – um nur einige wenige zu nennen. Allen gemein ist die Krämer­seele – der tief in die Wolle gefärbte Drang und Wille, mög­lichst billig ein­zukaufen und mög­lichst teuer zu ver­kaufen. Die so­ge­nannten Start­gebote sind oft­mals wirk­lich obs­zön niedrig, aber auch die End­gebote liegen oft­mals weit unter der Ex­pertise – gerne mit dem Hin­weis darauf, dass man selber ja auch noch ein biss­chen was ver­dienen müsse. Was nicht heißt, dass nicht auch das eine oder andere Teil über Ex­pertise ver­kauft wird.

Die Ware kann im Prinzip alles sein, das ent­weder alt, kurios, selten oder am besten alles zu­sammen ist. Alte Öl­ge­mälde, Spiegel, Ge­schmeide, Plastiken, Drucke, Bücher, Fan­artikel, Nippes … nur echt und alt müssen die Sachen sein. Fäl­schungen und Dinge, die noch keine dreißig Jahre alt sind, kommen in der Regel nicht in den Handel. Der Wert reicht meistens von ca. zehn Euro bis maxi­mal vier- bis fünf­tausend Euro. Für noch wert­vollere Objekte gibt es Sonder­sendun­gen.

Die Händlerkarte (vulgo dat Händlor­käachtschn) gehört zu den wichtigsten Requi­siten von Bares für Rares. Wozu das Teil, das stets ver­schwö­rerisch und in Groß­auf­nahme über­geben wird, und über das sich die Ver­käufer wie ver­rückt freuen, tat­säch­lich ge­braucht wird, ist mir völlig unklar. Es würde doch völlig reichen (da das Ganze ja so­wieso ge­skrip­tet ist) da drüben (wo auch immer das ist) an­zurufen und zu sagen: „Da kommt jetzt Frau XY mit nem Ring. Wisster Be­scheid, nä?“. Aber nein: Da wird mit weiter Geste die Lichter-Po-warme Händler­karte aus der Tasche ge­zogen, mehrere Se­kun­den lang wie in einem schlecht ge­­machten Werbe-Spot in die Kamera ge­­halten, um schließ­­lich fast wider­­willig dem Ver­­käufer über­­lassen zu werden.

Rätsel: Ich habe mich schon öfter ge­­fragt, ob Herr Lichter eine spe­­ziell für diesen An­lass ge­­fertig­te Hose trägt, denn ich kenne kein Bein­­kleid von der Stange, in dessen Ge­säß­­tasche so eine riesige Karte passen würde. Mög­licher­weise ist das Ganze ja auch eine op­tische Täu­schung und »dat Käachtschn« wird ihm von einer im Ver­bor­genen agie­renden Hilfs­kraft zu­ge­steckt?

Die Preise muss man zuerst einmal verstehen: Der Experte gibt eine Summe an, zu der so ein Teil auf dem freien Markt nor­maler­weise ver­kauft wird. Im Händlerraum ist aber kein freier Markt, denn dort sitzen Händler, die Waren am liebsten für hundert Euro ein­kaufen und für vier­hundert Euro ver­kaufen, und die von diesen mageren drei Prozent Gewinn ihr ärm­liches Leben bestreiten müssen.

Ich frage mich immer, warum die Experten der­maßen un­rea­listische Ex­per­tisen er­teilen, anstatt eine für den Verkäufer brauchbare Summe zu nennen, die tatsächlich erreichbar wäre. Aber das ge­hört wohl zum Selbst­ver­ständ­nis dieser Sen­dung. An­derer­seits wun­dere ich mich dann aber auch über Ver­käufer, die bei An­geboten teil­weise unter der Hälfte des Ex­pertisen-Preises klein­laut noch „ein biss­chen mehr“ haben möchten, an­statt selbst­bewusst darauf hin­zuweisen, dass da noch „sehr viel mehr“ kommen müsse. Völlig normal hin­gegen: Wenn tat­säch­lich mal ein An­gebot durch die Decke ging, hat noch nie ein Ver­käufer vor­zeitig ge­sagt: „Jetzt is’ aber genug“.

Was ich nicht verstehe: Der Verkäufer wird um Nennung eines Wunsch­preises ge­beten; liegt die Ex­per­ten­schät­zung dar­unter, wird der Kan­di­dat ge­fragt, ob er denn auch zu diesem Preis ver­kaufen würde, denn an­sons­ten könne man die Händ­ler­karte nicht her­aus­rücken. An­derer­seits wird aber im Händ­ler­raum immer wieder de­zi­diert darauf hin­gewiesen, dass »hier nie­mand zum Ver­kaufen ge­zwun­gen wird«. Warum also gibt es An­bieter, die nicht zum Ex­perten­preis ver­kaufen wollen und des­halb die Händ­ler­karte nicht be­kommen? Warum sagt man nicht ein­fach »ja« und macht später bei den Händlern einen Rück­zieher, wenn die Ge­bote zu niedrig sind?

Der Onkel aus dem Off (ein gewisser Volker Wolf) ist in BfR all­gegen­wärtig und kommen­tiert – mit dem alt­väter­lichen Duktus eines pfeif­chen­schmau­chen­den Mär­chen­onkels – das Prä­sen­tierte aus dem Hinter­grund (fach­sprach­lich off-screen oder aus dem Off). Leider werden ihm allzu oft unter­irdisch schlechte Wort­spiele in sein Manu­skript ge­schrieben. Das grenzt manch­mal wirk­lich an schwere Kör­per­ver­letzung. Zu­sammen mit dem all­gegen­wärtigen musi­kalischen Ge­dudel im Hinter­grund bildet er das Ge­rüst, das Bares für Rares zu­sammen­hält.

Die Guten Hände: Mindestens einmal pro Sen­dung äußert einer der Kan­di­daten, dass es ihm gar nicht so sehr ums Geld gehe, sondern er viel­mehr froh wäre, den an­gebo­tenen Gegen­stand in „gute Hände“ ab­geben zu können. Da schlägt mein innerer Bull­shit-Detek­tor immer bis zum Maxi­mum aus: Wenn ich schon willens bin, meinen Trödel an Händler zu ver­ram­schen, kann ich eigent­lich sicher sein, dass dessen Hände le­dig­lich an Bank­noten und nicht an be­hut­samem Um­gang und tief­ster Wert­schät­zung inter­essiert sind. Will ich etwas in „gute Hände ab­geben“, dann muss ich mich vor­her ein­gehend und sorg­fältig in­for­mieren, welcher Em­pfänger dazu ge­eignet sein könnte – ein Händler ist es, ent­gegen eige­ner auf­richtig­ster Be­teue­rungen, sicher nicht.

Der Spaß damit: Zum Abschied geben die Ver­käufer meist noch eine Ab­schieds­formel von sich: „Und viel Spaß damit“. Und zwar egal, um was es sich bei der Ware handelt. Vasen, Bilder, Bron­ze­skulp­turen, alte Küchen­geräte, an­tike Ma­schinen: „viel Spaß damit“. Wie, bitte­schön, soll je­mand mit einem Flaschen­verkorker „Spaß“ haben? Ginge es um einen antiken Holz­dildo oder ein Louis-XVI-Furz­kissen, wäre die Sache klar, aber „Spaß“ mit einem Öl­gemäl­de, einem Rechen­schieber oder einem Ziga­retten-Etui? Da muss ich flucht­artig das Kopf­kino verlassen ...

Rituale: Die völlig blöd­sinnige Ein­leitung durch Herrn Lichter, die Vor­stellung der Ver­käufer, die ge­fakte Ex­per­tise, die Über­gabe der Händler­karte, die Ver­käufer-State­ments, der Onkel aus dem Off, die ständig im Hinter­grund dudelnde Musik, der völlig blöd­sinnige Epilog durch Herrn Lichter – alles muss exakt fest­gelegten Ritualen folgen, genau wie beim Sonn­tags­gottes­dienst. Alles andere wäre der Fan­gemeinde ver­mut­lich nicht zu­zumuten. Und genau aus diesem Grund gibt es diese Fan­gemeinde überhaupt: Man weiß genau, was passieren wird, wie es passieren wird und wann. Der deutsche – und ins­be­sondere wohl der ältere deutsche – ZDF-Kon­sument braucht das an­scheinend. Er will keine Ver­ände­rung, er will das Er­wart­bare, das Ritual. Deshalb hat Bares für Rares so konstant hohe Ein­schalt­quoten.

Ich gebe gerne zu, dass auch ich ein einiger­maßen regel­mäßiger Zu­schauer bei Bares für Rares bin. Aller­dings hänge ich dabei nicht mit ver­klärtem Blick und offenem Mund vorm Fern­seher, sondern be­ob­achte die Vor­gänge auf dem Bild­schirm und mich selbst während­dessen meistens recht genau. Ich gebe auch gern zu, dass die Sendung pro­fessionell und routiniert ge­macht ist (von den Fremd­schäm-Mo­menten am An­fang und am Ende ein­mal ab­gesehen, bei denen ich immer den Ton aus­schalte) und auch durch­aus lustige und in­forma­tive Mo­mente hat. Ich denke jedoch auch, dass ich den Unter­haltungs­wert dieser Sen­dung an anderen Stellen finde als viele andere Fans der Reihe. Aber das ist es ja auch, was das Kon­zept von BfR  gerade aus­zeichnet: Es ist für jeden Ge­schmack und jede Ge­müts­lage etwas dabei.

Weitere interessante Details zur Sendung finden Sie übrigens in der Wikipedia.


Händlorkäachtschn Teil I

Juni 2023

Eine Einführung in die wunderbare Welt von »Bares für Rares«

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Anknüpfend an den vorhergehenden Eintrag möchte ich hier einmal für alle, die es nicht kennen und solche, die es trotz­dem inter­essiert, das Paralle­luni­versum der im ZDF bzw. ZDF Neo aus­gestrahlten Unter­hal­tungs­sen­dung »Bares für Rares« vor­stellen. Ein­fach aus­gedrückt geht es darum, dass Leute wie Du und ich ihren nicht mehr be­nötigten Plunder zu mög­lichst hohen Prei­sen an Anti­quitäten­händler ver­scherbeln wollen. Dazu müssen sie einen streng ritu­ali­sierten Pro­zess durch­laufen.

Schauen wir uns so eine Sen­dung und ihr Perso­nal ein­mal an. Ich ver­zichte im Folgenden be­wusst auf irgend­eine Form von Gendern, da das den Text un­nötig auf­blähen würde, be­ziehe mich aber vor­urteils­los auf alle be­kannten und noch zu er­for­schenden Ge­schlechter­vari­anten.

1. Der Beginn: Ein gewisser Horst Lichter (im Folgenden Herr Lichter genannt, die älteren unter uns kennen ihn noch als Koch) mo­deriert die Sen­dung an, indem er ir­gend­einen kin­dischen Quatsch zum Besten gibt, vor­gibt mit irgend­etwas Wichtigem be­schäftigt zu sein und/oder irgend­einen dümm­lichen Dia­log mit einem seiner Mit­streiter führt, um an­schließend mit „häachtsch will­kommen zu Bares für Rares“ den Zu­schauer zu be­grüßen. Schnitt. Intro mit rockiger Titel­melodie.

2. Die Einleitung: Der Onkel aus dem Off stellt den ersten Kandi­daten mit vollem Namen vor, Alter und Her­kunfts­ort werden ein­geblendet. Der pro­spektive Ver­käufer sagt ein, zwei Sätze, ver­rät aber noch nicht, worum es geht (die Spannung …).

3. Die Vorstellrunde: Eines der häufigsten Szenarien: Der Experte steht an einem Pult im Ex­perten­raum und betrachtet das an­gebo­tene Objekt. Herr Lichter tritt hinzu, meist gut gelaunt, und gibt schon ein­mal eine eigene Mei­nung zu dem Stück ab, die aber meistens nicht allzu ernst zu nehmen ist. Der Experte erklärt schon mal ein wenig. Der Anbieter wird hinzu­gebeten. Man begrüßt sich und klärt, ob man sich mit Vor­namen an­spricht (was Herrn Lichter sehr sym­pathisch ist) oder nicht (was Herrn Lichter immer etwas ver­legen macht). Mit den Lichter’schen Worten „da hast du uns ja wat Dollet mit­jebracht“ beginnt nun die Be­fragung des Ver­käufers, woher das gute Stück stammt und wie es in seinen Besitz ge­kommen ist. Mög­licher­weise folgen auch noch einige Worte zur eigenen Person, zu Hobbys und be­son­deren Tätig­keiten (be­sonders beliebt: Mopped­fahren – da hat man in Herrn Lichter sofort einen Freund fürs Leben).

4. Die Expertise: Der Experte erklärt nun in mehr oder weniger nüch­ternen Worten, worum es sich handelt, zeigt – um­geben von einer Aura der abso­luten Un­fehl­bar­keit – Be­sonder­heiten und Fehler auf, kennt jedes noch so kleine Detail zu Ur­sprung, Her­stellung und Ver­trieb, brilliert mit Fach­wissen und Kom­petenz. Herr Lichter hat auch stets die eine oder andere Frage, die der Ex­perte geduldig be­ant­wortet.

5. Die Preisfindung: Der Verkäufer wird nun nach seiner Preis­vor­stellung gefragt, worauf dieser sich oft etwas ziert, bevor er dann, meist auf hart­näckiges Nach­fragen, mit einer Summe her­aus­rückt. Nun wird der Experte gefragt (oft auch unter­stützt durch den Onkel aus dem Off), was das Objekt der Be­gierde denn nun wirklich wert sei. Auch der Experte druckst erst noch ein wenig herum (die Spannung …), bevor er dann schließ­lich einen Be­trag nennt. Der – je nach Er­geb­nis – er­nüch­terte, un­gerührte oder er­staunte Ver­käufer muss jetzt nur noch offi­ziell äußern, ob er denn zu dem ge­nannten Preis ver­kaufen würde. Wird das positiv be­schieden, dann zieht Herr Lichter aus der Ge­säß­tasche seiner Hose die Händ­lerkarte, die zum Ein­tritt in den Händ­ler­raum be­rechtigt (dat Händlor­käachtschn). Mit den Worten „da jeded­erübbor“ wird die Karte dem Verkäufer über­geben, wo­bei dieses Ri­tual, bei dem der eine nicht los­lassen will und der andere ver­geb­lich zieht, stets in Groß­auf­nahme er­folgt.

6. Freud und Leid: Der Verkäufer gibt ein weiteres kurzes State­ment des Inhalts ab, dass er sich riesig freut, die Händler­karte be­kommen zu haben, bzw. dass er nicht damit ge­rechnet hat, diese zu be­kommen, bzw., dass er schon da­mit ge­rechnet hat, sie zu be­kommen, bzw. (was äußerst selten vor­kommt) er traurig/nicht traurig ist, diese nicht bekommen zu haben.

7. Positionen (2) bis (6) werden jetzt mit einem weiteren Kandidaten durchlaufen.

8. Das Vorspiel: Der Händler­raum wird ge­zeigt. Es sitzen meist fünf Händler an einem ge­mein­samen tresen­artigen Möbel­stück. Ist das Objekt zu groß, um vom Verkäufer mit­gebracht zu werden, befindet es sich bereits vor Ort und es ent­spinnen sich erste Ge­spräche; Mei­nungen werden aus­getauscht. Schnitt auf einen Vor­raum. Der Verkäufer gibt hier noch ein State­ment ab, dass er sehr/kaum/gar nicht auf­geregt sei und es doch am besten wäre, wenn sich mehrere Händler für das Objekt inter­essierten und sich gegen­seitig über­böten. Der Onkel aus dem Off spendet noch ein paar be­gleitende Worte, gerne auch Wort­spiele aus der untersten Schub­lade („… ob seine Modell­eisen­bahn wohl im Händler­raum an­kommt oder auf dem Ab­stell­gleis landet?“), während der Verkäufer sich in Richtung Händ­ler­raum begibt (schön an­zusehen, be­sonders, wenn es sich um ein Paar handelt, das ver­geb­lich versucht, neben­ein­ander durch die engen Glas­türen zu gehen).

9. Der Händlerraum: Der Verkäufer tritt ein, über­gibt ge­gebenen­falls das Objekt und stellt sich auf den für ihn mar­kierten Platz. Es gehen Be­grüßungen und In­for­mationen hin und her, bis schließ­lich der erste Händler ein Gebot ab­gibt, das meistens lächer­lich weit von der Exper­tise ent­fernt ist. Mit etwas Glück ent­wickelt sich nun ein Bieter­gefecht, an dessen Ende einer der Händler das Objekt zu­geschlagen bekommt (oder auch nicht, wenn der an­gebo­tene An­kaufs­preis dem Verkäufer zu niedrig er­scheint). Der ver­ein­barte Preis wird in Groß­auf­nahme in großen (selten auch kleinen) Scheinen vor­gezählt und übe­rgeben. In Corona-freien Zeiten besiegelt ein Hand­schlag schließ­lich das Ge­schäft. Auch der Onkel aus dem Off gibt gerne noch einen onkel­haften Kommen­tar dazu („Zehn Euro über dem Wunsch­preis. Prima.“)

10. Die Nachbereitung: Der Verkäufer geht, die Händler be­glück­wünschen sich gegen­seitig zu dem tollen Objekt, das sie eine Minute vorher noch klein­geredet hatten („der Markt gibt das nicht her“, „vor zehn Jahren hätten Sie [...] dafür be­kommen können“, „es wird schwer, dafür einen Käufer zu finden“, etc.). Der Verkäufer gibt im Vor­raum ein weiteres State­ment ab: dass er sehr/einiger­maßen/weniger zu­frieden sei und er mit dem Geld jetzt […] kaufen, lecker Essen gehen, oder einfach seine Reise­kasse füllen werde.

11. Positionen (8) bis (10) werden nun mit dem Kandidaten aus (7) wiederholt.

12. Zweimalige Wieder­holung von (2) bis (11) mit jeweils neuen Kan­didaten.

13. Ende: Herr Lichter nimmt Bezug auf die Kinderei aus (1), bringt sie zu einem ver­meint­lich witzigen Ab­schluss und ver­ab­schiedet sich von den Zu­schauern, oft mit Hin­weis auf weitere spannende Folgen, die man sich in der Media­thek an­schauen könne. Abspann, rockige Titel­melodie.

 


Lesen Sie hierzu bitte auch den zweiten Teil.

Ich hab' zu danken!

April 2023

... eine der idiotischsten Phrasen der deutschen Sprache.

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  Jeder von uns wird vermutlich irgend­wann in frühester Kind­heit gelernt haben, wie der Aus­tausch von Dankes­floskeln ab­zulaufen hat. „Wie sagt man denn, wenn man etwas haben möchte?“ „Bitte.“ „Wie sagt man, wenn man etwas bekommen hat?“ „Danke.“

Aber da gibt es noch eine dritte Phrase, die auch in diesem Zusammen­hang steht, nämlich: Was sagt man, wenn sich jemand be­dankt hat? Da gibt es zahl­lose Mög­lich­keiten, zum Bei­spiel „bitte“, „gern geschehen“, „keine Ursache“ oder eine beliebige Kom­bi­nation daraus. Und wenn man aus dem Norden kommt: „da nich für“. Am an­deren Ende Deutsch­lands: „basst scho“.

Immer stärker setzt sich auch „gerne“ durch, was ich für voll­kommen sinn­entleert halte. „Vielen Dank“ – „Gerne.“ – gerne was?! Es ver­langt ja keiner, dass man sich ganze Romane ab­ringt, aber ein­fach nur „gerne“ finde ich doch ein wenig zu maul­faul.

Kommen wir jetzt aber zum absoluten Gipfel, dem Leucht­turm unter den Dankes-Er­widerungen: „Ich hab' zu danken“, mit besonders ge­wichtiger Be­tonung auf ich. Das hört man eigent­lich nur von Händlern, wenn sie einen Kunden be­sonders ele­gant über den Tisch ge­zogen haben. Das lernen die an­scheinend auf der Handels­schule, oder wo auch immer.

Die Über­setzung von ich habe zu danken lautet doch ich muss danken. Es handelt sich also le­dig­lich um eine Fest­stellung, und noch nicht einmal um eine Ab­sichts­erklärung (ich werde danken), ge­schweige denn um einen tat­säch­lichen Dank (ich danke). Das lässt gleich mehrere Inter­preta­tions­mög­lich­keiten zu: „ich muss danken und tue es hiermit“, „ich muss danken, tue das aber sehr ungern“, oder „ich muss danken, tue es aber nicht“.

Die erste klingt wachsbleich, amts­stuben­haft und hölzern. Die beiden letzt­ge­nannten wären in höchstem Maße flegel­haft und sind deshalb auszuschließen. Aber warum sagt man nicht einfach „Ich danke Ihnen“? Dieses alberne „Ich hab' zu danken“ treibt jedes Mal meinen Blutdruck in die Höhe und ich bin ver­sucht zu sagen: „Ja, dann tun Sie's doch einfach!“.

Es gibt doch so viele andere Mög­lich­keiten, den Dank des Gegen­übers ge­wisser­maßen ab­zulehnen, indem man ihm zu ver­stehen gibt, dass man selber eigentlich zu Dank ver­pflichtet und ein Dank seiner­seits somit nicht nötig sei, und man dieser Ver­pflich­tung hier­mit nach­komme, und zwar von ganzem Herzen. Es ist eine über hun­derte von Gene­rationen weiter­gegebene, immer wieder ver­feinerte, hoch­kom­plexe soziale Inter­aktion, deren Sinn­gehalt in „ich hab' zu danken“ kom­plett ver­loren ge­gangen ist.

Andere Sprachen haben hier­für eben­falls gängige Floskeln erarbeitet: »You're welcome« sagt man in anglo­phonen Gegenden – Sie sind will­kommen. »Prego« sagt der Italiener, was „ich bitte“ be­deutet. Die Spanier (de nada) und Fran­zosen (de rien) reden die Sache klein und be­haupten einfach, es sei um nichts ge­gangen. Oder mit ähnlichem Inhalt, ebenfalls fran­zösisch, »pas de quoi«, was auch der Russe (не за что) kennt. Meines Wissens gibt es in keiner anderen als der deutschen Sprache dieses knöcherne, ge­danken­lose und un­per­sön­liche „ich hab' zu danken“.

Kann das mal jemand diesen erbärmlichen Krämer­seelen er­klären? Danke!  –  Da nich' für.

Panade

Sept. 2022

... oder doch Panierung? Informationen für Besserwisser.

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Ich kann mich noch ent­fernt an eine Koch­sendung erinnern, in der irgend­ein bester [...] von Deutsch­land gekürt wurde. Einer der Beteiligten war der recht be­kannte und im Laufe seiner Karriere mit bis zu zwei Michelin-Sternen hoch­dekorierte Christian Lohse.

Gegen Anfang dieser Sendung erklärte er »für alle zum Mit­schreiben« den Unter­schied zwischen Panade und Panierung. Sinn­gemäß dozierte er:

Panade* Eine Panade ist ein Füll- und Lockerungs­mittel, etwa aus ein­geweich­tem Weiß­brot oder Bröt­chen, für Hack­massen, gefüllte Kalbs­brust oder ähn­liche Ge­richte.
Panierung* Ein Schnitzel wird in Mehl, zerschlagenem Ei und Panier­mehl ge­wendet und dann ge­gart. An­stelle von Panier­mehl könnte auch Semmel­brösel oder Reibe­brot stehen. Diesen Vor­gang der Um­hüllung nennt man Panieren, das Er­gebnis der Tätig­keit ist die Panierung.


In der verbliebenen Sendezeit hörte man jedes Mal, wenn jemand den Begriff Panade mal wieder falsch benutzte, aus dem Hinter­grund Herrn Lohse „nierung“ murmeln. Seit­her ist mir der Mann sehr sym­pathisch und ich tue es ihm gleich.

Seien wir ehrlich: Fast jeder sagt Panade, wenn er Panierung meint – was es aber für Prin­zipien­reiter, Klug­scheißer und Besser­wisser wie mich nicht richtiger macht. Ich bestehe, seit ich im Besitz dieses fach­sprach­lichen Nuggets bin, stets darauf, die goldgelbe, leicht soufflierte und knusprige Um­hüllung eines saftig-zarten Schnitzels Panierung zu nennen und sage das auch jedem, der es nicht wissen will.

Gut, damit macht man sich keine Freunde, aber es macht schon Spaß mit derlei Nischen­wissen zu glänzen (bzw. zu nerven). Pro­bieren Sie's doch beim nächsten Schnitzel mal aus!



Blues

Juni 2022

... kennt jeder, hat jeder schon gehabt. Trotzdem eine Frage dazu ...

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Wieso heißt es eigentlich der Blues? Klar, die Amis sagen the blues, aber wieso wird bei uns ein männlicher Singular daraus? Fakt ist, dass blues in Amerika und anderen englisch­sprachigen Ländern ein Plural ist. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich doch mal folgende Zeilen* des be­rühmten Lieder­machers Neil Diamond an:

Me and you are subject to the blues now and then hier könnte es noch Singular sein
But when you take the blues and make a song hier auch noch
You sing them out again hier nicht mehr
Während wir Deutschen, Franzosen, Italiener, Spanier und viele andere den/le/il/el Blues haben, haben die Amis (et al.), wenn man es linear über­setzt, die Blauen. Merk­würdig, dass sich das so falsch ein­gebürgert hat, finden Sie nicht? Und wenn man sich das erst ein­mal klar gemacht hat, be­kommt man jedes Mal so ein ko­misches Ge­fühl am Hinter­kopf, wenn mal wieder jemand behauptet, den Blues zu spielen.

Fakt ist auch: You can't unthink it. Also machen Sie das Beste draus.



* Neil Diamond: Song sung blue (1972)

Von heißen Temperaturen ...

Aug. 2020

... ist ja im Sommer gerne mal die Rede. Aber gibt es so etwas überhaupt?

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Ganz klar: Nein. Temperaturen können hoch oder niedrig, ja sogar extrem oder auch angenehm sein. Aber weder kalt noch warm. Es kann draußen heiß sein, im Ge­frier­fach kann es kalt sein – Tem­pera­turen können je­doch nur Größen sein: niedrig, mittel oder hoch, wie auf einer Skala. Eine Größe kann weder heiß noch kalt sein. Sehr viele Zeit­genossen begreifen die Logik nicht, die dahinter steckt.

Und so kommt es dann auch immer wieder zu tota­lem Non­sens wie teuren Mieten, billigen Prei­sen, schnellen Ge­schwin­dig­keiten, schwerem Ge­wicht, weiter Ent­fernung, jungem Alter und ähnlich abstrusen Kon­strukten.

Leute! Hirn einschalten beim Schreiben und Sprechen!

Niedrige Preise

Hohe Mieten

Große Entfernung

Es ist so, wie ich es be­reits unter der Überschrift »Weniger ist mehr« beschrieb: Es wird nur noch in mög­lichst griffigen Slo­gans und Pa­rolen ge­sprochen und ge­dacht. Kaum einer macht sich die Mühe, einmal den Sinn hinter solchen Sprüchen zu er­gründen.

Ein Groß­dis­counter könnte bei­spiels­weise durch­aus auf die Idee kommen, mit „Ab Mon­tag noch billigere Preise“ zu werben, aber den­noch nichts zu ver­ändern. Denn er hat ja nicht be­hauptet, dass ab Mon­tag alle an­gebo­tenen Waren billiger werden, sondern ledig­lich die Preise (wie auch immer das gehen soll). Keine Sorge, das wird nicht passieren, denn die Kund­schaft ist auf diese Art von Dumm­deutsch bereits kon­ditio­niert und hätte keiner­lei humor­volles Ver­ständ­nis für der­lei Winkel­züge. Lidl/Penny/Aldi würden sich also selbst einen Bären­dienst er­weisen.

Teure Mieten sind auch wieder so ein Slogan, der sich ungeprüft fest­gesetzt hat. Niemand würde von teuren Kosten sprechen – und der Miet­zins gehört nun einmal zu den Kosten. Das, wofür wir Miete be­zahlen ist die kosten­pflichtige Über­lassung von Wohn­raum. Sozu­sagen die Ge­nehmi­gung, das Eigen­tum des Ver­mieters nutzen zu dürfen. Und die ist teuer, nicht die Miete.

Dass allerdings ein Elektro­ingenieur, und zwar bereits 1932, elektrische Hoch­leistung auf weite Ent­fernung über­tragen wollte, lässt sich eigent­lich nur da­mit er­klären, dass er in einer Zeit lebte, in der Pathos zur All­tags­sprache ge­hörte. Auf weite Ent­fernung: Man sieht quasi vor dem inneren Auge die Weite der wogenden Wälder, der sil­bernen Seen, der locken­den Land­schaften ... Und auf diese Weise bekommt man selbst in den Titel eines Fach­auf­satzes etwas Leiden­schaft. In der heu­tigen, sehr viel nüchter­neren Zeit hieße es wahr­schein­lich „Über­tragung elek­trischer Hoch­leistung über große Dis­tanzen“. Nichts­desto­weniger gibt es weite Ent­fer­nungen ein­fach nicht.

Fazit: Wir alle sollten unsere Mutter­sprache mit etwas mehr Sorg­falt be­handeln, sonst er­reichen wir den Zu­stand der Be­liebig­keit mit über­aus schneller Ge­schwindig­keit.


Xavier Naidoo!

März 2020

Fridays For Future → F F F → 6 6 6 → Was???

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Original-Zitat: „Es ist heute der 20. September, ein sogenannter Friday for Future. F F F. Dreimal F. F ist am sechsten Platz im Alpha­bet [zählt an den Fingern mit] A, B, C, D, E, F. Dreimal F in dem Fall. 6 6 6. Und ähh, auf jeden Fall, da weiß man auch wieder, wer da­hinter steckt.“

Das Tier? Der Anti­christ? Der Teufel, Satan, Beelzebub? Dunkle Mächte? Außer­irdische? Ich wittere Ver­schwörung!

Mein Vorschlag dazu: Kauf Dir 'ne Rolle Alu­folie. Bau dir 'nen Helm draus. Stylische Sonnen­brille und Hand­schuhe hast Du ja schon. Mehr kann man da­zu echt nicht sagen.

Oder doch: Dass man einen Irrläufer wie Dich über­haupt in diese so­genannte Jury bei DSDS* auf­ge­nommen hat, ist mir un­ver­ständ­lich. Der Raus­wurf war da­her keine Über­raschung. Es war schließ­lich nicht das erste Mal, dass Du wirres Zeug von Dir gabst. Ich be­zeichne Dich je­doch weder als Rassisten noch als Ze­loten. Nein, Du bist ein­fach ver­wirrt und solltest pro­fessio­nelle Hilfe in An­spruch nehmen. Von Fern­sehen und sozialen Netz­wer­ken halte Dich bitte künftig fern.

Danke. Ich wünsche gute Besserung.


* Deutschland sucht den Superstar, Unterhaltungssendung beim Privatsender RTL.

Atemalkoholsensoren

Feb. 2020

Vom Parsen und über die Vorzüge des Bindestrichs.

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Vielleicht wussten Sie's noch gar nicht: Beim Lesen geschieht etwas im Kopf, das die Wissen­schaft parsen (ich parse, habe geparst, parste) nennt. Das ist der Vor­gang, bei dem aus einem Haufen Buch­sta­ben Sinn ge­wonnen wird. Nehmen wir als Bei­spiel den Be­griff in der Über­schrift. Je nach­dem, mit wel­chem Thema sich das Ge­hirn kurz zu­vor be­schäftigt hat, unter­sucht es das Wort viel­leicht zu­nächst einmal bis Atemal. Jetzt wird in der hirn-eige­nen Bib­lio­thek nach diesem Aus­druck ge­sucht, nichts ge­funden und ein Ver­merk hin­ter­legt („mal bei Google nach­schla­gen“).

Neuer Versuch: Weiter hinten findet man ja auch noch holsen (könnte ein Name sein), oder sogar koholsen (also ein Mit­ar­beiter von Holsen). Dann bleiben noch ein paar Dänen o.ä. übrig (soren). Das Ganze wird dann einer Plau­si­bi­li­täts­prü­fung unter­zogen, für Un­sinn be­funden, und es geht zu­rück zum Wort­anfang.

Und so nach und nach dämmert uns dann, dass es sich um Atem-Alkohol-Sensoren handeln könnte. Dieser Vor­gang des Par­sens be­nötigt im Extrem­fall einige Se­kunden und bindet un­glaub­liche Mengen an En­ergie und Kon­zen­tration. In einem realen Sinne ist dieser Vor­gang ermüdend

Doch hier kommt unser Held, der Binde­strich (alias Viertel­geviert­strich oder Divis) ins Spiel:

Kaum findet unser Parser einen solchen Bindestrich, weiß er, dass eine logische Ein­heit ab­geschlossen ist und er sich dem näch­sten Ab­schnitt widmen kann. Kein zeit­rauben­des Hin und Her, kein Noch-mal-von-vorne. So können auch Miss­ver­ständ­nisse von vorne­herein ver­mieden werden: Die be­rühm­ten Blumento-Pferde geben sich so­fort als Blumen­topf-Erde zu er­kennen. Der Unter­schied zwischen Buschfeuern und Buschauffeuren wird durch die Trennung so­fort offen­bar. Der Politikersatz wird so­gar erst durch einen Binde­strich ein­deutig: Ent­weder Politik-Ersatz oder Politiker-Satz. Ebenso verhält es sich mit Spielende, Staubecken und Versendung.

Ich kann nur dazu aufrufen, unübersichtliche Wörter so weit und so oft wie möglich auf­zutrennen. Es hilft enorm bei der Sinn­er­fassung. Lese ich bei­spiels­weise etwas über unseren ehe­mali­gen Außen­minister Hans-Dietrich Genscher und an­schließend einen Artikel über Bio-Tech­no­logie, in dem mehr­fach der Be­griff Genschere vor­kommt, dann kann es schon etwas länger dauern, bis sich das Wort Gen-Schere zu er­kennen gibt. Dem Ver­fasser des Ar­tikels, der sich ja in­ten­siv mit dem Thema be­fasst hat, er­schiene das viel­leicht un­sinnig und weit her­ge­holt – wahr­scheinlich hat er gar nicht darüber nach­ge­dacht: Aber für mich wäre ein Binde­strich hier eine deut­liche Er­leich­terung ge­wesen. Ähnlich erging es mir wenig später mit der Eigelbremoulade, Eigel-bremoulade, nein Eigelb-Remoulade.

Das soll jetzt aber dem Deppenbindestrich nicht Tür und Tor öffnen. Die Gartenpforte bekomme ich ebenso wie den Parkplatz und den Staubsauger pro­blem­los auch ohne diese Lese­hilfe be­wältigt. Ich denke da eher an so pikante Wörter wie die Salonalbumserie* ...


* siehe hierzu auch: E.C. Hirsch Deutsch für Besserwisser, Verlag Hoffmann & Campe 1976

Weniger ist mehr...

Dez. 2019

... glauben ja viele. Aber ist das auch tatsächlich so?

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Diese Phrase haben Sie doch bestimmt auch schon mal ge­hört: „... man sagt ja immer: »weniger ist mehr« ...“. Da frage ich mich dann doch ab und zu, wer man ist und warum er das immer sagt. Zu­mal das ja auch gar nicht stimmt: Weniger ist weniger und mehr ist mehr. Und zwar immer.

Die pauschale Aussage »weniger ist mehr« stimmt so einfach nicht. Es kann durch­aus sein, dass weni­ger a mehr b er­gibt. Aber dann sagt man eher: Je weniger Wasser desto mehr Trocken­heit. Je weniger Autos desto mehr Park­plätze. Je weniger Doofe desto mehr Le­bens­freude. 

Meistens ist »weniger ist mehr« jedoch ganz anders gemeint:

„An der Gans ist leider etwas zu viel Majo­ran. Weniger wäre mehr ge­wesen.“
„Fahren Sie nach einem Kaltstart nicht sofort mit Voll­gas. Weniger ist in diesem Fall mehr.“
„Auf keinen Fall zu viel gießen. Weniger ist hier mehr.“

Weni­ger ist hier nicht mehr sondern besser – und so ist es auch in den aller­meis­ten an­deren Fällen ge­meint. Die Wurzel des Übels liegt in einem allgemeinen Trend: Kaum jemand spricht noch in gan­zen, zu­sammen­hän­gen­den Sätzen. In­halts­leere Slogans er­setzen kom­plexe Aus­sagen: »Weniger ist mehr«*, »genug ist genug«, »wenn schon denn schon« und »früher war mehr Lametta«. Besser wären na­tür­lich prä­zise Hin­weise: 

„An der Gans ist leider etwas zu viel Ma­joran. Da­durch wird der deli­kate Eigen­ge­schmack über­tönt.“
„Fahren Sie nach einem Kaltstart nicht sofort mit Voll­gas. Der Schmier­film könnte ab­reißen und zu einem Motor­schaden führen.“
„Auf keinen Fall zu viel gießen. Da­durch bil­det sich Stau­nässe, die diese Pflan­ze nicht ver­trägt.“

... aber das über­schrei­tet dann wohl die Auf­merk­sam­keits­spanne der meisten Zu­hörer bzw. Leser.

Was kann man tun? Ein Anfang wäre bereits gemacht, wenn die Leute sich beim Sprechen nur mal selbst zu­hörten. Hin­reichen­de Selbst­kritik und Ein­sichts­fähig­keit vor­aus­gesetzt, ver­zich­teten sie dann viel­leicht gerne auf die eine oder an­dere sinn­lose Flos­kel – denn weniger ist einfach weniger.


 * Übrigens: Gibt man »weniger ist mehr« mal bei Google Ngram Viewer ein fällt auf, dass sich diese Weisheit erst so richtig seit den Neunzigerjahren durchgesetzt hat.
    Außerdem gilt: Bei Ebbe ist weniger Meer ...

Ein bisschen Glück

Nov. 2019

Haben Sie schon mal was per An­ruf beim Pri­vat­fern­sehen ge­wonnen? Nein? Na, da fehlt Ihnen wahr­schein­lich nur ein biss­chen Glück.

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Privatsender  sind ja stets auf der Suche nach Ein­nahme­quellen. Sei es durch die un­er­träg­liche Wer­bung, die mitt­ler­weile schon epi­de­mische Aus­maße an­ge­nommen hat, oder durch ir­gend­welche dümm­lichen Mit­mach­spiel­chen, bei denen man an­rufen („nur 50 ct. pro An­ruf!“) oder eine SMS („nur 50 ct. pro SMS“) schicken soll. Durch bloße Nennung eines Kenn­wortes und mit ein biss­chen Glück* kann man da nicht selten tau­sende von Euros ge­winnen („per Blitz­über­wei­sung: Geld ist am nächsten Tag auf dem Konto“).

Ein biss­chen Glück, pah, ich kann's echt nicht mehr hören. Was ist eigent­lich ein biss­chen Glück? Wenn sich die Nadel der Tank­uhr in den roten Be­reich be­gibt und ich noch vier­zig Kilo­meter bis zur nächsten Tank­stelle habe, dann komme ich mit ein biss­chen Glück dort auch an. Wenn zum Fa­milien­fest un­ange­meldet Tante Hedwig und Onkel Otto er­scheinen, dann bekomme ich die mit ein biss­chen Glück (und etwas kleineren Kuchen­stücken) auch noch ver­sorgt. Ich habe also eine un­ge­fähre Fifty-fifty-Chance auf einen er­folg­reichen Aus­gang. Und ein biss­chen Glück reicht, um auf der Schick­sals­waage zu meinen Gunsten zwei, drei Gramm auf­zulegen.

Wie seht es denn nun mit dem biss­chen Glück beim Privat­sender aus? Haben die etwas zu ver­schenken? Klare Antwort: Nein! Wenn da mei­net­wegen 5.000 Euro aus­ge­lobt werden, wo­her kommt denn das Geld? Klare Ant­wort: Von den däm­lichen An­rufern, die auf ihr biss­chen Glück ver­trauen – und auch gerne zwei- bis zehn­mal an­rufen, um ans große Geld zu kommen. Der Sender rückt die Kohle so­wieso erst raus, wenn min­destens zehn­tausend (gleich 5.000 Euro) An­rufe ein­ge­gangen sind. Ver­mutlich wage ich mich nicht zu weit vor, wenn ich be­haupte, dass die Aus­zah­lung gar erst bei hun­dert- bis zwei­hun­dert­tausend An­rufen er­folgt (wenn über­haupt). 

Eine 1:100.000-Chance auf 5.000 Euro klingt ja zunächst mal auch gar nicht so schlecht. Aber ich bin den­noch der Mei­nung, dass hier ein biss­chen Glück nicht mehr aus­reicht. Man be­nötigt schon massiv viel Glück, wenn man bei so einem »Spiel« ge­winnen möchte. Dieses Klein­ge­rede bringt mich jedes Mal auf die Pal­me. Wa­rum sagt man den Zu­schauern nicht, dass ein biss­chen Glück eben nicht aus­reicht, und dass es im Ge­gen­teil ab­so­luter Quatsch ist, sich an sol­chen Ge­winn­spie­len zu be­teili­gen? 

Laut Gesetz starren mich von jeder Zigarettenschachtel krank­haft ver­änderte  Atem­wegs­organe an. Laut Gesetz muss ich darauf hin­gewiesen werden, dass ich meinen Arzt oder Apo­theker zu Risi­ken und Neben­wir­kungen frei ver­käuf­licher Medi­ka­mente be­fragen soll. Laut Ge­setz müssen Aller­gene in Lebens­mitteln de­kla­riert werden. Alles zum Schutze des mündigen Bürgers. Aber hier? Noch nicht einmal ein flüchtig hin­ge­nuschel­tes „Glücks­spiel kann süch­tig machen, Teil­nah­me erst ab 18“. Keine Be­kannt­gabe der Ge­winn­chance, oder wenn doch, dann im Win­zig­klein­ge­druckten, das inner­halb von 0,5 Se­kun­den am unteren Bild­schirm­rand durch­läuft. Wie kann das sein?

Die Antwort liegt auf der Hand: Der Sender ver­dient daran, der Tele­fon­dienst­an­bieter ver­dient daran, der Staat ver­dient daran, nie­mand klagt, und mit ein biss­chen Glück für die Ver­diener und Mit­ver­diener wird das auch noch lange Zeit so bleiben ...


* Übrigens: Man kann beides sagen: »mit ein bisschen Glück« oder »mit einem bisschen Glück«. Mit »ein wenig« geht das seltsamerweise nicht.

Doppel-Moppel

Sept. 2019

Redundanz trägt zwar oft zur besseren Verständlichkeit bei, aber bisweilen kann sie ganz schön nerven.

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Neulich hat mal wieder so ein Fernsehkoch eine Sauce ein­re­du­ziert. Er ge­brauchte dieses Wort mehr­fach und mit großer Be­geiste­rung. Wenn man sie erst ein­mal zu­sammen­addiert hat, kann man die Ein­zel­kom­po­nen­ten dann nicht mehr aus­ein­ander­di­vi­die­ren, da die Flüssig­keit schon ab­ge­bunden ist.

Immer mehr Sabbelköppe möchten uns ihr wirres Deutsch auf­ok­troy­ieren. Der­lei über­flüssige Vor­silben könnten sie aber auch ein­sparen (oder deren An­zahl doch wenig­stens herab­min­dern). Man könnte auch schluss­folgern, dass eine Ab­än­derung dieser An­ge­wohn­heit wieder mehr Klar­heit in die Sprache brächte: Re­du­zieren, addieren, Kom­po­nen­ten, di­vi­die­ren, bin­den, ok­troy­ieren, spa­ren, Zahl, min­dern, fol­gern, Än­derung, Ge­wohn­heit. Mehr Prä­zi­sion geht nicht. Ver­doppe­lung stei­gert den In­for­ma­tions­ge­halt nicht, son­dern trübt ihn. 

Das wollte ich nur mal kurz angemahnt haben.


Knottschies

Jul. 2019

Seit dem Einzug der mediterranen Gourmet- in die deutsche Ein­bau­küche tauchen immer wieder Fragen zu Aus­sprache, Genus und Numerus der Zu­taten auf. 

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Hier einige Beispiele dazu aus dem italienischen Sprachraum:

  • Die Zucchini: Spricht sich Zuckieni [tsʊˈkiːni] und nicht Zuschieni. Allerdings ist das die Plural­form. Der (italienische) Sin­gular dazu lautet lo zucchino. Das ist der Dimi­nutiv zu lo zuccho – der Kürbis. Zucchini sind dem Wort­sinn nach al­so kleine Kür­bisse. Und genau wie der Kürbis ist auch der Zucchino von männ­lichem Ge­nus*. Ver­mut­lich wird man Sie je­doch ver­ständ­nis­los an­schauen, wenn Sie im Ge­müse­fach­ge­schäft einen Zucchino ver­langen. Da­her mein Rat: Immer min­des­tens zwei Zucchini ver­langen, dann gibt's auch keine Pro­ble­me. Ge­nau­ge­nommen müsste es sogar zwei Zucchinos heißen, da sich die Bil­dung des Plu­rals bei jedem Wort eigen­tlich nach der deut­schen Grammatik zu rich­ten hat. Dem Duden ist das Wurscht. Dort findet sich die oder der Zucchini, und als »ver­wandte Form« auch der Zucchino. Und der Plu­ral lautet stets die Zucchini (und nicht Zuschienis).
     
  • Der Radicchio: Mit vollem Namen Radicchio Rosso di Chioggia, ein rot-weißer Ver­wandter des Chico­rée mit aus­ge­präg­ten Bitter­noten. Spricht sich Radickio [raˈdɪki̯o], was so­gar leider die wenigsten Profi­köche zu wissen scheinen: „Da neh'ma an Raditscho her, an Ingwa und a Fanill'schot'n ...“
     
  • Die Spaghetti: Spricht man [ʃpaˈɡɛti] oder auch [spaˈɡɛti]. Das Problem ist ähnlich wie beim Zucchino gelagert: Gli spaghetti ist eigent­lich die Plural­form von lo spaghetto. Der Sin­gular müsste also der Spaghetto heißen – aber wer braucht schon einen ein­zi­gen? Auch spaghetto ist wieder eine Dimi­nutiv­form und be­zeich­net eine klei­ne Schnur (spago). Duden meint, dass der Sin­gular von die Spaghetti »die Spaghetti« ist. Er er­laubt uns so­gar, das h weg­zu­lassen, was sich dann aber eigent­lich [spaˈdʒɛti] aus­spräche und Quatsch mit Spa­ghetti­soße wäre. Gramma­ti­ka­lisch richtig wäre der Spaghetto, die Spaghettos. Aber er­zählen Sie das mal der Duden-Re­daktion.
     
  • Die Gnocchi: Sind, genau wie die Spaghetti, selten allein. Außerdem: Die Njocki [ˈɲɔkːi] – kleine Klöß­chen (Nocken) aus Kar­toffeln oder Hart­weizen­grieß – heißen schon mal gar nicht Knottschies. Und eines davon heißt Gnoccho [ˈɲɔkːɔ]. Wenn man das weiß, hat man gegen­über ca. 95% der Rest­be­völkerung einen ekla­tanten Wissens­vor­sprung. Ein Groß­teil der ver­bleibenden 5% hat ver­mut­lich den Film »Rossini – oder die mör­derische Frage, wer mit wem schlief« ge­sehen – Sera­fina (ver­führerisch): „Gnocchi!“ ... Win­disch (be­tört): „Gnocchi!“.
     
  • Das Ciabatta: Wird nicht unter Verwendung von Chia-Samen [tʃia…] her­gestellt und heißt des­halb auch nicht Tschiabatta sondern Tschabata [tʃa'bat:a]. Das stumme i be­wirkt ledig­lich, dass das C nicht wie ein K aus­ge­sprochen wird. Duden in­for­miert: „itali­enisch ciabatta, eigent­lich = Pan­toffel (nach der Form). Älter tür­kisch çabata = Stie­fel, aus dem Per­sischen“. Hätten Sie's ge­wusst?
     
  • Die Salami: Sie ahnten es bereits – es ist eine Pluralform. Die Wurst heißt il salame, und erst in der Mehr­zahl werden i salami daraus. Warum meinen wir nun also, dass die Salami nur eine ein­zelne ist? Man weiß es nicht; es hat sich ein­fach durch­ge­setzt und ein­ge­bürgert. Duden sagt dazu: „die Salami; Ge­nitiv: der Salami, Plural: die Salami[s], schwei­ze­risch auch: der Salami; Genitiv: des Salamis, Plural: die Salami“. Eigent­lich richtig wäre der Salame, die Salamen – ist aber in Wirk­lich­keit falsch.
     
  • Das Carpaccio: Gesprochen Karpatscho [karˈpatʃo]. Ist laut Duden eine „kalte [Vor]speise aus rohen, dünn ge­schnitte­nen, mit Oli­ven­öl und ge­raspel­tem Par­me­san­käse an­gemachten Schei­ben von Rind­fleisch [oder Fisch bzw. Gemüse]“. Um es mal klar zu sagen: Hier irrt der Duden. Einen wich­tigen Hin­weis gibt Wiki­pedia: „Ent­wickelt wurde es im Jahr 1950 in Harry’s Bar in Ve­ne­dig von deren In­haber Giu­seppe Cipri­ani [...]. Cipri­ani be­nannte seine Kre­ation nach dem be­rühm­ten vene­ziani­schen Maler Vittore Car­paccio, der für seine leuch­tenden Rot-/Weiß­töne be­kannt war [...]“. Wer hat schon mal leuch­tende Rot-/Weiß­töne bei Fisch oder Ge­müse gesehen? Nein, ein echtes Car­paccio (Plural: die Car­paccios) be­steht aus rohem, hauch­fein ge­schnitte­nem Rind­fleisch, Oli­ven­öl, Par­me­san­ras­peln und viel­leicht noch etwas Zi­tro­nen­saft. Punkt. Keine roten Bete, kein Lachs, keine Vinaigrette, kein Pesto, keine Nüsse und schon mal ganz be­stimmt kein Ru­cola. Merken!
     
  • Die Pizza: Stellt im Singular kein Problem für die deutsche Zunge dar (obwohl das i gerne etwas länger aus­ge­sprochen werden könnte). Erst wenn man meh­rere da­von möchte, geht das Ge­druck­se los. Sagen wir's mal so: Auch hier gehen Theo­rie und Praxis ver­schie­dene Wege. Der Itali­ener sagt einfach le pizze. Wenn man nun davon aus­geht, dass Pizza ein deutsches Wort ist (denn es wird ja inner­halb der deutschen Sprache be­nutzt und groß ge­schrie­ben), dann ist die Pizzas die ein­zig rich­tige Plural­form. Der Duden – mal wieder lieber de­skrip­tiv als prä­skrip­tiv – lässt da­neben aber auch die Pizzen gelten. Die Pizza Margherita, die bei jedem Lieb­lings-Italiener immer ganz oben auf der Pizza-Karte steht und immer die billigste ist (genau wie in der Tief­kühl­ab­teilung des Super­marktes) ge­hört übrigens zum Edel­sten, was Italien zu bie­ten hat – aber eben leider nur in Napoli ...
     
  • Der Espresso: Den bestellt man beim Lieblingsitaliener nach dem Essen. Er heißt übrigens nicht Expresso, da der kurze Heiße nicht schnell (express) ge­macht, sondern aus­ge­drückt (espresso) wird. Was ist nun aber mit zweien davon? Zwei Espresso, oder doch zwei Espressi? Gramma­ti­ka­lisch richtig wäre »Espressos«, da der Sin­gular »Espresso« ist. Duden weiß: „Plural: die Espressos oder Espressi (aber: drei Espresso)“. Wollen Sie je­doch perfekt ita­lie­nisch be­stellen, sagen Sie einfach „due caffè per favore“, denn espresso sagt eh kein Itali­ener, wenn er Kaffee meint.

Buon appetito!

Der richtige Singular: In Italien produzierte Wurst­spezia­lität mit Fenchel­samen.

Die Farben Italiens: Basilikum, Mozzarella und Tomaten ver­sammeln sich auf der Pizza Margherita.

Nix Espresso: Der Italiener nennt ihn schlicht und er­greifend caffè.


* Genus (nicht zu verwechseln mit Genuss) ist das grammatische Geschlecht eines Wortes, also männlich, weiblich oder sächlich (maskulin, feminin oder Neutrum).

Zigzig

Jun. 2019

Die Kombination von Zahlen und Buchstaben zu einem sinnvollen Wort fällt vielen Deutschen anscheinend schwer.

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Stolpern Sie auch öfter mal über so merkwürdige Dinge wie den »50zigsten Geburts­tag«, die »70ziger Jahre«? Wurden Sie schon ein­mal ge­fragt, ob Sie einen »100erter« wechseln können oder würden Sie sich für eine schicke »1000ender Kawa­saki« be­geistern? Alles völlig normal? Dann fangen wir nochmal von vorne an.

Was ist am »50zigsten Geburtstag« zu bemängeln? Ganz einfach: 50 ist fünfzig. Und 50zig ist fünfzigzig. Der Hun­derter wird zum Hunderterter und der Tau­sender zum Tausendender (der feuchte Traum eines jeden passio­nierten Rot­wild-Jägers).

Grundsätzlich unterscheiden wir im Deutschen (und den meisten anderen Spra­chen) zwischen Kar­dinal­zahlen und Ordi­nal­zahlen. »Fünfzig« bzw. »50« ist eine Kar­di­nal­zahl. Die dazu passen­de Or­di­nal­zahl ist »fünf­zigste/r/s« oder »50.«. Ein ein­facher Punkt macht also aus einer Kar­dinal- eine Ordi­nal­zahl. Das »zigste« kann (und sollte) man sich sparen.

Der Duden erlaubt uns, die »Siebzigerjahre« auch »70er Jahre« zu schreiben. Aber ohne über­flüssi­ges »ziger«. Eben­so­wenig sollten 50er, 100er und 1000er ver­un­staltet werden. In ver­schie­denen Inter­net-Foren ist mir so­gar der »1000sender« schon mehr­fach be­geg­net. Ein be­sonders sinn­loses und häss­liches Exem­plar wie mir scheint.

Gegen derlei Auswüchse hilft eigentlich nur eines: Sich das Geschriebene ein­mal laut vor­lesen. Aber bei manch einem ge­lingt das wohl weder beim 1sten, noch beim 100erdsten Mal.


Trümmer

Mai 2019

Ein Ausflug in die Trümmerlandschaft der deutschen Gegen­warts­sprache.

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Immer häufiger höre ich in letzter Zeit den Ausdruck »so ein Riesen­trümmer«, oft zeit­gleich mit einer beid­hän­digen Geste, die – ähnlich wie unter Ang­lern üb­lich – das Aus­maß des »Riesen­trümmers« dar­stellt. Da frage ich mich jedes Mal, wo der­jenige wohl Deutsch ge­lernt haben mag. Klären wir doch mal ein paar Be­griffe:

  1. Die Trümmer (Substantiv, Neutrum, Plural). Singular dazu: Das Trumm (öster­reichisch um­gangs­sprach­lich, sonst land­schaft­lich, Kluge nennt es »bairisch«) ist ein großer Brocken, ein un­hand­licher Gegen­stand.
  2. Die Trümmer oder Trumme (Substantiv, maskulin oder Neutrum, Plural). Singular dazu: Der oder das Trumm ist im Berg­bau ein kleiner Gang oder ein Teil einer För­der­an­lage. Andere Schreib­weise, gleiche Aus­sprache: „Trum/Trume/Trümer“.
  3. Die Trümmer (Substantiv, Pluraletantum) sind Bruchstücke, Schutt, Über­reste. Einen Singular zu diesem Wort gab es früher ein­mal – siehe [4.] – er exis­tiert aber im Neu­hoch­deutschen nicht mehr.
  4. Die Trümmer (Substantiv, feminin, Singular) war im 18. und 19. Jahr­hundert ein­mal der Singular von [3.], also ein Bruch­stück, ein Über­rest.

Halten wir also fest: »Den oder das Trümmer« gab und gibt es nicht. In den aller­meisten Fällen dürfte »das Trumm« aus [1.] ge­meint sein. Das alles kann man z.B. bei www.duden.de oder in klu­gen Büchern nach­lesen ... und sich dann er­neut fragen, was denn ein »Riesen-Trümmer«, ein »riesen Trümmer« oder ein »Riesentrümmer« sein könnte – selbst über die Recht­schrei­bung scheint im welt­wei­ten Netz Un­einig­keit zu herr­schen. Aber auch hier hilft uns die Duden-Re­dak­tion gerne weiter: Einzig richtig (gäbe es ihn denn) ist der Riesentrümmer. Gleiches gilt auch für den Mordstrümmer. Denn unsere Recht­schreib­regeln gelten auch für Wör­ter, die gar nicht existieren!


Über Geschmack ...

Dez. 2018

... kann man bekanntlich nicht streiten. Was aber ist ein Geschmäckle?

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Er begegnet uns seit einiger Zeit wirklich überall: Der kleine Geschmack – das Geschmäckle. Jour­na­listen, Poli­tiker, Pro­mis – alle be­nutzen es. Ein jeg­liches, das früher einen fa­den Bei­ge­schmack oder gar Haut­gout hatte, an­rüchig oder du­bios ge­nannt wur­de, hat heut­zu­tage ein »Geschmäckle«.

Was ist das überhaupt für ein Wort – Geschmäckle? An der Endung -le lässt sich mit hoher Sicher­heit ein schwä­bischer Ur­sprung ab­lesen. Im Land der Häusle­bauer und Pfennig­fuchser, wo eine Hand die andere wäscht, wo man »zamma khörd«, wo die Vedder­les­wird­schafd fröh­liche Ur­ständ feiert, wo man Vier­dele trinkt  und Schbäddzle mampft, da hat ein kleines Gschäfdle knapp am Ran­de der Lega­lität und guter Sitten eben keinen Ge­schmack, sondern ein Gschmäggle.

Ja, richtig: Hinter das Anfangs-G gehört kein e. Wenn schon schwä­bisch, dann auch rich­tig. Aber wo­zu über­haupt? Ver­sucht der Sprecher da­mit sein Sprach­talent unter Be­weis zu stellen? Macht er sich augen­zwin­kernd mit dem Schwa­ben und seiner Lebens­philo­so­phie ge­mein? Oder ist das bloß mal wieder so ein total be­scheuer­tes Mode­wort? Wie auch immer; was auch immer: falsch aus­gesprochen klingt es eigent­lich nur pein­lich.

Also: Entweder Geschmäcklein (wie putzig), oder Gschmäggle. Wer das nicht aus­sprechen kann [ˈkʃmɛglə], der be­nutze bitte weiter­hin das alt­einge­führte Wort Bei­ge­schmack. Denn: „Wer schwä­bische Wörter nach­macht oder ver­fälscht, oder nach­gemachte oder ver­fälschte sich ver­schafft und in Ver­kehr bringt, wird mit Maul­taschen nicht unter zwei Por­tionen be­straft“. Vrschtosch mi?!


Lounge

Okt. 2018

Sie kennen den Unterschied zwischen Lounge, Longe, Lunch und Launch? Da haben Sie dem Großteil Ihrer Landsleute etwas voraus.

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Ich will jetzt hier nicht im einzelnen darauf eingehen, wer was wo gesagt hat, denn das Phänomen ist leider all­gegen­wärtig. Schauen Sie sich nur mal Fern­seh­sen­dungen an, in denen regel­mäßig und mit eini­gem Stolz die Innen­archi­tek­tur der eigenen vier Wände prä­sen­tiert wird. Wie z.B. »Das per­fekte Dinner« auf VOX. Da gibt es in der Guten Stube meistens eine aus­ge­dehnte Wohn­land­schaft (früher: Eck-Sofa), die sehr gerne mit weiter Geste zum »Longe-Be­reich« hoch­stilisiert wird, dann wieder zum »Launch-Be­reich«, oder tat­säch­lich zum »Lunch-Be­reich« ... Wirk­lich? Wenn man schon meint, so schicke neu­deutsche Lehn­wörter be­nutzen zu müssen, dann aber doch bitte richtig:

Wort

Definition lt. Duden

Herkunft

Aussprache

Lounge
  1. Gesellschaftsraum in einem Hotel o. Ä.; Hotelhalle.
  2. Bar, Klub mit anheimelnder Atmosphäre.
  3. Luxuriös ausgestatteter Aufenthaltsraum auf Flughäfen, in Bahnhöfen, großen Stadien o. Ä.
Englisch [laʊ̯ndʒ]
Longe
  1. (Reiten) sehr lange Leine, mit der ein Pferd im Kreis herumgeführt und dabei dressurmäßig korrigiert wird.
  2. (Turnen, Schwimmen) an einem Sicherheitsgurt befestigte Leine zum Abfangen von Stürzen bei gefährlichen Übungen oder beim Schwimmunterricht.
Französisch [ˈlɔ̃ːʒə]
Lunch (in den angelsächsischen Ländern) kleinere, leichte Mahlzeit in der Mittagszeit. Englisch [lʌntʃ]
Launch Einführung eines neu entwickelten Produktes auf dem Markt. Englisch [lɔːntʃ]

Also, liebe Häusle-Präsentierer: Eure federkern­gepols­terte Möbel-Dis­kounter-Lümmel­land­schaft zum Super-Schnäpp­chen­preis könnte man mit viel gutem Willen einen  Lounge­bereich nennen. Das spricht sich Laundsch. Wenn das so schwer zu be­grei­fen ist, dann sagt doch ein­fach wieder »Eck-Sofa«. Das trifft's dann auch in den meisten Fällen viel besser.


 

#Hackfleischplakette

Sept. 2018

Mittlerweile kann man kaum noch irgendwas lesen, ohne über #Hashtags zu stolpern. Ich finde das #lästig.

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Wozu soll dieser Mist eigentlich gut sein? Es stört den #Lesefluss und ich weiß nicht, wie ich dieses ko­mische Zei­chen lesen soll, das hier regel­widrig ohne Leer­zeichen ein­fach vorne an jedes be­liebige #Wort dran­ge­batscht wird. Vielleicht einfach einen Halbton höher?* Wäre ich bei #Twitter, könnte ich das ja noch ver­stehen – die haben diesen #Hash­tag (zu Deutsch: #Ge­hack­tes­an­hänger, #Ha­schisch­etikett oder auch #Doppel­kreuz­mar­kie­rung) quasi er­funden. Ver­schlag­wortung heißt der Vor­gang wohl.

Aber neuerdings findet sich dieser Quatsch in jeder Zeitung (wo er nicht nützt), im Fernsehen (wo er ge­nau­so wenig nützt) und so­gar in der Wer­bung (wo er zu­dem auch noch nie­manden inter­essiert). Ich fühle mich da­durch be­lästigt. Ich will nicht dauernd nutz­lose Zeichen lesen, die nichts zum #Infor­mations­gehalt bei­tragen.

Schönes Beispiel: Das WDR3 Abendprogramm vom 13.09.2018.

20.15: #jahrhundertsommer - Sonne satt und Schatten­seiten. Doku D 2018
21.00: #weltuntergang - Der Sommer, der ins Wasser fiel. Repor­tage

Wo liegt der Nutzwert dieser Hashtags? Kann man die nicht einfach weg­lassen und das folgende Wort regel­konform groß schreiben? Ist das jetzt chic, trendy, an­gesagt? Steuern diese Doppel­kreuze irgend­eine rele­vante Infor­mation bei? Warum muss es „Häschtäck jahr­hundert­sommer“ heißen? Ist man aus­ge­stoßen, ewig­gestrig, out, wenn man den Marker ein­fach weglässt, ihn eventuell sogar durch einen Artikel ersetzt? »Der Jahrhundertsommer - Sonne satt und Schattenseiten«. Kann man für meinen Geschmack so lassen.

Ich kann der Täggerei nichts abgewinnen. Mich nervt das. Be­lasst die #Kreuzchen bei Twitter. Da ge­hören sie hin und da stören sie mich auch nicht weiter. Ich rufe hiermit zum #Hash­tag­boy­kott auf!


  * Für Nichtmusiker: Das Kreuz ♯ bezeichnet in der Musik die Erhöhung eines Stammtons um einen Halbton.

Kreieren

Jul. 2018

Das neue Lieblingswort aller Fernseh-, Radio-, Internet- und Print-Journalisten muss auf Teufel komm raus in jede Reportage eingebaut werden. Das kreiert ein Problem.

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Und zwar für mich. Mir geht diese neue Kreativität nämlich mo­men­tan ziemlich auf den Geist. An allen Ecken und En­den wird kre­iert, dass es nur so eine Art hat. Be­son­ders, wenn es um Über­setzun­gen aus dem Eng­lischen bzw. Ameri­kani­schen geht. Dort wird ja noch viel mehr kre­iert als hier – und da kommt es ver­mut­lich auch her: „Schief ist eng­lisch und eng­lisch ist mo­dern“. Kreieren ist hip, kreieren ist in.

Allein schon das Schriftbild finde ich scheuß­lich: kreieren liest sich im ersten Anl­auf immer wie »krei'eren«. Dann muss man inne­hal­ten, wieder zu­rück und noch­mal rich­tig le­sen: »kre'ieren«. Im Duden ist kreieren nicht ein­fach nur „machen“ son­dern ganz ex­plizit:

  • (bildungssprachlich) (eine neue Mode) schaffen, gestalten, erfinden
  • (bildungssprachlich) als Eigenes, eigene, persönliche Prägung o. Ä. her­vor­bringen
  • (Theater) eine Rolle als Erste[r] spielen
  • (katholische Kirche) zum Kardinal ernennen

Man mache sich nur einmal die Mühe und gebe „kreiert“ bei google.de ein. Hier eini­ge High­lights:

Er glaubt nicht, dass die Digi­tali­sierung nur Pro­fi­teure kre­iert.
Wer kreiert Namen für neu erfundene Dinge?
Formel E kreiert Mini-Europameisterschaft.
Denn Helden werden nicht dadurch kreiert, dass sie taktisch und mann­schaft­lich klug Platz machen [...]
Jedes Problem wurde vom Verstand kreiert und besteht, solange der Geist daran fest­hält.
Die grundlegendste Möglichkeit, eine Torchance zu kreieren, ist der Spiel­auf­bau.

Also: entweder ist es bildungssprach­lich, was wir wohl bei den meisten hier ge­zeig­ten Bei­spielen aus­schließen dürfen, oder es hat was mit The­ater oder Eccle­sia Ca­tholi­ca zu tun, was hier ebenso nicht der Fall zu sein scheint. Aber wie kann Digi­tali­sierung Pro­fiteure kre­ieren? Wie können Hel­den, Eu­ropa­meis­ter­schaf­ten, Tor­chancen oder (am wei­testen ver­breitet) Pro­bleme kre­iert wer­den? Kre­ieren hat doch immer et­was mit Kre­ation oder Kre­ativi­tät zu tun – dem Schaffen von Dingen. Und ge­nau des­halb kann man weder Men­schen (Profi­teure, Hel­den), noch Im­materi­elles (Pro­bleme, Tor­chancen) kreieren. Das Wort ist hier einfach fehl am Platz. War kreieren an­fangs noch ein un­reflek­tiert über­nomme­ner und falsch ver­wen­deter, je­doch sel­ten auf­treten­der Ang­lizis­mus, so hat es sich heute aller Fesseln ent­ledigt und ist – egal, ob sinn­voll oder sinn­frei – all­gegen­wärtig.

Aber gibt es denn eventuell Mög­lich­keiten, unsere Bei­spiel­sätze zu ent-kreieren? Ver­suchen wir's:

Er glaubt nicht, dass die Digi­tali­sierung nur Pro­fi­teure her­vor­bringt.
Wer denkt sich Namen für neu erfundene Dinge aus?
Formel E führt Mini-Europameisterschaft ein.
Denn Helden werden nicht dadurch geschaffen, dass sie taktisch und mann­schaft­lich klug Platz machen [...]
Jedes Problem wurde vom Verstand erzeugt und besteht, solange der Geist daran fest­hält.
Die grundlegendste Möglichkeit, eine Torchance zu er­ar­beiten, ist der Spiel­auf­bau.

Man sieht: Auch ohne das schicke neue Modewort kreieren kann man mit etwas Kreativität ganz normale deutsche Sätze kreiereiereieren.


 

Und ... ja

Jun. 2018

Manche Leute wissen einfach nicht, wie man Auf­zählun­gen ord­nungs­ge­mäß über die Bühne bringt. Das kann für Zu­hörer recht an­strengend sein.

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Wer kennt sie nicht, die Ohne-Punkt-und-Komma-Plappermäuler, die stun­den­lang und mit wach­sender Be­geiste­rung auf­zählen, was sie so alles machen, können, haben, wissen, dürfen oder wollen? Wenn die plötz­lich und un­er­wartet fertig sind mit ihrer Lita­nei, dann schließen sie oft­mals mit „und ... ja“. Da sträuben sich mir die Nacken­haare – ich kann's echt nicht mehr hören.

Leser, die sich ein bisschen mit HTML aus­kennen, wissen, was eine so­ge­nannte "un­sorted list" (<ul>), ist. Das ist eine un­sor­tierte Liste, bei der jeder Listen­ein­trag ("list item", <li>) auto­ma­tisch mit einem Punkt ("bullet", "·") ein­ge­leitet wird. Die un­sor­tier­te Liste hat den Vor­teil, dass man nicht von vorne­herein wissen muss, wie viele Ein­träge in diese Liste ge­hören. Sie hat auch keine Hier­ar­chie. Man kann also ein­fach mal so ins Blaue hin­ein auf­zählen und auf­zählen und auf­zählen und ... ja.

 

Beispiel einer unsortierten Liste (HTML)
 Code Bemerkung Ergebnis
<ul>  Beginn der unsortierten Liste
  • putzen
  • waschen
  • einkaufen
  • ... ja
<li>putzen</li>  erster Listenpunkt
<li>waschen</li>  zweiter Listenpunkt
<li>einkaufen</li>  dritter Listenpunkt
<li>... ja</li>  wirklich ein Listenpunkt?
</ul>  Ende der unsortierten Liste

 

Mir kommt es häufig so vor, als seien solche Und-ja-Zeit­ge­nossen selbst ziem­lich un­sor­tiert. Ein­fach mal drauf los plau­dern, bis man nichts mehr zu sagen hat, so ihre De­vise. Sollte es nicht mög­lich sein, das letzte »und« ein­fach weg­zu­lassen, wenn so­wieso nichts mehr folgt? Mich als Zu­hörer irri­tiert das ko­lossal. Ich lege mir beim Sinn-Er­fassen ja schließ­lich selber vor meinem geistigen Auge eine vir­tu­elle Liste an, die ich dann in den Kon­text des Ge­sagten ein­bette. Wenn also im letzten Listen­ein­trag nur »ja« steht, dann muss ich die ganze bis­her er­stellte Liste im Kopf er­neut durch­gehen („parsen“) und den letzten Ein­trag löschen. Auch wenn das auto­matisch, unter­schwellig und blitz­schnell ab­läuft, finde ich es lästig.

Meistens soll diese fast schon manische Aufzählerei die Quassel­strippe wohl davor schützen, dass ihr jemand ins Wort fällt: „Quatsch mir nicht dazwischen. Du merkst doch, dass ich noch nicht fer­tig bin. Ein biss­chen mehr Rück­sicht darf man ja wohl er­warten.“ (der So­zio­lingu­ist nennt das Rede­recht). Das alles steckt in diesem kleinen Wört­chen »und«. Und weiter geht der Ser­mon – Augen zu und durch. Wenn dem Schwät­zer dann aber nach dem letz­ten »und« plötz­lich nichts mehr ein­fällt, dann kommt ein linki­sches, fast schon hilf­loses, auf jeden Fall je­doch völlig sinn­loses »... ja«. Im Klar­text: „OK, du darfst jetzt auch was sagen (aber mach's kurz).“

Liebe Dampfplauderer und Endlos­erzähler: Wenn ihr das nächste Mal etwas auf­zählt, über­legt euch doch vor­her, was alles auf die Liste soll und fangt dann erst an zu reden und bildet dann bitte einen ganzen, ab­ge­schlossenen Satz und lasst dieses blöde »ja« am Ende weg und ... ja, das wollte ich eigent­lich nur mal los werden.


 

Smart?

Nov. 2017

Ist Ihr Home „clever, gewitzt“, „von modischer und auf­fallend er­lese­ner Ele­ganz“, oder sogar „fein“? Dann haben Sie sicher­lich ein Smart Home.

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So definiert unser aller Duden nämlich das Wort smart. Was, so möchte ich fragen, ist zum Beispiel an einem Smart Phone im Format einer aus­ge­wachse­nen Tafel Goldnuss-Scho­ko­lade von er­lesener Ele­ganz, ge­schweige denn clever? Dieser ganze Smart-Hype geht mir im Mo­ment ein­fach tie­risch auf die Ner­ven. Alles ist auf einmal smart. Mein Haus, mein Kühl­schrank, mein Fern­seher, mein Tele­fon, meine Uhr, sogar meine Klei­dung. Alle­samt clever und ge­witzt, oder was? Da möchte ich aber heftigst wider­sprechen.

Was ist an einem Kühl­schrank smart, der sich stän­dig ohne mein Zu­tun im Inter­net herum­treibt und Lebens­mittel für mich be­stellt? Muss der das? Kann er das nicht ein­fach mir über­lassen? Viel­leicht habe ich mo­men­tan gar keine Lust auf das Zeugs, das er mir be­stellt. Und wer räumt dann den ganzen Plunder in den Smart-Fridge, wenn ich bei An­liefe­rung nicht zu Hause bin?

Was ist an einem Home, vulgo Haus, smart, das den ganzen Tag im Inter­net auf Befehle lauert, um die Hei­zung ein­zu­stellen, die Roll­läden zu be­tätigen, das Licht ein- und aus­zu­schalten? Ge­witzte Hacker sind heute in der Lage, mein cleveres Haus so­zu­sagen aus­zu­lesen und wissen dann ge­nau, dass die Hei­zung auf Mini­mum steht, die Lichter über einen Zu­falls­gene­rator ge­schaltet und die Roll­läden über einen Timer ge­steuert werden. Mit anderen Worten: Ich bin unter­wegs auf Ur­laubs­reisen. Herz­lich will­kommen in meinem Smart Home!

Und mein Smart Phone teilt aller Welt ständig mit, wo ich mich ge­rade auf­halte, ob und wann ich ge­rade unter­wegs bin und wenn ja wo­hin. Es hält mich den ganzen Tag von der Ar­beit ab, macht mein Fa­milien­leben zu­nichte, gaukelt mir Freund­schaften vor und schreibt mir in Zu­sammen­arbeit mit meiner Smart Watch auch noch vor, wann und was ich zu essen habe, wann und wie lange ich schlafen soll – und: Sport, Sport und nochmal Sport. Die passen­den Smart Clothes senden der­weil In­for­ma­tio­nen über Herz­frequenz, ver­brannte Ka­lorien, Atem­fre­quenz und wer weiß was sonst noch an mein Smart Phone. Potzblitz!

Da sich diese Gerätschaften alle­samt im Netz tummeln, kosten sie natür­lich auch noch Ge­bühren. Ständig. Und wer im Einzelnen was mit meinen Daten in der Smart Cloud tut, das weiß auch nie­mand so ge­nau. Ver­mut­lich gibt es aber mehr inter­essierte Par­teien, als mir recht sein kann. Wer weiß, ob meine Kran­ken­ver­siche­rung nicht schon einen direkten Draht zu meiner Smart Watch hat (Stich­wort: Bei­trags­an­passung), oder meine Ban­king-App heim­lich mit dem Fi­nanz­amt unter einer Decke steckt? 

Die smarten unter meinen Lesern werden es bereits ver­mutet haben: Ich be­sitze gar keines der oben ge­nannten Gadgets. Aber wenn ich mich so um­schaue, dann stelle ich immer häufiger fest, dass ich mit dieser Ein­stellung einer Min­der­heit an­gehöre. Viele können sich heut­zutage ein Leben ohne ihr Smart-Ge­döns gar nicht mehr vor­stellen. Ich finde das be­ängsti­gend.

„Schöne neue Welt“, kann ich da nur sagen. Für ein bisschen Be­quem­lich­keit be­geben wir uns frei­willig und sehen­den Auges jener Rechte und Frei­heiten, um die uns viele andere unter­drückte, be­spitzelte und über­wachte Zeit­ge­nossen glü­hend be­neiden. Wir machen uns zu glä­ser­nen Bürgern, die von Staat und In­du­strie an der kurzen Leine ge­führt werden. Und wenn wir nicht spuren: Ein leichter Ruck ge­nügt, und schon gehen wir wieder brav bei Fuß. Ist das etwa smart?

 


 

Sagt mal, BBC TopGear Deutschland ...

Aug. 2017

... bei euch ist aber garantiert mehr als nur ein Rad locker, oder?

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Ich habe mir gerade mal rein interesse­halber euer neues Heft Sep­tem­ber-Ok­to­ber 2017 ge­kauft. Und was mir da zum Preis von € 5,90 für ein un­glaub­licher Quatsch zu­ge­mutet wird, das ist mir bis­her noch nicht unter­ge­kommen. Dieser stets be­müht locker-jugend­liche Ton, der sich durch sämt­liche ... na, sagen wir mal ... „Re­por­tagen“ zieht und da­zu auch noch das stän­dige Duzen des Lesers, das alles geht mir ge­hörig gegen den Strich. Die Leute, die für euch schreiben, können einem wirk­lich den letzten Nerv rau­ben. Kleine Kost­probe ge­fällig? Zum Jaguar XE 2018 ge­langen dem Schrei­ber­ling S. Wagner z.B. fol­gende Gemmen der Gegen­warts­prosa:

„Ein an sich ruhiger, wenig turbo­lochiger Zeit­ge­nosse, der nur beim Aus­drehen un­an­ge­nehm vier­zylindert.“

„Er macht tatsächlich sowas wie Laune, all­radet (Serie) grippig, aber leicht­füßig.“

„Die Extra-Power und der etwas vollere Sound komple­mentieren ein Chassis, an das noch immer keiner der Rivalen heran­reicht. Der Jag teilt sich wunder­bar mit, ist Heck­triebler mit Leib und Seele.“

Der Jag vierzylindert also wenig turbolochig, und er allradet grippig? Kann es sein, dass der Autor S. Wagner morgens ver­gessen hat, seine Medi­ka­mente ein­zu­nehmen? Und jetzt hat er zu viel Extra-Power, die sein mangel­haftes und wirres Deutsch komple­mentiert? Ich möchte es, in An­lehnung an seine eigenen Worte, mal so aus­drücken: „S. Wagner teilt sich wun­der­lich mit, ist Phrasen­drescher mit Leib und Seele.“

Hier noch ein weiteres Kleinod, das S. Wagner zum Seat Leon Cupracer aus der virtuellen Feder floss:

„Reichlich unbeeindruckt von meiner helden­haften Rettungs­aktion schüttelt sich der Leon kurz durch und zimmert seine Vorder­achse am nächsten Scheitel fest, als hinge er an einem ge­spannten Bungee-Seil mit mäch­tig Heim­weh.“

Da kann ich nur, Wilfried Schmickler zitierend, dazwischenrufen: „Aufhören! Hör'n Se auf, Herr Wagner ...“. Es ist wirklich un­glaub­lich, un­fass­bar, un­er­träg­lich, was der Mann sich zu­sammen schreibt. Da­zu S. Wagner: „Ich ver­nehme ein sehr lautes inner­liches »Waaaaah«“. Das glaube ich sofort und ohne weiteres.

Leere Versprechungen auf dem Titelblatt

Davon abgesehen ist schon der Auf­macher auf der Titel­seite eine Frech­heit: „Der GTI ist zurück. Neuer VW Up GTI trifft auf Bugatti Chiron, [...]“. Wenn ich mir dann an­schließend den Artikel durch­lese: Da wird in einer Tour nur der neue Up GTI über den grünen Klee ge­lobt. Der Chiron steht nur auf ein paar Fotos als Statist da­neben und wird mit kaum einem Wort er­wähnt. Der nament­lich un­ge­nannte Re­dak­teur (S. Wagner?) hat wohl keine Ge­nehmi­gung be­kommen, sich dem heili­gen Gral des Auto­mobil­baus auf weniger als zehn Meter zu nähern – kann ich auch irgend­wie nach­voll­ziehen, bei der bri­santen Paarung „leicht über­for­der­ter Tasta­tur­quäler trifft auf Zwei­einhalb-Millionen-Euro-Super-Sport­wagen“. Aber dann weckt doch auch bitte nicht groß­mäulig auf dem Titel­blatt Hoff­nungen auf einen Ver­gleichs­test oder ähn­liches, dem dann im Heft­inneren nur ein wenig inspi­rierter, eher fader Fahr­be­richt über lediglich eines der angekündigten Fahrzeuge folgt, mit dem niemand – wirklich niemand – auf »große Fahrt« (GTI = Gran Turismo Injection) gehen möchte.

Wenn das der Neue Deutsche Motor­journalis­mus ist, dann ver­zichte ich gerne und greife zur Springer-Presse. Die ist mir zwar poli­tisch eher sus­pekt, da­für be­schäftigt sie aber rich­tige Journalisten, die ihr Metier be­herrschen. Bei denen ist zwar auch ständig alles „irre“, aber sie können ganze Re­por­tagen schreiben, ohne einen ein­zigen selbst­ge­schnitzten Neo­logis­mus zu ver­wenden. Inter­essant statt nervig, infor­mativ statt ein­seitig: so geht das.

Sorry, TopGear, aber der frische Wind, der wohl offen­sicht­lich durch euer Blätt­chen wehen soll, riecht ver­dächtig streng nach flatus cerebri

Nachtrag im März 2018: Auch die bisher als seriös geltende Fach­zeit­schrift auto motor und sport* be­schäftigt mittler­weile einen ähn­lich kre­ativen Sprach­ver­un­stalter wie TopGear: Sebastian Renz. In einem SUV-Ver­gleichs­test in Heft 6/2018 er­fand er unter ande­rem die Raum­wunderei, einen nicht so zu­sammen­controller­ten Audi, eine sich eilig ver­doppel­kuppeln­de S tronic, einen sich der näch­sten Ge­raden ent­gegengrippenden Q3, einen quer­mo­to­rigen und vor­der­rad­an­triebi­gen X1, eine kno­belige Be­die­nung, Sitze mit Sinn er­geben­der Sei­ten­halt­in­ten­si­tät, kata­pultige Stöße, ein wand­leriges Doppel­kupp­lungs­ge­trie­be, all­tags­clevere Funk­tionen, eine heraus­for­derungs­reiche Be­die­nung und einen BMW, der sich hin­ter­rad­agil und last­wech­sel­mo­ti­viert fährt. Hut ab vor so viel Ein­falls­reich­tum! Da­von kann sich S. Wagner aber noch ein bis zwei dicke Scheiben ab­schneiden.


* Eigenbeschreibung: „Die Auto-Zeitschriften der Motor Presse Stuttgart stehen weltweit für fachliche Kompetenz und journalistische Qualität.“

Reflexive Radikalisierung

Apr. 2017

Wie man hört, radikalisieren sich in letzter Zeit immer mehr mus­li­mische Männer und Frauen. Wie machen die das eigent­lich?

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Radikal: eine extreme poli­tische, ideo­logische, welt­an­schau­liche Rich­tung ver­tretend [und gegen die be­stehende Ord­nung an­kämpfend], Ad­jektiv. So weit die De­fini­tion des Dudens. Radi­kali­sieren ist ein von diesem Ad­jektiv ab­geleitetes Verb. Es be­deutet ge­mäß den Wort­bildungs­regeln radi­kal machen

Was hat es nun aber mit dem re­flexi­ven Verb sich radi­kali­sieren auf sich? Kann sich je­mand selbst radi­kali­sieren, d.h. auf sich selbst der­gestalt ein­wirken, dass er radikal wird? Er­gibt das irgend­einen Sinn? Nehmen wir an, ich sei ein fried­lieben­der Mensch, der viel Zeit hat. Wie stelle ich es an, dass ich mich radi­kali­siere? Radi­kales lag mir ja bis­her eher fern. Ich führe also inten­sive Selbst­ge­spräche und werde von Tag zu Tag radi­kaler in meinen An­sichten, die sich aus dieser inneren Dis­kussion er­geben. Ja, klar.

Der normale Weg wird wohl eher sein, dass irgend­ein Dritter auf mich ein­wirkt, auf mich ein­plaudert, mich zu­quatscht, mir wirres Ge­danken­gut ein­pflanzt und mich auf diese Weise all­mäh­lich auf sein radikal schwarz-weißes Weltbild ein­schwört. Das würde ich als radi­kali­sieren be­zeich­nen. Ich habe aber da­zu keinen Bei­trag ge­leistet. Der andere hat ge­redet, ich habe ge­glaubt. Nicht ich habe, sondern er hat mich radi­kali­siert.

Sich radikalisieren – woher kommt nur dieser Aus­druck und wer hat ihn erfunden? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er im Grunde ge­nommen ziem­lich rassis­tisch ist: Er­weckt er doch den Ein­druck, dass jeder Mus­lime in sich die Saat des Bösen trägt, die nur zum Keimen ge­bracht werden muss. Und wenn nie­mand darauf regnen möchte, dann tut's der Musel­mann eben selbst. Kein Pro­blem! Eben noch war er ein netter Ehe­mann, Familien­vater, Nach­bar, Kollege und auf einmal – zack – be­schließt er, den offen­bar ge­netisch vor­be­stimmten Pfad ein­zu­schlagen und sich zu radi­kali­sieren. Kein Imam, kein Mullah, kein Pre­diger ist dazu nötig; das geht wie von selbst. Ja, klar.

Wie ich das sehe, ge­hören zum Radi­kali­sieren stets mindes­tens zwei, gerne auch mehr Leute. Die eine Seite redet, die andere glaubt. Und wer leichter glaubt wird schwerer klug. So einfach ist das. Der ganze be­griff­liche Eier­tanz um die Radi­kali­sierung ist doch nur der Zwick­mühle ge­schuldet, die unsere ver­fassungs­mäßig ver­brief­te Reli­gions­frei­heit in sich birgt: Es ist uns nicht er­laubt zu sagen, dass es is­lamische Geist­liche und deren fana­tische An­hänger und Mit­läufer sind, die fried­liche Mus­lime radi­kali­sieren und für ihre Ziele instru­mentali­sieren. Und wir dürfen sie auch nicht des Landes ver­weisen. Denn Religion ist tabu.

Also ward die Mär von der Selbst­radi­kali­sierung ge­boren und schon muss sich nie­mand mehr mit einem Pro­blem herum­schlagen, bei dem die Fett­näpf­chen­dichte der­maßen hoch ist, dass stets ein diplo­ma­tisch-reli­gi­öser Eklat  droht. Ja, und da­mit haben wir auch schon eine Ant­wort auf die Frage, wer das Sich-Radi­kali­sieren ver­mut­lich er­funden hat: Das können eigent­lich nur Poli­tiker ge­wesen sein.


 

Kraftanstrengung und Energieleistung

Feb. 2017

Sie ge­hören zum Wort­schatz eines jeden guten Sport­jour­nalisten. Aber wie­viel Sinn ver­birgt sich hinter diesen Fach­begriffen?

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„Um die Streif auch dieses Jahr un­fall­frei zu be­wältigen be­darf es bei den Ski­fahrern einer be­sonderen Kraft­an­strengung, weil die Strecke heuer von Hubert Hinter­mayer vom öster­reichi­schen Ski­verband ab­ge­steckt wurde.“ „Dass der FC Frischauf Lachwitz das 0:2 tat­säch­lich noch in ein 3:2 ver­wandeln konnte, das war schon eine enorme Energie­leistung.“

Wer kennt sie nicht, diese Sprüche unserer hoch­be­zahlten Fernseh-Sport-Kommen­ta­toren? An­strengung und Leistung ge­nügen heut­zu­tage ein­fach nicht mehr. Man muss das doch noch irgend­wie steigern können. Am besten mit be­sonders dy­na­misch klingen­den Zu­sätzen, wie Kraft, Energie, Super, Mega, Hyper ...

Be­trachten wir doch ein­mal diese Be­griffe et­was ge­nauer: Was ge­nau könnte eine Kraft­an­strengung, was eine Energie­leistung sein? Rein natur­wissen­schaft­lich be­trachtet gibt es die Be­griffe Kraft, Energie und Leistung. Die An­strengung ist leider nicht da­bei. Aus Sicht eines Physi­kers kann man also die Kraft­an­strengung schon mal als sprach­liche Miss­bildung ohne jeden aka­demischen Wert ab­tun. Nicht je­doch die Energie­leistung.

Energie ist in der Physik (einfach aus­ge­drückt) die Fähig­keit, Arbeit zu ver­richten. Sie hat, genau wie die Arbeit, die SI-Ein­heit Joule (J). Mit Leistung be­zeich­net man die Arbeit, die während einer ge­wissen Zeit ver­rich­tet wird. Sie hat des­halb die Ein­heit Joule pro Se­kunde (J/s) oder ein­fach Watt (W). Wie wir sehen, steckt die Energie in der Leistung bereits drin.
Das Phä­no­men Energie­leistung, also Energie mal Leistung, also Energie zum Qua­drat pro Zeit, gibt es in der Welt, wie wir sie kennen, nicht. 
Nun könnte der Jour­nalist na­tür­lich ein­wenden: „Jetzt legen Sie mal nicht jedes Wort auf die Gold­waage. Ich meinte ganz ein­fach, dass die Jungs vom FCFL be­sonders viel Energie auf­ge­wendet haben, um diese Leistung zu er­bringen." Ach so! Das würde dann aber doch be­deuten, dass sie mit zwei Halb­zeiten à 45 Mi­nu­ten nicht aus­ge­kommen wären. Warum?
Nehmen wir an, Herbert S. vom FCFL würde während des Spiels 1.000 Watt leisten. Das wären bei­spiels­weise 3.600 Kilo­joule (500 g Schwarz­brot), wo­für er eine Stunde braucht (die restliche halbe Stunde steht er rum oder sitzt auf der Ersatzbank). 
Will er aber be­sonders viel Energie auf­wenden, dann in­vestiert er zum Bei­spiel das Zehn­fache (36.000 KJ). Eine ein­fache Rech­nung ergibt, dass es dann aber auch die zehn­fache Zeit, also zehn Stunden dauert, um auf die be­sagten 1.000 W zu kommen. Herbert S. würde sich also quasi in Zeit­lupe be­wegen – unter Energie­leistung versteht unser Kommen­tator sicher et­was an­deres. (Außer­dem möchte ich mir nicht vor­stellen, wie der arme Herbert nach 5 kg Schwarz­brot aus­sieht).

Was zeigt uns das? 

  1. Leistung bleibt Leistung – egal, wie viel Energie man hinein­steckt.
  2. Die Energie­leistung ist Quatsch mit Soße – die Kraft­an­strengung sowieso.
  3. Schwarzbrot ist gut für Sportler – aber in Maßen.
  4. Sport­journa­listen leben in ihrem eigenen Uni­versum.

 

Konsonantencluster

Juli 2016

Vielleicht haben Sie es noch nicht be­merkt: Die deutsche Zunge schafft es mühe­los, bis zu sieben Kon­so­nanten nach­ein­ander zu sprechen.

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Klingt unwahr­scheinlich? Ist aber so. Im Alltag fällt es uns viel­leicht gar nicht auf, aber Menschen, die Deutsch als Fremd­sprache lernen, haben größten Respekt vor unseren Kon­so­nanten­clustern („Sag mal: Es jauch­zen die Würst­chen im spritzenden Fett!“). Das Pro­blem spitzt sich zu bei so­ge­nannten Kom­posita. Das sind aus be­liebig vielen Kom­po­nenten zu­sammen­ge­setzte Wörter, die es in der deutschen Sprache zu­hauf gibt, und die auch ganz nach Gusto neu ge­bildet werden können – man denke nur an die be­rühmte Donau­dampf­schiff­fahrts­ge­sell­schafts-...

Endet nun der erste Wort­teil mit einem Kon­so­nanten­cluster und be­ginnt der zweite Wort­teil mit einem eben­solchen, dann ent­stehen Ge­bilde, die für die fremd­ländische Zunge schier un­aus­sprech­lich sind.  Zu einiger Be­rühmt­heit hat es der Angst­schweiß ge­bracht, in dem immer­hin acht Kon­so­nanten an­ein­ander ge­reiht zu sein scheinen. Ge­nau be­trachtet sind es deren nur fünf: Das Wort spricht sich [aŋstʃvaɪs]*. Auch die Weih­nachts­stimmung hat in Wirk­lich­keit nur fünf Kon­so­nanten am Stück: [vaɪnaxtsʃtɪmuŋ]. 

Es geht mir an dieser Stelle näm­lich nicht um Kon­so­nanten­buch­staben, sondern nur um tat­säch­lich ge­sprochene Laute. Das sch be­steht zum Bei­spiel aus drei Kon­so­nanten­buch­staben, aber nur aus dem Laut [ʃ]. Auch ng [ŋ] und ch [ç] bzw. [x] ge­hören zu dieser Sorte. Auf der anderen Seite haben wir x [ks] und z [ts], die je­weils  zwei ge­sprochene Kon­so­nanten ent­halten. (Yp­si­lon und Jot klammern wir hier der Ein­fach­heit halber aus.)

Natürlich kann man beliebige sechs­stellige Kon­so­nanten­cluster kon­struieren – z.B. den Pabst­sprung – aber in den wenigsten Fällen er­geben sie wirklich Sinn. Ich habe hier einmal eine Liste zu­sammen­ge­stellt, die sinn­volle Exem­plare auf­zählt. Ich werde sie nach Mög­lich­keit ständig er­weitern. Gerne nehme ich auch weitere Vor­schläge unter der auf der Start­seite an­gegebenen E-Mail-Adresse ent­gegen.

Liste einigermaßen sinnvoller Wörter mit 6 oder mehr nacheinander gesprochenen Konsonanten
Kunstsprache [nstʃpr]* Grenzstreitigkeiten [ntsʃtr] Textstruktur [kstʃtr]
Sumpfpflanze [mpfpfl] Durststrecke [rstʃtr] Kurzstrecke [rtsʃtr]
Zukunftspläne [nftspl] Schifffahrtsstraße [rtsʃtr] Herzstromkurve [rtsʃtr]
Kampfstrategie [mpfʃtr] Arztsprechstunde [rtstʃpr] 7! Dienstpflicht [nstpfl]
Sicherungssplint [ŋksʃpl] Holzpflege [ltspfl] Salzstreuer [ltsʃtr]
Ankunftszeit [nftsts] Unterhaltspflicht [ltspfl] selbstspreizender Dübel [lpstʃpr] 7!
Herbstzeitlose [rpst'ts]   (wird fortgesetzt)
Noch stärkere Zusammen­rottungen von Kon­so­nanten bei gleich­zeitiger Vokal­knapp­heit findet man in diversen slawischen Sprachen. Hier kommen Wörter teil­weise ganz ohne Vokale aus. Nehmen wir zum Bei­spiel das Serbo­kroatische: smrt ist der Tod, vrt ist der Garten, tvrd heißt hart, grm ist ein Busch, grb ein Wappen, und Grk ist ein Grieche. Das ließe sich fast end­los fort­setzen. 

Im Tschechischen habe ich dann auch den bis­herigen Sieger ge­funden: čtvrthrst [tʃtvrthrst]*, eine viertel Hand­voll – er­innert zwar stark an den oben er­wähnten, eben­falls ziem­lich sinn­freien Pabst­sprung, hat aber sage und schreibe zehn Kon­so­nanten ohne einen einzigen störenden Vokal. Und sogar bei sinn­vollen Wörtern wird man fündig: čtvrtka [tʃtvrtka]. Man bezeichnet damit ein Viertel, und hier sind es immer­hin auch noch sieben Mit­laute in einer Reihe.

Ein Hoch auf die Fein­motorik des Zungen­muskels! Sind Sprachen nicht etwas Schönes?


 *innerhalb der eckigen Klammern befindet sich die IPA-Notation (Internationales Phonetisches Alphabet)

Mir scheint,...

Mai 2016

... dass viele den Unter­schied zwischen an­scheinend und schein­bar nicht kennen.

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Dabei ist es doch ganz einfach:

An­scheinend bedeutet, dass es deut­lich so aus­sieht, als lägen Fakten vor. Wenn ich sage: „An­scheinend hat dein Auto eine Beule“, dann meine ich, dass es für mich so aus­sieht, als habe dein Auto eine Beule. Ich habe den Ein­druck, es kommt mir so vor, allem An­schein nach –  an­scheinend  – ist es so.

Schein­bar ist aber etwas ganz anderes. Etwas gibt sich dann ledig­lich den An­schein, ist aber in Wirk­lich­keit ganz anders. Wenn ich sage: „Dein Auto hat schein­bar eine Beule“, dann weiß ich genau, dass es keine Beule hat – es sieht eben nur so aus, es scheint nur so, es macht fälsch­licher­weise den Eindruck, als sei es so.

Das kann im Ernst­fall von immenser Be­deutung sein. 

Wenn ich sage: „An­scheinend be­trügt dich deine Frau“, dann äußere ich den Ver­dacht, dass deine Frau fremd­geht. Nach allem, was ich ge­sehen und ge­hört habe, nach Lage der Dinge, scheint es so zu sein, die Be­weis­last ist er­drückend. Such dir was Neues.

Sage ich aber: „Schein­bar be­trügt dich deine Frau“, dann teile ich dir mit, dass mich und/oder dich der Schein trügt und dass sie dir in Wirk­lich­keit ver­mut­lich treu er­geben ist. Der An­schein hat sich nicht be­stätigt. Man würde den Satz ver­mutlich deut­licher for­mu­lieren: „Deine Frau be­trügt dich nur schein­bar". Sie tut nur so (warum auch immer). Alles wird gut.

So betrachtet ist es die Sache doch wert, erst ein­mal das richtige Wort zu wählen und dann erst über Schein oder An­schein zu sprechen. Zu­mindest be­wahrt es alle Be­teilig­ten vor Miss­ver­ständ­nissen.


 

Wir sind das Volk!

Feb. 2016

Diese Parole, die einst Deutsch­land ge­eint hat, wird neuer­dings vom rechten Pöbel skandiert. Da­zu sage ich deut­lich: Nein, seid ihr nicht!

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Das Volk – das sind die anderen, die für Frei­heit und Gleich­be­rechti­gung aller Menschen ein­treten, und nicht für ihr eigenes eng­stirniges Welt­bild, in dem alles Fremde an­ge­zündet oder zu­rück­ge­schickt ge­hört, in dem ein Leben nichts gilt und die Volks­zu­ge­hörig­keit alles, in dem ein Araber oder ein­fach jeder Muslim von vorne­herein unter General­ver­dacht steht. 

Was habt ihr eigent­lich gegen Syrer, die durch Kriegs­elend und Ver­folgung dazu ge­nötigt wurden, ihre Hei­mat zu ver­lassen? Glaubt ihr wirk­lich, die kommen nur hier­her, um ein biss­chen Taschen­geld ab­zu­greifen und unsere Frauen und Töchter zu schwängern? Die­jenigen, die sich die be­schwer­liche und lebens­ge­fährliche An­reise leisten konnten und dabei oft­mals engste Fa­milien­an­ge­hörige ver­loren, sie ge­hörten früher zur Mittel­schicht ihres Landes, und sie hatten in ihrer Heimat ein gutes Leben und viele Kollegen, Freunde und Ver­wandte, die sie zu­rück­lassen mussten – und eine jahr­hun­derte­alte Kultur. Das tut nie­mand frei­willig. Aber täg­licher Bomben­hagel kann das be­wirken.

Und hier empfangt ihr sie mit ge­ballten Fäusten und Molo­tow­cock­tails, mit brennenden Fackeln und Scheiß­haus­parolen. Ihr seid wirklich das Salz der Erde, das Licht der Welt, barm­herzige Christen!

Natürlich gibt es in jedem Fass ein paar faule Äpfel (solche wie ihr), aber das be­deutet doch nicht, dass diese Flücht­linge alle­samt un­wert sind, grund­sätzlich schlecht, parasitär und in unsere Ge­sell­schaft nicht zu inte­grieren. Be­denkt, dass auch eure Vor­fahren vor langer Zeit ein­mal in dieses Land ein­ge­wandert sind. Letzten­endes stammen wir doch alle aus Afrika – ja, auch ihr. In­formiert euch ge­fälligst!

Nix für ungut, aber wenn ihr das Volk seid, dann möchte ich nicht da­zu­ge­hören. Mein Volk hat aus den zahl­reichen Fehlern der Ver­gangen­heit ge­lernt, ist ge­läutert, welt­offen und gast­freundlich. 

Ich kann nur wieder­holen: Ich bin nicht Charlie Hebdo, ich bin kein Christ, kein Jude, kein Muslim: Ich bin ein Mensch. Und auch diese Flücht­linge sind in erster Linie genau das: Menschen. Be­handelt sie mensch­lich.


 

Textur?

Dez. 2015

Neuerdings haben sogar Kos­metika und Gour­met­produkte eine. Was ist das eigent­lich: Textur?

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Zuerst ist es mir bei der Kochsendung The Taste (Pro7SAT.1 Media AG) auf­ge­fallen: Neuer­dings sind die fach­kundigen Juroren ständig auf der Suche nach der ide­alen Textur. Ich kannte Textur bis vor Kurzem nur als Über­zug für 3D-Modelle in der Com­puter­grafik, oder all­ge­mein als Ober­flächen­struktur.

Was also ist die Textur beim Essen? Die Ober­flächen­struktur der Speisen­be­stand­teile? Das Krümelige der Krume, das Bröckelige des Brokkolis, das Pampige des Pürees? Mit­nichten. „Textur, Textur, ich sage nur: Textur!“ rief ein ob eines be­sonders ge­lunge­nen Pro­bier­löffels enthusias­mierter Sterne­koch be­schwörend in die bei­fall­nickende Runde. Es muss also etwas Außer­ge­wöhn­liches, Er­strebens­wertes, even­tuell so­gar leicht Eso­terisches, schwer Fass­bares sein.

Vielleicht kommen wir mit der Wein­kunde weiter. Hier wird mit Textur das Mund­gefühl (gerne auch Mouth Feeling) be­zeichnet und um­fasst alles, was man nor­maler­weise nicht mit Worten aus­drücken kann: Ge­schmack – oder sen­sorische Wahr­nehmung, um es be­deutender klingen zu lassen. Die Textur eines Weines kann sowohl 

samtig, voll, seidig, dicht, wuchtig, fleischig, cremig, fett, schmelzig oder tief­gründig, als auch leicht, trocken, knackig, vor­nehm, har­monisch oder duftig sein“. (Wikipedia)

Und 

„wenn die Worte aus­gehen oder die Fanta­sie fehlt, hört man auch von einer herr­lichen, grandi­osen, runden, aro­matischen oder einfach schönen Textur“. (ebd.)

Die Ana­logie zu anderen Gaumen­freuden ist nahe­liegend und nach­voll­zieh­bar. Wenn also der sternenbehängte Ober­mützen­träger Textur will, dann meint er ver­mutlich Ge­schmack und Mund­gefühl, ein sahniges Zer­laufen von Saucen, eine prickelnde Espuma, fein­schmelzende Schoko­lade. Aber warum er­klärt uns Nor­mal­ver­brauchern das niemand? Wo­her soll unser­einer das Fach­vokabu­lar kennen? Oder ... hat sich das nur einer von diesen Löffel­schwingern ad hoc aus­ge­dacht und alle anderen Mützen­träger plappern es jetzt nach? „Textur? Super­wort! Muss ich mir merken. Klingt ge­heimnis­voll.“ Mög­licher­weise eine heiße Spur.

Und jetzt taucht in der Wer­bung für Kos­metik­pro­dukte eben­falls auf einmal dieses Zauber­wort auf. Und wieder weiß keiner, was ge­meint ist. Der Ge­schmack wird's ja wohl nicht sein, ge­schweige denn das Mund­gefühl ... Schauen wir mal, was die Fach­welt zu sagen hat:

„Trage- und Applikations­komfort von Kosmetik-Produkten hängen sehr stark von der Textur ab. Ob cremig weich oder präzise, kräftig deckend oder natür­lich trans­parent - die wesent­lichen Eigen­schaften von Kos­metik­stiften werden durch deren Texturen be­stimmt“. (schwancosmetics) 

Das definiert zwar immer noch nicht, was Textur eigent­lich ist, aber ... so eine nebu­löse Vor­stellung be­kommt man schon davon. Mehr ist viel­leicht auch gar nicht be­ab­sichtigt in dieser Welt der An­deutungen und Ver­sprechungen, der Schön­heit und der ewigen Ju­gend. Applikations­komfort, Produkte, Cremig­keit, Präzision, Trans­parenz, Textur - das Voka­bular eines ent­fernten Parallel­uni­versums.

Zum Ab­schluss möchte ich noch weitere Texturen kurz streifen, die auch wieder aus Wiki­pedia ent­liehen sind: 

  • ein „musi­kalisches Muster durch An­ein­ander­reihen von Varia­tionen eines Motivs“
  • die „räum­liche An­ord­nung eines be­stimmten Ge­stein­ge­menges“
  • die „Ge­samt­heit der Orien­tierungen der Kristallite in einem viel­kristallinen Fest­körper“
  • das „polari­sations­mikro­skopische Er­scheinungs­bild einer Meso­phase von Flüssig­kristallen, vor­zugs­weise zwischen ge­kreuzten Polari­sa­toren“
  • der „inter­natio­nale Be­griff für die Zu­sammen­setzung des Fein­bodens nach der Korn­größen­verteilung“.

Welch ein viel­seitiges Wort! Die ganze Welt be­steht aus Texturen. Ist das nicht toll? Ich muss jetzt wieder in die Küche: die Textur meiner To­maten­sauce muss noch ver­bessert werden. Apro­pos Nudeln – auch matschig ist eine Textur. Mahlzeit!


 

Liebe Terrorismusexperten, ...

Nov. 2015

... liebe Sensations­journalisten, an­läss­lich der Morde am 13. No­vem­ber 2015 in Paris: Haltet doch, bitte, ein­fach mal die redens­artliche* Fresse! 

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Es wird sich nichts bessern dadurch, dass 10.000 Zeugen immer wieder schildern, wie schreck­lich das alles war. Wir können es uns auch so vor­stellen. Wir müssen das nicht 24/7 um die Ohren ge­schlagen be­kommen. Wir haben es auch beim ersten Mal ver­standen.

Könnt ihr euch nicht vorstellen, dass ihr genau denen dient, denen euer ganzer Ab­scheu gilt? Dass ge­rade das Ver­breiten eurer so­ge­nannten Informationen genau den Zielen dient, die die Gegner unserer Kultur, unserer Staats­form, unseres Lebens­stils, unseres Glaubens ver­folgen? Da wird analy­siert, kommen­tiert, gemeint, ge­mut­maßt, orakelt, und alle tanzen sie um das Goldene Kalb: die Quote. 

In Wahr­heit schürt ihr damit Hass – und be­richtet dann wieder von brennenden Asylen, en détail, in High De­fi­nition und zur besten Sende­zeit. Auch ihr schafft ein Klima von Angst und Schrecken, auch das ist eine Form von Ter­roris­mus. Das hat nichts mehr mit Presse­frei­heit zu tun.

Und damit meine ich nicht nur die Vertreter unserer privaten Fernseh­sender samt ihren Nach­richten­kanälen. Auch die Öffentlich-Recht­lichen von Funk und Fern­sehen scheinen der An­sicht zu sein, sie müssten uns mit allen Einzel­heiten ver­sorgen, koste es, was es wolle, zu jeder Zeit, an jedem Ort und ohne jeden Respekt. Alle suhlen sich be­haglich in schauer­lichen Fakten, plastischen Schil­derungen, ver­wackelten Handy-Videos, Vor-Ort-Repor­tagen und tränen­reichen Zeugen­aus­sagen. Wozu?

Ich will das nicht. Gebt dem Terror keine Plattform! Berichtet objektiv und in an­ge­messener Kürze über die Fakten und werft Speku­lationen, Kommen­tare und Hinter­grund­be­richte auf den Müll. Be­richtet erst dann über Er­gebnisse, wenn sie vor­liegen. Das wäre für mich engagierter Jour­na­lis­mus. Das brächte den Tätern und deren An­stiftern die Auf­merk­sam­keit ent­gegen, die sie verdienen: Keine.

Ich bin nicht Charlie Hebdo, ich bin kein Christ, kein Jude, kein Muslim: Ich bin ein Mensch. Die Opfer des 13. No­vember waren Menschen. Ihre Hinter­bliebe­nen sind Menschen. Gebt ihnen, was sie am meisten brauchen: Ruhe und Würde.


*„ Wenn man keine Ahnung hat: einfach mal Fresse halten.“ (Dieter Nuhr)

Schein-Englisch

Sep. 2015
bis heute*

Den Bodybag umgeschnallt, rein in den Old­timer und ab zum Public Viewing. Aber vorher noch zum Drive-in, man will ja nicht vor lauter Hunger das Happy End ver­passen.

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Da haben wir ja gleich fünf Pracht­exem­plare der Kate­gorie Schein­anglizis­mus im Teaser (nein, das ist keiner). Diese Spezies ist in letzter Zeit in der deutschen Sprache immer häufi­ger an­zu­treffen. Es wur­den und wer­den teil­weise auf Biegen und Brechen aus be­kannten Ver­satz­stücken haar­sträuben­de neue Wörter zu­sammen­ge­bastelt.

Grundsätzlich kann man zwei Sorten von Schein­anglizis­men unter­scheiden: Solche, die es tat­säch­lich in der eng­lischen Sprache gibt, dort aber etwas an­deres be­deuten; und solche, die dort gar nicht be­kannt sind. Stets scheint aber, wie ich meine, bei deren Ent­stehung eine ge­wisses Quänt­chen an Igno­ranz im Spiel ge­wesen zu sein. Ich will jetzt gar nicht mit dem Handy an­fangen. Dieses Thema wurde be­reits andernorts ein­gehend be­handelt. Aber es ist eben bei Wei­tem nicht der ein­zige bi­lingu­ale Irr­läufer, der zu be­klagen ist.

Starten wir also zu­nächst mit der ersten Sorte, den Wörtern, die im Eng­lischen eine andere Be­deutung haben:

  • Der Bodybag: Im Deutschen die Be­zeich­nung für eine Art Um­hänge­tasche, im Eng­lischen ein Leichen­sack. Die vor­ge­nannte Tasche heißt übri­gens richtig messenger bag.
     
  • Das Public Viewing: Wird in Deutschland gerne auch Rudel­glotzen ge­nannt und regel­mäßig bei Fuß­ball­groß­er­eig­nissen ver­an­staltet, kennt der des Eng­lischen Mächtige als öffentliche Aufbahrung eines Leich­nams. Der richtige Aus­druck wäre public screening. Wer also mit dem Body­bag zum Public Viewing geht, liegt gar nicht mal so da­neben ...
     
  • Der Oldtimer: Im Deutschen ein über dreißig Jahre altes Auto, im Eng­lischen ein alter Mann. Der korrekte Aus­druck ist vintage car oder classic car. Genau so sollten sol­che Fahr­zeuge auch im Deut­schen heißen: Klassi­sche Auto­mo­bile (und bitte auch nicht Schnauferl).
     
  • Der oder das Drive-in: Im Deutschen ein Geschäft mit Auto­schalter, das der Ameri­kaner viel richtiger als drive-thru, be­zeich­net, weil man ja hin­durch (through) fährt und nicht hinein (in). Ein Drive-in ist ein Auto­kino – da fährt man ja auch tat­säch­lich hinein
     
  • Der Smoking: Als Abend­anzug mit seidenen Revers kennt ihn der Deutsche. Auf englisch heißt smoking schlicht Rauchen (no smoking = Rauchen verboten). Der Ami sagt tuxedo zu seinem Smoking, während der Eng­länder vom dinner jacket oder dinner suit spricht.
     
  • Der Streetworker: Sozialarbeiter, der in sozialen Brenn­punkten auf der Straße arbeitet. Der Eng­länder nennt seine Straßen­prostitu­ierten street­worker (to work the streets = auf den Strich gehen). Was wir meinen heißt social (street) worker – vive la différence!
     
  • Das Speedboot: Die Formel 1 unter den Motor­booten. Aber nur bei uns. Im englisch­sprachigen Raum zieht man mit speedboats Wasser­ski­fahrer oder dreht mal eine flotte Runde über den See. Aber die mit bis zu 260km/h richtig schnellen Renn­maschinen heißen dort power boat.
     
  • Der Beamer: So bezeichnet man hier­zu­lande einen Video­projektor, der folge­richtig auf englisch video pro­jec­tor oder digi­tal pro­jec­tor heißt. Beamer oder Beemer sagt der Nord­ameri­kaner zu seinem BMW, um sich das um­ständ­liche Bie-Emm-Dabbeljuh zu er­sparen. Der Brite hin­gegen kennt den Beamer (auch beam ball) als einen un­erlaubten Wurf im Cricket.
     
  • Das No-Go: Ein Verbot oder Tabu. Die auch schon ziemlich bescheuerte Formulierung „Das geht gar nicht“ wurde mal eben flugs ver­deng­lischt zu „das ist ein ab­so­lutes No-Go“. Der Ameri­kaner nennt so etwas ein no-no. „This is no-go“ heißt hin­ge­gen „Das funktio­niert nicht“, wobei no-go ein Adjektiv ist. Es ent­stammt dem Astro­nauten­jargon, wo es unter anderem die beiden Begriffe go (intakt) und no-go (kaputt) gibt.
     
  • Der Slip: Eine meist knapp geschnittene Unter­hose – wahr­schein­lich aus dem Schlüpfer (to slip = schlüpfen) ent­stan­den. Im Eng­lischen be­zeich­net slip ein Unter­kleid, wäh­rend unser Slip dort als briefs be­kannt ist.
     
  • Der Overall: Arbeitsanzug, den man über die normale Be­kleidung zieht, auf englisch aber ein Arbeits­mantel. Der richtige Begriff ist overalls, coverall oder jump suit.
     
  • Das Shooting: Ist bei uns ein Fototermin, bei dem meistens Mode-Auf­nahmen ge­macht werden. Auf englisch heißt das photo shoot. Shooting ist in englisch­sprachigen Ländern eine Schießerei!
     
  • Der Body: Ein einteiliges Kleidungsstück, über­wiegend von Frauen ge­tragen, sieht man auch schon mal beim Shooting. Der Brite/Amerikaner sagt dazu body suit. Body heißt einfach Körper, oder auch Leiche – das passt dann wieder zum Shooting...
     
  • Der Evergreen: Bei uns ein Hit aus vergangenen Tagen, den auch heute noch jeder kennt. Im Eng­lischen ist ever­green – zu­mindest in den meisten Fällen – eine Koni­fere (ein Nadel­baum). Wer beim DJ jedoch Golden Oldies be­stellt, der be­kommt das Ge­wünschte.
     
  • Der Backshop: Bei uns ein Großverramscher von Billigst-Back­waren der untersten Quali­täts­kate­gorie. Ein des Eng­lischen mäch­tiger Kunde wird sich hin­gegen ver­wundert die Augen reiben: Mit backshop be­zeich­nen anglo­phone Schwule den dark room, wenn er (noch) be­leuch­tet ist. Auch eine klei­nere Re­para­tur­werk­statt kann ein backshop sein.
     
  • Der Shootingstar: Bezeichnet jemanden, der die Karriere­leiter be­sonders schnell empor eilt. Da­bei ist ein shooting star eigent­lich eine Stern­schnuppe, und die steigt be­kannt­lich nicht, sondern fällt und ver­glüht. Was wir meinen, ist ein rising star.
     
  • Der Slipper: Ein Schuh ohne Schnürsenkel, in den man ein­fach hinein­schlüpft. Der eng­lische Aus­druck da­zu ist kom­plizier­ter: slip-on shoe. Der eng­lische slipper ist ein Haus­schuh.
     
  • Das Mobbing: Einen Arbeitskollegen ständig schikanieren, quälen, ver­letzen. Das heißt in anglo­phonen Ge­gen­den bullying. Das eng­lische mobbing gibt es nur in der Tier­welt und heißt auf deutsch »Hassen«: Durch Hassen machen sich Art­ge­nossen gegen­seitig auf einen an­wesen­den Raub­feind und dessen Auf­ent­halts­ort auf­merk­sam. Häufig zu be­ob­achten sind Alarm­rufe, Schein­angriffe, ge­zieltes Er­brechen und Kot­spritzen – ge­nau wie im rich­tigen Leben!
     
  • Die Wallbox: Eine an die Wand geschraubte Lade­station für Elektro­auto­mobile. Dem Eng­länder eher be­kannt unter dem Namen wall-connector. Eine wallbox ist ein ein­gemauerter Brief­kasten.

Und nun zur zweiten Sorte, den komplett er­fundenen Schein­anglizis­men (wer denkt sich bloß so einen Mist aus?):

  • Das Happy End: Würde der Engländer als Fehler einstufen, da es happy ending heißt. War dem Deutschen wahr­schein­lich zu lang und zu kom­pliziert.
     
  • Der Pullunder: Kurzärmlig wie eine Weste, aber ohne Knöpfe, meist unter dem Sakko ge­tragen. Bei Hans-Dietrich Genscher immer gelb. Meist „Polunder“ aus­ge­sprochen, wie Ho­lunder – keinesfalls jedoch „Pulander“. Heißt auf englisch sweater vest. Ein englisches Wort pullunder gibt es nicht. Übrigens ist auch der Pullover nur im deutschen und romanischen Sprachgebiet bekannt – in England heißt er meistens jumper, in Amerika sweater.
     
  • Der Discounter: Der Supermarkt mit dem einfachen Sorti­ment und den niedrigen Preisen. Kommt von englisch discount = Rabatt. Das Äqui­valent heißt aber discount store.
     
  • Der Hometrainer: Übungsgerät für den Haus­ge­brauch zum Er­werb und zur Be­wah­rung von Fit­ness. Auf eng­lisch spricht man von einem exercise bicycle. Von einem home­trainer hat der Engländer noch nie gehört.
     
  • Das oder die Basecap: Kappe mit großem Schirm, zunächst bei Base­ball­spielern be­liebt, später (leider) bei jeder­mann. Heißt auf eng­lisch auch völlig korrekt baseballcap, was aber der deutschen Zunge anscheinend nicht zumutbar ist.
     
  • Der Messie: Jemand, der Sachen an­häuft und nichts weg­werfen kann. Das Adjektiv messy (un­ordent­lich, chaotisch) ist in anglo­phonen Ländern be­kannt, der Messie aber nicht. Dort nennt man ihn compulsive hoarder.
     
  • Der Talkmaster: Leitet bei uns eine Talk­show. Des­halb heißt er im Eng­lischen auch talk show host oder auch chat show host. Der Gast­geber einer Talk­show. Einen – wie auch immer ge­arteten – talk­master (Sprechmeister) gibt es in der eng­lischen Sprache nicht.
     
  • Die Standing Ovations: Wieso gleich mehrere? In anglo­phonen Ge­bieten reicht eine: standing ovation. Ist dem Deutschen wohl zu wenig.
     
  • Der Dressman: Führt bei uns modische Kleidung vor. Kennt man in England, USA und Kanada als male model.
     
  • Die Beauty Farm: Der Jungbrunnen für betuchte ältere Damen und solche, die es werden wollen. Ist native speakers unter dem Namen spa be­kannt.
     
  • Die Castingshow: Show in der man (bestenfalls) Geld, aber keinen Ruhm ernten kann. Ver­ständ­licher wäre talent show.
     
  • Der Service Point: Ort, an dem man von übel­ge­launten Service­kräften un­genaue Aus­künfte be­kommt. Heißt außer­halb Deutsch­lands information desk.
     
  • Der Twen: Junger Mensch über zwanzig. Gibt's im Eng­lischen nicht. Wurde von der Werbe­branche er­funden. In etwa ent­sprechend: person in their twenties.
     
  • Das Peeling: Kosmetisches Produkt zum Entfernen der oberen Haut­schicht. Mutter­sprachler nennen so etwas je nach An­wen­dung face scrub oder body scrub.
     
  • Flips: Extrudierter Mais-Snack mit Erdnussaroma. Ein flip ist eigentlich etwas Hoch­geworfenes, das sich in der Luft dreht – also bei­spiels­weise eine Münze oder ein Sport­ler beim Salto. Für unsere Erd­nuss­flips gibt es keinen Be­griff, höchstens eine Um­schrei­bung: corn puff snack
     

Schließlich gibt es noch Ausdrücke, die dem Englischen entlehnt sind – aber leider wortwörtlich, und deshalb falsch:

  • realisieren: Das englische to realise bedeutet erkennen, merken, begreifen. In diesem Sinn wird es auch gerne fälsch­lich im Deutschen be­nutzt. Etwas realisieren be­deutet aber eigent­lich, dass man etwas ver­wirk­licht, etwas in die Tat um­setzt. Realisieren und to realise sind falsche Freunde (false friends).
     
  • kontrollieren: Früher hat der Schaffner die Fahrkarte kon­trolliert: Er hat ge­schaut, ob sie gültig ist und bei Be­darf mit seiner Zange ge­locht. Diese ursprüngliche Be­deutung von kon­trollieren scheint fast in Ver­gessen­heit ge­raten zu sein. Mittler­weile kon­trollieren Armeen Ge­biete, Auf­sichts­gremien kon­trollieren Fern­seh­sender, der Bun­des­tag kon­trolliert die Bundes­wehr. Wenn ich so et­was höre, stelle ich mir immer den Mann mit der roten Schirm­mütze vor: „Die Fahr­karten, bitte“ ... Natür­lich sind auch hier wieder fal­sche Freunde schuld: kon­trollieren ≠ to control. Im Deutschen gibt es leider nur den etwas sperrigen Be­griff „die Kon­trolle über et­was oder je­man­den haben“, in man­chen Fällen reicht auch beherrschen aus.
     
  • Herzattacke: Die englische heart attack heißt auf deutsch Myokardinfarkt oder einfach Herzinfarkt. Zu klären bliebe auch noch, wer hier wen an­greift, bzw. attackiert.
     
  • Sinn machen: Falsche Freunde, wohin man auch schaut! Das englische to make bedeutet in den seltensten Fällen machen, genau wie auch sense nicht genau Sinn bedeutet. Deshalb ergibt „Sinn machen“ (to make sense) auch keinen Sinn. Näheres dazu kann man hier finden.

Man sollte sich stets auf dem Laufenden halten. Die ersten paar Monate nach dem ersten Er­scheinen darf man sol­che Schein­anglizis­men gerne mal hie und da fallen lassen. Wenn sich's dann aber herum­ge­sprochen hat, das mit dem falschen Schein, dann sollte man schon wieder ab­ge­sprungen sein, sonst ist das ein ab­so­lutes No-Go.


Dank an Dana Newman (WantedAdventure) und Paul Joyce (Paul Joyce German Course) für einige Ergänzungen. Diese Liste wird ständig weiter vervollständigt.

Pari-pari unentschieden

Mai 2015

Für unentschieden gibt es sinnvolle und sinnfreie Um­schreibungen.

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Neulich hat so ein Fernsehmoderator mal wieder seine Formulierungs­kunst unter Be­weis stellen wollen, in­dem er ein für beide Parteien gleich gutes oder schlechtes Er­geb­nis als „pari-pari un­ent­schieden“ be­zeich­nete. Vor so viel Krea­tivität ziehe ich meinen Hut!

Der Duden kennt pari stehen, was soviel wie Gleich­stand heißt. Er kennt auch remis, das er so de­finiert: „Im Gleich­stand, patt; (Sport) punkt­gleich, un­ent­schieden“.

Was meinte unser Fernsehfuzzi also wohl mit pari-pari unentschieden? Ist das jetzt noch gleicher als gleich – so­zu­sagen drei­mal gleich? Ich ver­mute, dem Sprecher er­schien von irgend­wo­her ein Fifty-fifty, das er dann, nicht im­stande diesen geistigen Furz ein­zu­halten, blitz­schnell der Situation an­passte und par-pari daraus er­schuf. Diese Auf­doppelung hatten wir ja schon ein­mal bei der Mund-zu-Mund-Propaganda, und auch dort traf sie irgend­wie nicht so recht den Kern. Und weil der Herr Mo­derator uns alle für blöde hält und meint, wir wüssten nicht, was pari heißt, hängt er an seine Neu­schöpfung gleich­sam als er­klärende Über­setzung auch noch un­ent­schieden an: Pari-pari un­ent­schieden. Typi­sches Fern­seh-Blabla, das sich wohl früher oder später im Wort­schatz seiner Mo­dera­toren- und Jour­nalisten­kollegen und leider sicher auch in dem der Zu­schauer wieder­finden wird.

Fassen wir zu­sammen: Pari-pari gibt es nicht. Für unentschieden gibt es je­doch eine riesige Aus­wahl an Syno­nymen. Da muss wirk­lich nichts Neues mehr er­funden werden!


 Nachtrag im Dezember 2018: Wie recht ich doch hatte: »pari-pari« (ohne das unentschieden) hat sich tatsächlich unter Fern­seh­schaffen­den ver­breitet.

Stundenkilometer?

Jan. 2015

Der Stundenkilometer ist in aller Munde, denn er zer­geht auf der Zunge, er flutscht so schön raus. Kilometer pro Stunde hat nur eine Silbe mehr, aber es fühlt sich sperrig an, die Gaumen­aus­kleidung ist un­be­friedigend. Was also spricht gegen das leckere Neu­wort? 

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Ich möchte hier gerne einmal zitieren, was ein von mir sehr ge­schätzter Sprach­wissen­schaftler, nämlich Daniel Scholten in seinem hoch­interessanten Blog zu diesem Thema zu sagen hat:
Zurück zu den Stundenkilometern. Herr, laß Hirne regnen! Das hat mein Phy­sik­lehrer immer zu mir gesagt. Na­tür­lich be­zeich­net auch die­ses De­ter­minativ­kompo­situm einen Quoti­enten: Kilo­meter in Be­zug auf die Stun­de, denn das n ist keine Plu­ral­endung, son­dern ein Fugen­ele­ment. Stun­den­kilo­meter sind also Kilo­meter pro Stunde.

Einigen wir uns zunächst darauf, dass es sich bei dem Begriff Kilometer pro Stunde um eine physi­kalische Ein­heit handelt. Es ist die Ein­heit der Ge­schwindig­keit, ein Quotient aus Weg und Zeit. Da die Kilo­meter im Zähler und die Stunden im Nenner stehen, schreibt man ge­mein­hin km/h, wobei der Schräg­strich das Divisions­zeichen des Bruches darstellt und geteilt durch oder pro aus­ge­sprochen wird. Einigen wir uns ferner darauf, dass man das Pro­dukt a·b in der Mathe­matik auch als ab be­zeichnen darf, und dazu dann auch Ahbeh sagt.

Deshalb darf man zur Ein­heit der Arbeit statt Watt mal Sekunde auch Watt­sekunde (Ws) sagen. Eine andere Ein­heit für Arbeit ist Nm, New­ton mal Meter, also Newton­meter. Genau­so verhält es sich mit der Ampère­stunde (Ah), der Ein­heit für die elek­trische Ladung, also z.B. für die Kapa­zität von Akkus. Das Licht­jahr wäre auch noch zu nennen, eine Ein­heit für sehr große Ent­fer­nungen. Ein Licht­jahr ist das Pro­dukt aus Licht­geschwin­dig­keit (300.000 km/s) und einem Jahr (ca. 31.500.000s), also ungefähr 9,5 Billi­onen Kilo­meter.

Was ist dann also ein Stunden­kilometer? Aus dem Vor­ge­nannten folgt, dass es die Einheit hkm, also Stunden mal Kilo­meter sein muss. Das hat nichts mit Sprach­wissen­schaften, sondern aus­schließ­lich mit Natur­wissen­schaften zu tun. Einen Aus­druck Kilometer in Bezug auf die Stunde, den unser Sprach­wissen­schaftler hier so nebu­lös kon­struiert, gibt es nicht, oder sagen wir's ganz deut­lich: er ist ab­soluter Quatsch! Egal, ob das n ein Fugen-n oder eine Plural­endung ist: da­durch wird es ledig­lich Quatsch mit Soße. 

Der Autor blödelt dann noch etwas herum, dass ein Reihen­haus schließ­lich nicht das Pro­dukt aus Reihen und Häusern sei, sondern ein Quotient, „von allen Häusern nur die, die in Reihe stehen“. Außer­dem be­zeich­neten Sonnen­tage schließ­lich nicht das Pro­dukt aus Sonne(n) und Tagen, „sondern Tage mit Sonnen­schein“. 

Ge­mäß dieser Logik wären also Stunden­kilo­meter ent­weder „Kilo­meter mit Stunden“ oder „von allen Kilo­metern nur die, die ...“, ach was, lassen wir's ein­fach. Das geht auch völlig am Thema vor­bei: Reihen­haus und Sonnen­tag sind keine physi­kali­schen Ein­heiten. Herr, schmeiß Hirn. In der Tat!

Physikalische Einheiten stehen nicht zur Dis­position. Sie können nicht in be­liebiger Weise durch Sprach- oder andere Wissen­schaftler so lange hin und her ge­bogen werden, bis sie ein sprach­liches oder sonstiges Phäno­men er­klären können. Man kann aus einem Kilo­meter pro Stunde keinen Stunden­kilometer machen. Ebenso­wenig kann man aus einer Kilo­watt­stunde (KWh) ein Kilo­watt pro Stunde machen, wie es manche Zeit­ge­nossen gerne hyper­korrigieren. 

Nichts für ungut, Herr Scholten, aber ich sage klipp und klar: Der Stunden­kilo­meter ist hirn­loses Dumm­deutsch. Im privaten Kreis kann man das schon ein­mal durch­gehen lassen; jeder darf schließ­lich so sprechen, wie es seinen Fähig­keiten und Nei­gun­gen ent­spricht. In öffent­lich zu­gänglichen Medien wie Radio, Fern­sehen, Print und Inter­net, hat der Stun­den­kilo­meter hin­gegen ab­solut gar nichts zu suchen.


 

Tiernahrung

Nov. 2014

Ist Ihnen schon aufgefallen, dass aus dem guten alten Tier­futter plötzlich Tier­nahrung ge­worden ist?

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Die Baumarktkette Praktiker ist schon fast in Vergessenheit geraten. Nur nicht ihr Slogan „15% auf alles, außer Tier­nahrung“. Hatten Sie vorher schon ein­mal das Wort Tier­nahrung ge­hört? Ver­mut­lich nicht.

Dennoch ist sie heute gewissermaßen in aller Munde. Vorbei die Zeiten, als es im Super­markt noch Regale mit Hunde­futter, Katzen­futter oder all­gemein Tier­futter gab. Tiere werden heut­zu­tage nicht mehr ge­füttert, sondern er­nährt! Das geht ver­mutlich mit dem grassierenden Gesund­heits­wahn einher, der allent­halben herrscht. Man muss mehr auf die Ernährung achten, schallt es aus sämtlichen Rund­funk- und Fern­seh­kanälen, raschelt es aus dem Blätter­wald. Bei der richtigen Er­näh­rung ist selbst­verständ­lich auch die richtige Nah­rung von äußerster Wich­tig­keit. Und zwar nicht nur beim Menschen, sondern auch beim ver­götterten Haus­tier.

Kamen früher nur Fleisch und Innereien ins Hunde­futter, über­wiegend Teile, die von Menschen nur un­gern ver­zehrt werden, so findet man heute wert­volles Ge­treide und feinstes Ge­müse, sowie Vit­amine und Spuren­elemente darin. Der Her­steller freut sich, weil pflanz­liche Zu­sätze schön billig sind, das Herr­chen wundert sich, woher der Hund plötz­lich die Flatulenz hat. Hat ihm denn noch nie jemand gesagt, dass Hunde und Katzen nicht in der Lage sind, Pflanzen­fasern zu ver­dauen? Die Folge: es gärt im Gedärm. 

Und die Pharmaindustrie verdient auch gerne mit bei diesem Paradigmenwechsel. Jetzt brauchen nicht nur gesunde, kranke, junge, alte, sportliche und un­sport­liche Menschen genau ab­gestimmte Nahrungs­zusätze, so­genannte Nahrungs­ergänzungs­mittel (was für ein teutonischer Koloss), sondern auch das liebe Vieh. In den schlechten alten Zeiten sind ver­mutlich tag­täglich aber­tausende von Haus­tieren elendig an Mangel­er­nährung ein­ge­gangen. Ein drei­fach Hoch auf die Vitamin­panscher!

Randerscheinung des Ganzen ist, dass die Viecher auch noch schlechte Zähne be­kommen, was bei reiner Fleisch­er­nährung nicht der Fall zu sein scheint. Schon ist die Zu­behör­sparte mit Kau­knochen zur Stelle, die an­geblich die Zähne re­minerali­sieren und auch noch gegen schlechten Mund­geruch wirken sollen. Bei Zahn­fäule hilft das aber auch nicht.

Jetzt werden natürlich einige ganz Schlaue ein­wenden: früher auf dem Bauern­hof, da haben die Hunde be­kommen, was vom Tisch abfiel. Nicht nur Fleisch, sondern auch Kar­toffeln und Ge­müse, die Ab­fälle eben. Da­gegen ist zu­nächst ein­mal nichts ein­zu­wenden. Aber der Hof­hund auf dem Bauern­hof befindet sich normaler­weise auf dem Hof und nicht im Haus. Da fällt es nicht weiter auf, wenn er hinten- und vorn­herum ein wenig streng müffelt. Im Hause möchte ich so eine Bio­gas­anlage aber nicht so gerne haben.

Also: Vergesst die Tiernahrung, gebt euren Tieren wieder Futter, dann klappt's auch wieder mit dem Raum­klima. 


 

Teilen

Aug. 2014

Brauchen auch Sie stets das neueste Smart-Phone und die aktuellsten Apps, um Ihre Bilder und Film­chen noch besser und schneller mit Ihren Freunden teilen zu können?

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Beim Wort teilen sträuben sich mir in letzter Zeit die Nackenhaare. Jeder will plötzlich mit jedem und überall alles teilen. Woher kommt diese neuartige Selbst­losigkeit? Wenn ich etwas mit jemandem teile, dann gehört ein Teil dessen, was bis dahin allein mir gehörte jetzt ihm, und mir fehlt es. Das ist der Sinn von teilen: „If I give my heart to you, I’ll have none and you’ll have two*“, wie schon Paul Hogan alias Crocodile Dundee wusste. 

Natürlich ist da mal wieder ein Wort aus Amerika herübergeschwappt: to share. Dieses wurde nun etwas un­geschickt mit teilen übersetzt und ist jetzt in aller Munde. Aber to share bedeutet etwas ganz anderes: Ich stelle etwas zur all­ge­meinen Ver­fügung, sodass viele andere es eben­falls haben können, sie können daran teil­haben, und (ganz wichtig): ich habe an­schließend nicht weniger als vorher. Wie könnte man das auf Deutsch mit einem Wort ausdrücken?

Gar nicht. Denn für to share (alle teilhaben lassen), to divide (unter mehreren aufteilen) und to split (unter zweien auf­teilen) gibt es im Deutschen als Einzel­wort nur teilen. Dennoch klingt es in meinen Ohren falsch, bemüht, hölzern und verkehrt übersetzt, es ver­kantet sich im Gehör­gang. Ein schönes Bild** da­zu: Moses steht mit hoch er­hobe­nem Foto-Handy und Wander­stab an der Meeres­küste. Unter­schrift: »Moses teilt das Meer«. Trifft den Nagel auf den Kopf.

Eine ganz andere Frage ist, warum plötz­lich alle alles mit allen teilen wollen. Früher hat man Freunde und Be­kannte schon mal mit dem Foto­album ge­lang­weilt, oder besser noch mit einem Dia­abend. Heute muss man alles was einem vor die Linse kommt so­fort mit der ganzen Welt teilen. Nicht etwa nur mit dem guten Freund (schau mal, was ich gestern ge­sehen habe), sondern mit allen Freunden und Followern in den immer zahl­reicheren sozialen Netz­werken. Und die freuen sich dann ein Loch in den Bauch über so viele tolle Bilder! 

Dass bei so massiver Infor­mations­aus­tauscherei auch gerne mal was Wichtiges liegen bleibt, wie zum Bei­spiel per­sön­liche Be­ziehungen, ver­steht sich wohl irgend­wie von selbst. Wichtig ist in diesem Falle dann ver­mutlich nur, dass ich der ganzen sozialen Ge­meinde vom Nieder­gang meiner Ehe, Partner­schaft oder Freund­schaft en detail berichte, damit alle meine Trauer teilen können. Denn: „Ge­teiltes Leid ist hal­bes Leid“, wie schon der Volks­mund zu be­richten nicht müde wird.

Diesen Gedanken wollte ich nur schnell mit Ihnen teilen. Interessiert Sie nicht? Nicht mein Problem. Teilen Sie's mit Ihren Freunden ...


* wenn ich dir mein Herz gebe, dann habe ich keines und du hast zwei
**das ich leider aus Copy­right­gründen hier nicht ver­öffent­lichen darf

Reife Leistung

Apr. 2014

Sie haben Abitur? Dann wissen Sie doch sicher, warum die Hoch­schul­reife bei uns „Abitur“ heißt und ein Neutrum ist, oder?

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Wer in Österreich, der Schweiz, in Liechtenstein oder Südtirol die allgemeine Hochschulreife erwirbt, der hat „Matura“ – von lateinisch maturus, „reif“. In Frank­reich erhält er das „baccalauréat“, auch kurz nur „bac“ genannt – das kommt von baca­laureus, dem ersten höheren Ab­schluss (lat. bacca laurea = Lorbeere). In englisch­sprachigen Ländern gibt es gar nichts Ent­sprechendes außer viel­leicht einem „degree“ – von lateinisch degradus, „Stufe“.

Bei uns in Deutschland ist es das Abitur. Warum eigentlich das Abitur? Die Fraktur, die Agentur, die Blessur, die Ligatur, alle sind weiblich, nur nicht das Abitur. Weil, ja weil es sich, genau wie beim Abi, um eine Abkürzung handelt. Das ganze Wort lautet eigentlich Abiturium (und ist somit ein Neutrum). Aber auch dieses ist wiederum (glaubt man Kluge*) eine Ab­kürzung, nämlich für Abiturienten-Examen. Der Abiturient ist dem­gemäß viel älter als das Abitur. Der Abiturient ist „einer, der weg­gehen will“, zu lateinisch abiturire, „weg­gehen wollen“, von abire „weg­gehen“, von ire „gehen“.

Und deshalb, liebe Duden-Redaktion und liebe Sprach­regulierer, sollte man das Abitur nicht A-bi-tur trennen, wie es die Neue Deutsche Recht­schreibung verlangt, sondern Ab-i-tur. Aber das sei nur ganz am Rande bemerkt.

Wer dann nach Abitur und Studium schließlich ein Diplom erhält, der bekommt wörtlich etwas Gefaltetes, von grie­chisch διπλοῦς (diplous), „zwei­fach, doppelt, ge­faltet“, für den ge­falteten und ge­siegelten offi­ziellen Brief, den man einst für seine Mühen be­kam. Heute gibt es ja lei­der nur noch Jung­ge­sellen und Meister – Ver­zeihung: Bachelors und Masters. Eigent­lich schade.

Hat man es gar bis zum Doktor geschafft, dann ist man eigentlich ein Lehrer, von lateinisch docere, „lehren“, welches sich auch im Dozenten wiederfindet. Wohingegen der Professor aus dem lateinischen profiteri, „laut und öffentlich erklären“, entlehnt ist.

Es behaupte also bitte niemand, das Studium der Alten Sprachen sei uninteressant oder gar sinnlos!


* Kluge Etymologisches Wörterbuch, 24. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin

Mixer-Durcheinander

Feb. 2014

In Kochshows wird in letzter Zeit fast jede Küchen­maschine als „Mixer“ be­zeichnet – Ver­such einer Be­griffs­klärung.

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Liebe Im-Fernsehen-aus-dem-Off-Dampfplauderer: Nicht jedes Küchenhelferlein, welches eine Schnur und einen Netz­stecker besitzt, ist ein Mixer. Folgende Zer­kleinerer (neu­deutsch auch Food­prozessor genannt) gibt es:
Die Universal-Küchenmaschine: Der Unimog unter den Küchengeräten. Besteht aus einem leistungs­fähigen Motor­block und ver­schiedenen An­schluss­möglich­keiten für Schnee­besen, Knet­haken, Durch­lauf­schnitzler, Fleisch­wolf sowie Mixer (siehe unter „Mixer“). Für fast alle an­fallenden Arbeiten in der Küche ein­setzbar. Ist selber kein Mixer!
Das Handrührgerät: Besteht aus einem nicht ganz so leistungsfähigen Motorblock mit einem Hand­griff, einstell­barer Ge­schwindig­keit und An­schlüssen für Schnee­besen und Knet­haken. Sein Ein­satz­gebiet ist das Her­stellen von Schlag­sahne, Ei­schnee, sowie leichten bis mittel­schweren Teigen. Kein Mixer!
Der Pürierstab: Auch als Passierstab bekannt, besteht aus einem grob zylinderförmigen Motor­block mit hoher Dreh­zahl, an dessen ver­längerter Welle sich ver­schiedene Messer­sterne oder Schlag­scheiben aufsetzen lassen. Seine Domäne ist das Arbeiten in Töpfen, z.B. zum Pürieren von Suppen, dem Be­seitigen von Klumpen in miss­glückten Saucen und ähn­lichem. Auch Schlag­sahne und Ei­schnee kann man damit herstellen; auf keinen Fall je­doch Kartoffel­püree – der ent­stehende Kleister ist un­genieß­bar. Kein Mixer!
Der Mixer: Ein feststehender Motorblock mit variabler Drehzahl, auf den oben ein Glas- bzw. Kunstoff­gefäß mit Griff und Aus­gießer, meist zwei­teiligem Deckel, sowie unten innen­liegendem Messer­stern, auf­gesetzt wird. Wird be­vor­zugt zum Her­stellen von Milch­mix­getränken (Shakes) sowie (mit ge­botener Vor­sicht) zum Pürieren von Suppen. Auch Mayonnaisen sind kein Problem, da das Öl lang­sam durch die Ein­füll­öffnung im Deckel zu­gegeben werden kann.
Also, ganz einfach zu merken: ein Mixer ist durchsichtig mit Griff und Ausgießer. Merken fürs nächste Mal! Ihr bezeichnet ja schließlich auch nicht Dreirad, Fahrrad und Moped als Auto, bloß weil man damit fahren kann.

 

Ich persönlich …

Jan. 2014

… finde das eigentlich ganz gut. Haben Sie das schon einmal gehört? Was könnte das be­deuten? Was sollte es be­deuten?

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Ich finde das gut. Das ist eine klare Aussage. Ich finde das eigentlich gut sollte eigentlich von einem aber gefolgt werden, wird es aber in den selten­sten Fällen. Ich finde das ganz gut schränkt gut nur ein bisschen ein, so wie früher die Kopf­note im Ganzen gut. Der Aus­druck eigentlich ganz gut be­deutet also im Klar­text: naja, geht so. Die meisten Sprecher solch ein­schränken­der Sätze meinen das aber gar nicht so. Sie meinen: Ich finde das gut, aber sie sagen etwas anderes.

Und dann: „Ich persönlich …“, „Ich für meinen Teil …“, „Wenn Sie mich fragen …“ - könnte man alles weg­lassen. Wo­zu dieses ständige Ge­schwurbel, diese Füll­wörter? Na ja ich will's mal so sagen: weil sie dem Hirn eine kurze Aus­zeit verschaffen um schnell weiter­formulieren zu können - Sende­pause so­zusagen. Weitere beliebte Modal­partikeln sind: schon, freilich, halt, eben, ja, aber, vielleicht, einfach, doch, bloß, nur, mal, mit denen man ja doch schon einfach mal eben ganze Sätze füllen kann, ohne ein Wort sagen zu müssen.

Gerne hebt z.B. Frau Dr. Merkel mit den Worten an: „Ich persönlich finde eigentlich …“, was absolut nichts zum Thema beiträgt. Aber das Hirn kann sich während­dessen schon mal mit anderen Dingen be­fassen, der Mund ist ja hin­reichend be­schäftigt. An­genehmer fände ich, wenn diese Füll­wörter­verwerter vor dem Sprechen nach­dächten und dann präziser formulierte Sätze von sich gäben. Viel­leicht schwiegen sie dann in dem einen oder anderen Fall sogar – kaum aus­zudenken.

Aber nicht nur Politiker sind von Schwurbe­litis be­fallen. Talk­shows sind wahre Horte ge­pflegter Wort­füllerei. „Also mir ist da ja mal folgen­des passiert …“, „Dazu muss ich dann aber etwas weiter aus­holen …“, „Naja, also, ich sehe das jetzt so …“. Über fünfzig Pro­zent Wort­hülsen­an­teil. Klingt nach Voll­korn, ist aber Wasser­suppe.

Apropos: Auch in Koch­shows habe ich schon ge­hört: „Das schmeckt ganz gut“ - ge­meint war: „Das schmeckt sehr gut“, oder wie es ein ge­wisser stei­rischer Sterne­koch gerne for­mu­liert: „Mmmmmh, lecker“. Das nenne ich eine klare Aus­sage.


 

Tragische Umstände

Aug. 2013

Warum wird eigentlich fast jeder Unglücks­fall von Presse, Funk und Fern­sehen als tragisch tituliert?

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Es ist ein heikles Thema, dem ich mich heute zuwende. Aber die Tageszeitungen, Nachrichten­journale und Inter­net­portale übertrumpfen sich ja förmlich mit tragischen Er­eignissen. Ich finde, es ist an der Zeit auch in diesem sensiblen Bereich einmal für Auf­klärung zu sorgen.

Wenn jemand mit seinem Fahrzeug verunglückt und dabei zu Schaden oder gar ums Leben kommt, dann ist das traurig. Wenn ein Kind im Frei­bad ertrinkt, weil niemand seinen Todes­kampf bemerkt, dann ist auch das traurig.

Um aus einem traurigen Ereignis ein tragisches Ereignis zu machen, bedarf es einer tragischen Verwicklung. Mein alter Deutschlehrer erklärte es einmal folgender­maßen: Wenn je­mand von der Klippe in den Tod stürzt, dann ist das traurig. Versucht aber jemand anders diesen Sturz zu ver­hindern und kommt dadurch seiner­seits zu Tode, dann ist das tragisch. Man spricht in solchen Fällen auch gerne von einer tragischen Ver­kettung von Um­ständen.

Befragen wir einmal Wikipedia zur „Tragödie“:

[...] Kennzeichnend für die Tragödie ist der schicksalhafte Konflikt der Hauptfigur. Ihre Situation verschlechtert sich ab dem Punkt, an dem die Kata­strophe eintritt. In diesem Fall bedeutet das Wort Kata­strophe nur die un­aus­weich­liche Ver­schlech­terung für den tragischen Helden. Aller­dings bedeutet diese Ver­schlech­terung nicht zwangs­läufig den Tod des Pro­tago­nisten. [...]

In unserem Beispiel bedeutet das für unseren Helden (Retter), dass sich seine Lage (Sturz) un­aus­weichlich ver­schlechtert (Exitus durch Auf­prall), wobei nicht unbedingt auch der Klippen­springer zu Schaden kommen muss. Mischt sich unser Held jedoch nicht ein, dann ist er kein Held, aus der Tragödie wird nichts, und der Vor­gang findet ein trauriges Ende.

Also, liebe Journalisten, Berichterstatter und Sensationsreporter: Greift nicht immer gleich zur großen Tragik-Keule; auch ohne sie ist schon alles traurig genug. 


 

Tagesschau24

Mai 2013

Ihr blendet doch gerne solche kurzen und knappen Nach­richten­schnipsel unter Euren Sendungen ein – Ihr solltet mal den Ver­ant­wort­lichen aus­wechseln.

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Der ehemals einsextra genannte Fernsehsender tagesschau24 beschäftigt offenbar einen des Deutschen nicht ganz mächtigen Redakteur für seinen Nach­richten­ticker. Ich will das hier nur einmal anhand dreier will­kürlich am 12.05.2013 um 01:15 Uhr heraus­ge­griffener Texte aufzeigen:
Rosberg in Barcelona auf Pole vor Hamilton und Vettel.

Was will mir dieses knappe Statement sagen? Es gibt in Barcelona einen Stadtteil, der Rosberg heißt? Glaube ich nicht. Vielleicht gibt es einen Herrn Rosberg, der in Barce­lona lebt und Pole ist? Nein, das ergibt auch keinen Sinn. Gut, ich gebe es zu, ich stelle mich hier ziemlich dumm. Natürlich habe ich schon einmal etwas von der Formel-1 gehört. Versuchen wir’s noch einmal: Ros­berg ist also vor Hamil­ton und Vettel in Barce­lona auf Pole. Auf Koks kenne ich, aber auf Pole ist mir neu. Sollte es sich also eventuell um die Pole­position handeln? Das ergäbe zu­mindest ansatz­weise Sinn. Formulieren wir also neu:

Formel-1: In der Qualifikation zum Großen Preis von Spanien er­rang Ros­berg die Pole­po­sition vor Hamilton und Vettel.

Zu lang? Das glaube ich nicht. Auf einem handelsüblichen 16:9-Fernseher passt diese Information locker in eine Zeile. Aber weiter mit der nächsten Mel­dung. Diese ist schon etwas länger, passt aber auch in eine Zeile:

Syrien-Konflikt: US-Außenminister Kerry sieht Be­weise für Chemie­waffen­ein­satz.

Im Ansatz schon besser. Einleitend weiß man also schon einmal, dass es um den Konflikt in Syrien geht. Aber dann: Kerry sieht Beweise. Ich stelle mir das gerade bildlich vor: Er steht vor einer langen Reihe von Tischen, auf denen die Be­weise ausgebreitet sind, er schreitet sie ab und sieht sie. Ich habe den Verdacht, dass ich mir hier ein falsches Bild mache. Gemeint war vermutlich:

Syrien-Konflikt: US-Außenminister Kerry hält Chemie­waffen­ein­satz für er­wiesen.

Das ist genauso lang, ist aber besser, weil richtiger formuliert. Bei dem sehen handelt es sich vermutlich um einen Angli­zis­mus bzw. Amerika­nis­mus, der sich klamm­heimlich in die deutsche Journa­listen-Sprache eingeschlichen hat. Ebenfalls knapp daneben ging folgende Aussage:

NSU-Morde: Türkischer Außenminister Davutoglu trifft An­ge­hörige der Opfer

... wahrscheinlich auch noch mitten ins Gesicht, oder? Vermutlich hat er sich mit ihnen getroffen, das klingt doch schon viel freund­licher (und auch fried­licher). Davon abgesehen finde ich den Ausdruck NSU-Morde grauenhaft. Mit NSU ver­binde ich, als Lieb­haber klassi­scher Auto­mo­bile, die 1969 in der Audi NSU Auto Union AG auf­ge­gangenen NSU-Motoren­werke in Neckar­sulm. Dass sich eine Neo­nazi-Gruppe der gleichen Ab­kürzung bedient ist in meinen Augen purer Frevel. Aber zugegeben: Neo­faschistische Mord­serie ist nicht so griffig wie NSU-Morde. Ganz am Rande sei noch be­merkt, dass der türkische Außen­minister Davutoğlu (Sohn des Davut/David) heißt; das „ğ“ wird nicht mitgesprochen. Man könnte also schreiben:

Neonazi-Mordserie: Türkischer Außenminister Davutoğlu trifft sich mit An­ge­hörigen der Opfer.

Liebe hochgeachtete und seriöse Tagesschau, achte doch bitte ein wenig mehr darauf, was Du uns Zu­schauern mit solchen acht­los dahin­ge­schluderten Text­chen zumutest. Zu­mindest sollte ein zweites Paar Augen hin­zu­ge­zogen werden, um zu ver­hindern, dass so ein Un­sinn auf Sen­dung geht. 


 

Beitragsservice

Apr. 2013

Die Gebühreneinzugszentrale (abgekürzt GEZ) wurde um­benannt in »ARD ZDF Deutsch­land­radio Bei­trags­service« (keine Ab­kürzung).

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Wenn ich das Wort Service höre bzw. lese, dann denke ich an Dienst­leistung. Je­mand bietet mir einen Service an, das heißt, er bietet mir an, einen Dienst zu er­bringen. Welchen Dienst bietet mir der ARD ZDF Deutsch­land­radio Beitrags­service an?
Sehr geehrter Herr Soltau,
Ihre Rundfunkgebühren sind am ... fällig.
Bitte zahlen Sie den Gesamtbetrag von
[um die fuffzich] Euro.
Vielen Dank.

Von Service keine Rede. Der selbe Text wie wei­land bei der GEZ. Bei der er­kannte man auch schon so­fort am Namen, worum es geht: Ge­bühren (sind fällig, zahlen!) Ein­zug (ein­ziehen, ein­treiben, her damit!) Zentrale (alles landet auf einem großen Haufen).

Heute macht den größten Teil des Namens das Deutsch­land­radio aus, das ver­mutlich weniger als 0,01 Pro­mille der deutschen Rund­funk­teilnehmer schon ein­mal ge­hört haben. Und der zweite größere Be­stand­teil ist der Bei­trags­service – der be­kannt­lich keiner ist, da mir ja schließ­lich keine Dienst­leistung an­ge­boten wird.

Einen Pro­gramm­service könnte ich mir als Be­griff viel­leicht noch vor­stellen, aber damit wären dann ja die Dienst­leistungen von ARD, ZDF und Deutsch­land­radio ge­meint und nicht deren willige Schergen, die mein hart er­arbeitetes Geld kassieren wollen. Bei­trags­service ist ein Euphe­mismus, eine Blend­granate, dreistes­tes Dumm­deutsch. Ich will sofort wieder meine gute alte, büro­kratische, obrig­keits­staatliche GEZ zu­rück­haben! 


 

Aufgehangen

Feb. 2013

Gestern ist es wieder passiert: Ein falscher Mausklick und schwups – hat sich der Rechner auf­ge­hangen!

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Schwups – da ist es schon wieder passiert: gehangen und gehängt durcheinander gebracht! Das passiert besonders in nieder­rheinischen Gefilden sehr leicht und hängt mit dem ripuarischen Dialekt zusammen. Opje­hange ist das dortige Wort für auf­gehängt, und so dringt es auch ins Stan­dard­deutsche vor.

Keine Ver­wechselungs­gefahr besteht, wenn man sich klar macht, dass es zwei ver­schiedene Verben namens hängen gibt: Ein tran­sitives, schwach ge­beugtes und ein in­tran­sitives, stark gebeugtes.

Ich hänge den Mantel in den Schrank
Der Mantel hängt im Schrank
 

Im Präsens fällt dieser Unterschied nicht weiter auf. Im Perfekt jedoch unter­scheiden sie sich deutlich voneinander:

Ich habe den Mantel in den Schrank gehängt
Der Mantel hat im Schrank gehangen
 

Jemanden oder etwas hängen ist transitiv und das Partizip Perfekt dazu lautet ge­hängt. Hängen ohne aktives Zutun ist in­tran­sitiv und das Partizip Perfekt dazu lautet ge­hangen. Ein­facher gesagt unter­scheidet man zwischen Tätig­keiten...

gehängt haben Gegensatz zu gestellt haben
aufgehängt haben Wäsche, Schlüssel
abgehängt haben Wohnwagen, Mitwettbewerber
verhängt haben Urteil, unfertiges Gemälde

...und Zuständen

gehangen sein Gegensatz zu gestanden haben
herabgehangen sein Glockenschwengel
abgehangen sein Rindfleisch
verhangen sein Himmel im Herbst

Sätze wie „isch han d’r Mantel in d’r Schaaf jehange“ sind im Ripuarischen völlig korrekt, im Stan­dard­deutschen sollte man jedoch sagen: „Ich habe den Mantel in den Schrank gehängt“. 


 

Mund-zu-Mund-Propaganda

Jan. 2013

Mund-zu-Mund-Beatmung kennt jeder, der einmal an einem Erste-Hilfe-Kurs teil­ge­nommen hat.

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Die Bezeichnung ist ja auch völlig korrekt. Ein Mund wird auf den anderen gepresst und Atemluft wird eingeblasen. Das hilft dem Verletzten, Sauer­stoff in sein Blut zu bekommen. Zwar wurde zwischen­zeitlich auch einmal die Mund-zu-Nase-Beatmung propagiert, aber der ur­sprüngliche Name hat sich erhalten.

Und wie sieht es denn nun mit der Mund-zu-Mund-Propaganda aus? Wie spricht sich etwas herum? A spricht in den Mund von B, B in den von C und so fort? Soweit ich das beurteilen kann, spricht man doch wohl eher in ein Ohr als in einen Mund. Woher kommt also bloß dieses schiefe Bild? Es ist mit allergrößter Wahr­schein­lich­keit genau so ein volks­etymo­logisches Mysterium wie der Quantensprung.

Ist das denn nötig? Bleiben wir doch, liebe Mitmenschen, insbesondere liebe Journalisten, bitte bei der Mundpropaganda, dann hängt auch das Bild wieder gerade. Es wird etwas propagiert (lat. propagare „weiter ausbreiten, erweitern“), und zwar mündlich, im Gegensatz zu schriftlicher oder bildlicher Propa­ganda. Ein ein­leuchtender und nebenbei auch viel kürzerer Begriff!


 

Gewöhnlich

Dez. 2012

„An so niedrige Temperaturen bin ich nicht gewöhnt“ sagten manche im ver­gangenen Winter. Oder „Ich bin es nicht ge­wohnt, dass man mich duzt.“ Was sagt man denn nun – und in welchem Falle nicht?

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Erinnern Sie sich noch an die Mikrosekunden-Entscheidung zwischen nutzen und nützen? Etwas ähnliches geschieht bei gewohnt und gewöhnt. Auch dieses ist wieder eine Ent­scheidung, die man nur bewusst treffen kann, andern­falls besteht nur eine 50:50-Chance, den richtigen Begriff zu er­wischen. Und hat man sich die Regel einmal eingeprägt, dann muss man üben, üben, üben. Hier also die Unter­scheidung:

Man ist etwas gewohnt, das man kennt, das einem gut von der Hand geht, das man immer wieder tut – egal ob gern oder ungern. Das bezieht sich nie auf Personen.

Jemand kann gewohnt sein, täglich zur Arbeit zu gehen, nach dem Essen das Geschirr zu spülen, im Winter kalte Füße zu haben oder geduzt zu werden.

Man ist an etwas gewöhnt, wenn man es zunächst nicht kannte, es dann aber allmählich immer besser kennen­gelernt hat und es schließlich schätzt oder sich damit abfindet. Das kann sich auch auf Personen beziehen.

Jemand kann an den Ehepartner, an alkoholfreien Sekt, an niedrige Temperaturen im Winter, oder an die Anzüglichkeiten des Chefs gewöhnt sein.

Wichtig für die Mikrosekunden-Entscheidung: gewöhnt ist immer mit an gepaart.

Klingt einfach, ist es auch; nur die Zeit, die einem für eine Entscheidung zur Verfügung steht, ist arg begrenzt. Daher sollte man sich vorab schon einmal damit beschäftigt haben, um sich daran zu gewöhnen. Dann ist man im Ernst­fall den richtigen Gebrauch gewohnt. 


 

Liebe Hobbyköche,

Nov. 2012

schaut doch noch mal ganz genau auf die Packungs­aufschrift: Das Zeug heißt Gelatine und nicht Gelantine!

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Wer findet das zweite n?

Woher kommt denn nur dieses zusätzliche n? Vielleicht lässt sich Gelantine einfacher sprechen? Kann ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen. Oder hat die Mama früher auch schon immer das Extra-n benutzt? Dann ist es aber all­mählich an der Zeit sie zu be­suchen (soweit noch möglich), sie fest in den Arm zu nehmen und zu sagen: „Mama, wir müssen reden...“

Wie man es auch betrachtet, es ist einfach eine Nach­lässigkeit, achtloser Um­gang mit der Mutter­sprache. Jeder, der schon einmal sein leckeres italienisches Eis in einer Gelateria gekauft hat, der kann sich vorstellen, dass auch die Gelatine ursprünglich etwas mit gelieren, Gelee und Gelato zu tun hat. Es kommt von la­teinisch (was sonst?) gelare, „stocken, gefrieren“ und hat sich dann über italienisch gelare, „stocken, gefrieren“ zu fran­zösich géler und deutsch gelieren entwickelt.

Das Partizip Perfekt von gelare ist gelato also „gefroren“. Die Endsilbe -ine kam dann im Fran­zösi­schen als Indikator für etwas Weib­liches, auf die Küche Be­zoge­nes dazu – vergleiche hier­zu auch Marga­rine, Pra­line und Galan­tine. Die Be­stand­teile sind also Gelat- und -ine. Kein zusätzliches n.

Kann man sich doch merken, oder?

Übrigens, die Galantine (gefüllte, entbeinte ganze Tiere – Obelix lässt grüßen), über die ich gerade so galant hinweg­ge­gangen bin, kommt natürlich auch aus dem La­teini­schen - genauer gesagt aus dem Vul­gär­lateini­schen galare, „stocken, gefrieren“ und müsste demgemäß eigentlich Galatine heißen. Auch die Fran­zo­sen haben also irgendwo entlang des etymo­logischen We­ges ein un­definiertes n aufgelesen.

Gerade habe ich einmal bei Google gesucht: 7.310.000 Einträge für Gelatine, 264.000 für Gelantine. Darunter auch dieser: Nur Dillentanten sagen Gelantine.


 

Mit Quantensprüngen zum Meilenstein

Okt. 2012

Neu­lich erst wurde im Fern­sehen über einen Quanten­sprung in der Ent­wicklung bio­lo­gisch ab­bau­barer Hosen­träger be­richtet. Ganz schön be­deut­sam, oder?

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Schauen wir doch einmal nach, was denn ein Quanten­sprung überhaupt ist. Ein Quanten­sprung ist laut Wikipedia „der Über­gang von einem quanten­mechanischen Zustand in einen anderen“. Das klingt zunächst sehr wissen­schaftlich und wenig ein­leuchtend. Man könnte auch sagen, der Quanten­sprung sei die kleinst­mögliche Änderung eines Energie­zustands – was schon nach ziemlich wenig klingt. Ist es auch: Eine kleinere Energie­differenz gibt es in unserem Universum nicht.

Betrachten wir nun also einmal die Quantensprünge, die uns die Journaille so täglich um die Ohren schlägt. Darin geht es stets um riesige Fort­schritte, um Meilen­steine in der Wissen­schaft, um globale Lösungen in der Politik, etwas Epochales, alles in den Schatten Stellendes.

Das passt doch irgendwie nicht recht zusammen. Der kaum mess­bare, sub­mikro­skopische Hüpfer eines Elektrons von einem Energie­niveau aufs nächste dient der Be­schrei­bung kolos­saler Um­wälzun­gen auf unserem Planeten. Wie das? 

Es wird sich wohl um eine volks­etymologische Um­deutung handeln: Der Quanten steht um­gangs­sprach­lich für einen sehr großen Schuh, einen Qua­drat­latschen eben. Man stelle sich einen Gi­ganten mit rie­sigen Schlap­pen vor, einen Titanen mit Sie­ben­meilen­stiefeln, die Sonne ver­dunkelnd, mühe­los bis zum Hori­zont springend; die Erde bebt, nichts kann ihn auf­halten. Voilà: der Quan­ten­sprung.

Interessant ist auch, dass der Begriff Quanten­sprung in der Physik und a­nge­schlos­senen Wissen­schaften ungern und kaum noch genutzt wird, da er „die falsche Vor­stellung eines instan­tanen Über­gangs suggeriert. Korrekt ist hin­gegen die Vor­stellung, dass der Über­gang zwar eine end­liche Zeit be­nötigt, über den Zu­stand des Sys­tems während dieser Zeit aber grund­sätz­lich nichts aus­gesagt werden kann“ (Wikipedia). Man spricht heute all­ge­mein von Über­gängen, ein Be­griff, der eher an Zebra­strei­fen als an über­dimen­sionale Fuß­be­klei­dung er­innert. 


 

Übrigens, Fa. Thomy,

Sep. 2012

Eure Plakataktion mit der etwas ver­schwommen auf­ge­nommenen Senf­tube und der Unter­schrift „Senf. Mittel­scharf. Thomy.“ ist ein­fach ganz große Klasse!

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Wollte ich nur mal eben anmerken. Weiter so!

Nun habe ich aber bei Horizont.net, einem Portal für Marketing, Werbung und Medien, gelesen, dass die Jury, die dieses Plakat Ende 2012 aus­gezeichnet hat völlig inkompetent sei. Das möchte ich so nicht stehen lassen. Sicher steht niemand grübelnd vor dem Plakat, bis er von der Er­kenntnis über dieses tolle Wort­spiel über­mannt in den nächsten Super­markt eilt, um sich eine Tube vom Guten zu kaufen.

Aber: Ich finde, dass es sich hier um intelligent gemachte Werbung handelt, die – mich zumindest – anspricht. Und wo gibt es so etwas heute noch im tristen all­täglichen Werbe-Einerlei?


 (Abbildung aus den Tiefen des www)

Außerdem meine ich, dass die Thomy-Werbung in etwa den gleichen Auftrag hat wie Reklame für die Bild-Zeitung: Jeder kennt sie, aber manch­mal macht der Springer-Verlag dennoch Wer­bung für das Schund­blatt, um in den Köpfen der Ziel­gruppe präsent zu bleiben. Ähnlich verhält es sich wohl mit diesem Pla­kat: Jeder kennt den Senf, aber ab und zu braucht es eine Er­inne­rung, hallo, es gibt uns noch. Und wenn die so gut gestaltet ist wie im vor­liegenden Fall, dann nehme ich das mit schmun­zelndem Wohl­wollen zur Kenntnis. 


 

Lieber Xavier Naidoo,

Aug. 2012

Entschuldige, bitte, dass ich es so drastisch ausdrücke, aber: Deine Texte gehen mir tierisch auf den Sack!

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Nehmen wir z.B. die folgenden Liedzeilen*:
Und was wir alleine nicht schaffen
Das schaffen wir dann zusammen
Nur wir müssen geduldig sein
Dann dauert es nicht mehr lang

Die ersten zwei Zeilen sind von naiv floskelhafter, gleichzeitig verschwurbelt transzendenter, man möchte fast schon sagen brunz­banaler Selbst­verständ­lich­keit beseelt. Das in etwa syno­nyme „Viele Hände machen der Arbeit bald ein Ende“ kennen die meisten von uns bereits seit dem Vor­schul­alter.

Die dritte und vierte Zeile ergeben hingegen noch nicht einmal ansatzweise Sinn. „Wenn wir geduldig sind, dann dauert es [was auch immer] nicht mehr lang“ würde im Um­kehr­schluss doch bedeuten: „Wenn wir un­geduldig sind, dann dauert es noch lang“, oder: „Durch warten geht alles schneller“, oder noch all­gemeiner: „Nachts ist es kälter als draußen“. Wenn Du das auf Deine un­nach­ahmlich larmo­yante Art ins Mikro­fon näselst, dann hältst Du das ver­mut­lich für extrem tief­sinnig, oder?

Weiter geht’s*

... haben wieder Wind in den Segeln
Und es spricht jetzt nichts mehr dagegen
Unser Ziel zu erreichen denn viele
Zeichen zeigen wir sind überlegen
weil wir auf dem richtigen
Weg sind auch wenn uns
Gerade Probleme begegnen
Wir überstehn den Regen
Werden die Nerven bewahren und es irgendwie regeln
So wie wir's immer getan haben
Doch ohne inneren Fahrplan
Wär'n wir verloren und müssen einsehen
Dass wir uns im Kreis drehen so wie in einer Kartbahn
...
 
Et cetera, et cetera ad nauseam. Und was uns an Plattitüden nicht einfällt, das bauen wir dann in den nächsten Song ein. Segeln, dagegen, überlegen, begegnen, Regen, regeln – passt schon (reim dich oder ich beiß dich). Ziel erreichen – 'türlich. Viele Zeichen – ja ja. Auf dem richtigen Weg – klar, was denn sonst. Nerven bewahren und regeln – meine Rede. Der innere Fahr­plan – End­station Himmel­reich, wie ich Dich Jesus­jünger so kenne. Und dann noch die Kart­bahn – das war ja mal ein wirklich origi­neller Ein­fall, da muss man erst­mal drauf kommen. Nein wirklich, Xavier, das ist ganz, ganz große Dicht­kunst – oder, wie es ein Leser­brief­schreiber in der FAZ so schön formu­lierte: „fade Pri­maner­lyrik“. Ein gewisser Fre­derik E. Scherer schreibt gar von der „aktu­ellen Flop­musik mit ihrer in­halts­losen Welt­schmerz­poesie“. Dem kann man höchs­tens noch fol­gendes hin­zufügen:
Was in diesem Lied so alles los ist ...
Unbearbeitetes Paste-and-Copy-Zitat aus dem (mittler­weile leider ein­ge­stellten) Blog von twentysixseven

**** schreibt am 19.11.2006 um 16:41 Uhr:
„Dieses Lied ist einfach der hammer ! Und der Sänger sowieso ! Man kann keinen Sänger mit ihm vergleichen ! Seine Texte sind einfach so was von emotional !Immer wenn ich das neue Lied " Was wir allein nicht schaffen, dass schaffen wir dann zusammen " höre werd ich voll Nachdenklich und muss zum Teil auch weinen !“

Was lernen die Leute (von Rechtschreibung und Interpunktion mal ganz abgesehen) heute eigentlich noch in der Schule oder zu Hause, dass sie so etwas gut bzw. hammer finden? Ich gehe jetzt erst einmal nachdenken – und zum Teil auch weinen.

*Alle Zitate aus Xavier Naidoo: „Was wir alleine nicht schaffen“.

Je länger je lieber

Jul. 2012

„Je schneller du gehst, je eher bist du wieder hier“, empfiehlt die Mutter dem Sohn, der noch schnell sechs Eier kaufen soll, dazu aber wenig Lust hat.

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Oder heißt es umso? „Je schneller du gehst, umso eher bist du wieder hier.“ Nein, das klingt auch irgendwie verkehrt. Unser aller Duden, das Fähnlein, wie immer, hart an Volkes Stimme Wind, erklärt es für zulässig.

Im Deutschen gibt es jedoch das Paar  je/desto. Mit dem funktioniert es einwandfrei, es klingt vertraut und es entbehrt auch nicht einer gewissen Eleganz: „Je schneller du gehst, desto eher bist du wieder hier.“ So sollte es sein.

Mit umso kann man übrigens noch andere Paarkonstrukte wie umso/als oder umso/weil bauen. Das klingt dann aber reichlich gestelzt. Duden-Online bietet uns folgendes Beispiel an: „diese Klar­stellung ist umso dring­licher, als/weil es bisher nur Gerüchte gab“. Das kann man so sagen, klingt aber eher nach Polit­sprech.

Was ist denn nun aber mit Jelängerjelieber? Das ist die Trivialbezeichnung für das Gartengeißblatt (Lonicera caprifolium) und stammt wohl noch aus einer Periode, in der Konrad Duden noch nicht die Allein­herr­schaft über die deutsche Sprache aus­übte. Und wie sagt schon der Volks­mund? Je öller, je döller. 


 

Jetzt ...

Jun. 2012

Herr Meier vom Fernsehen braucht eine Werbe­pause, aber er ver­abschiedet sich nicht ohne eine Vor­schau auf kommende Sen­sa­tionen, die „jetzt – live in Akte“ be­vorstehen.

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Wieso jetzt? Jetzt passiert doch gar nichts. Jetzt ist erstmal Werbung. Jetzt ist Zeit zum Bierholen oder das Gegen­teil davon. Das gesuchte Wort heißt gleich. Nicht jetzt.

Schon oft ist es in der Geschichte der Deutschen Sprache geschehen, dass sich der Sinn eines Wortes verändert, ja manchmal gar in sein Gegen­teil ver­kehrt hat. Zum Bei­spiel das Wort toll. Es be­zeichnete einst einen ab­normalen Geistes­zu­stand – die Toll­kirsche kündet heute noch davon. Auch geil hat sich in seiner neuen Be­deu­tung durch­gesetzt – früher be­deutete es sexuell erregt, lüstern bei Tieren, oder üppig, aber kraftlos wachsend bei Pflanzen. Nun also wandelt sich auch das Wort jetzt, und zwar zu später, im An­schluss an die Werbung. Jetzt, damit die Zu­schauer dran bleiben. Jetzt nicht weg­schalten, denn jetzt geht's schon weiter ...

Mal im Ernst: hält man den Zuschauer für so beschränkt, dass er durch das mantra­haft wieder­holte „jetzt“ die Finger von der Fern­be­die­nung lässt? Hier handelt es sich sicher um eine Fehleinschätzung: der gemeine TV-Konsument – und zu dieser Spezies zähle ich mich auch – schaltet einfach um, weil ja jetzt doch nichts passiert, außer Wer­bung. Ein ehrliches „gleich“ hätte ihn viel­leicht bei der Stange gehalten.


 

Die beste Alternative

Mai 2012

Für die Überwindung der Krise gibt es diverse Alter­nativen. Welche ist die beste? Kennen Sie welche? Nein? Ich auch nicht.

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Es kann nämlich immer nur eine Alternative geben. Das Wort alternativ definiert der Kluge – etymologisches Wörter­buch der Deutschen Sprache fol­gen­der­maßen:
... zwischen zwei Möglich­keiten die Wahl lassend, eine zweite Mög­lich­keit bildend [...] aus l. alter ‚der andere’...

Warum also wird ständig von mehreren Alter­nativen gesprochen? Richtig! Der Ami war's. Dem geht Latein näm­lich am Aller­werte­sten vorbei, und der macht sich seine Welt widde­widde wie sie ihm gefällt. Des­halb gibt es dort die Alter­native eben auch im Plural. Und der Deutsche plappert's dem Ami halt gerne nach.

Wenn es denn schon ein Fremd­wort sein muss, warum nicht Optionen? Davon kann es un­end­lich viele geben. Oder viel­leicht Möglich­keiten? Nein, keine alter­nativen Möglich­keiten – ein­fach nur Möglich­keiten. Die deutsche Sprache ist sehr präzise.

Aber auch die Alternative hat Optionen: Gegen­ent­wurf, Gegen­modell, Gegen­vor­schlag, Wahl­möglich­keit. Von Alter­nativ­losig­keit kann, zu­mindest hier, nicht ge­sprochen werden.


 

Was ist dass den?

Apr. 2012

Ist Ihnen das auch schon aufgefallen? Kaum je­mand bekommt das mit dem Dass noch richtig hin.

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Wenn man so in Foren stöbert, oder auch bloß die FAZ oder den Spiegel online liest, stolpert man ständig über das Kreuz mit dem Dass.

Drei Fehlerbilder lassen sich grob unter­scheiden:

  • Die einen be­nutzen grund­sätzlich das, ohne An­sehen der Funk­tion oder Stellung. Da­für habe ich in ge­wisser Weise so­gar Ver­ständnis. Es wäre bei der letzten Recht­schreib­re­form ein Leichtes ge­wesen, hier alle Zweifel aus­zu­räumen und nur noch das zu­zu­lassen. Aber das wäre dann wohl zu ein­fach ge­wesen.

  • Eine zweite Gruppe er­innert sich an­scheinend noch dunkel des Unter­richts in der Grund­schule. Haben wir dort nicht gelernt, dass man dass immer nach einem Komma schreibt? Das stimmt zwar manch­mal, aber nicht immer, dass das kann man hier schön sehen.

  • Die dritte Gruppe interessiert sich über­haupt nicht für Ortho­grafie und schreibt wie sie lustig ist. Mal groß, mal klein, mal mit Ein­fach-, mal mit Doppel­kon­so­nant, ganz wie’s be­liebt, einer inneren Stimme folgend – und das hört beim Dass noch lange nicht auf (siehe Über­schrift).

Dabei ist doch alles so ein­fach:

  • Als Artikel benutzt man das. Das Haus, das Auto, das Kind.

  • Ist es ein Re­lativ­pro­no­men und kann es durch welches ersetzt werden, schreibt man das.

  • Ist es ein Demon­stra­tiv­pro­no­men und kann es durch dieses/jenes ersetzt werden, schreibt man das.

  • In allen anderen Fällen steht die Kon­junk­tion dass.

 

„er sagt, dass das das Buch sei, das er gelesen hat“ = „er sagt, dass dieses/jenes das Buch sei, welches er ge­lesen hat“

Nicht unerwähnt lassen möchte ich noch die Gruppe derer, welche die oben ge­nannte Unter­scheidung zwar sou­verän be­herrschen, „dass“ aber immer noch „daß“ schreiben. Fest steht, dass die Zer­legung des „scharfen S“ am Wort- bzw. Silben­ende – in Eszett (ß) nach langen und Doppel-S (ss) nach kurzen Vokalen – zu den weni­gen wirk­lich ein­leuch­tenden Neue­rungen der viel ge­schmäh­ten Recht­schreib­reform von 1996 ge­hört. Ein Häuf­lein ewig Gestri­ger will das wohl immer noch nicht ein­sehen, bildet jedoch eine schnell schwin­dende Minder­heit. Das Pro­blem wird sich also hoffent­lich in den kommen­den dreißig bis vierzig Jahren bio­logisch er­ledigt haben.

Natürlich darf in Deutsch­land jeder so schreiben, wie es ihm beliebt – dagegen gibt es kein Gesetz. Aber ich meine, dass jeder, der so irgendwie und ungefähr schreibt, sich und seiner Schul­bildung ein Armuts­zeugnis aus­stellt (Lega­stheni­ker seien hier aus­drück­lich aus­ge­nommen). Regeln ge­hören nun ein­mal zum Leben, und so schwierig ist das mit dem Dass ja nun auch wieder nicht – jeden­falls nicht halb so schwer wie die Ab­seits­regeln im Fuß­ball.


Hallo Fans!

März 2012

Fast jeden Abend vor der Tagesschau kurz vor acht Uhr schaut mich ein lustiger Schim­panse mit einer lustigen Brille an und ruft mit lustiger Stimme: „Hallo Fans!“

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Die Firma Trigema® treibt auf diese (wirklich außerordentlich originelle) Art Wer­bung für ihre in Deutsch­land her­ge­stellte Sport- und Frei­zeit­kleidung. Wer sie dabei be­raten haben mag, oder wer letzten­endes die Ent­schei­dung traf, diesen Hum­bug so und nicht anders zu ver­öffent­lichen, kann und will ich mir beim besten Willen nicht vor­stellen.

Erstmal: Ein Schimpanse? Findet heute noch irgend­jemand Menschen­affen lustig? In Vor-Fernseh-Zeiten, als Menschen noch auf Jahr­märkte gingen, oder in den Zirkus, um aller­lei drolliges und exo­tisches Getier zu be­staunen, da konnte man noch mit Fug und Recht einen Schim­pansen für lustig halten.

Zum Zweiten: Kann man so etwas noch schlechter filmen? Der Affe sitzt da, wahr­scheinlich an­ge­schnallt, damit er nicht weg­laufen kann, die Brille sitzt schief im Ge­sicht (woran soll sie auch halten), am be­haarten Leib trägt er Hemd und Kra­watte (die übri­gens nachweislich nicht von Trigema® sind). Und auf diese Weise art­gerecht ge­wandet schaut uns dieses be­dauerns­werte Tier einiger­maßen ge­lang­weilt an und kaut dabei Nüsse, um Sprech­bewe­gungen zu simulieren. Dass man das auch viel besser hin­be­kommen kann zeigen ein Schweinchen namens Babe oder ähn­lich lustige Spiel­filme, oder – um bei der Wer­bung zu bleiben – die un­ver­gessenen Brüll­affen von Toyoooota. Dort werden die Sprech­be­we­gungen mittels Computer­technik so hin­ge­bogen, dass sie auch zum Ge­spro­chenen passen.

Und dann: Der Text, die Botschaft, die Aussage. Mit hallo Fans begrüßte, wenn ich mich recht ent­sinne, Ilja Licht-Aus-Spot-An Richter in den Sieb­zigern seine Fan­gemein­de. Was aber ver­anlasst den Werbe­texter von heute an­zunehmen, dass so ein erbar­mungs­würdiger Primat Fans haben könnte? Wieso er­klärt mir ein Schim­panse (mit der Synchronstimme von Alf), dass er aus­schließ­lich Kla­motten von Trigema® kaufe? Davon ab­ge­sehen, dass Affen nicht sprechen können, brauchen sie auch gar keine Klei­dung!

Schließlich: Der Chef von dem Laden, der König von Burladingen, Wolfgang Grupp. Der stelzt wie ein Gockel mit stolz­ge­schwellter Brust durch die Rei­hen seiner Pro­duk­tions­stätte, eine Hand in der Ho­sen­tasche, die andere weist mit weiter Geste auf sein Reich von Näh­ma­schinen und (ver­mutlich krass unter­be­zahlten) Nähe­rinnen, wo­bei er über sichere Arbeits­plätze in Deutsch­land schwa­dro­niert.

Wer denkt sich eigentlich so einen Scheiß aus? Glauben die tat­sächlich, dass man mit solch ein­fältigen Methoden auch nur einen Fetzen mehr ver­kaufen kann? Lohnt es sich wirk­lich, für so einen Bock­mist Premium-Werbe­zeit bei der ARD zu kaufen? Ich bitte um Ver­zeihung, aber das löst bei mir Brech­reiz aus, da greife ich reflex­artig zur Fern­bedienung.


PS: Dies stellt lediglich meine persönliche Meinung zu diesem Fernsehspot dar, nicht jedoch zur Fa.Trigema® oder deren Pro­dukten, zu denen ich keine Mei­nung habe.
PPS: Ich glaube, ich wurde erhört: Der Affe ist Ende 2015 endlich in Pension gegangen. Danke!
PPPS: Wir schreiben das Jahr 2017. Der Affe ist wieder da! Diesmal aber pro­fessio­nell (wenn auch nicht ori­ginell) in Szene ge­setzt. Er­barmen! Gebt dem Tier end­lich sein Gna­den­brot.
PPPPS: Wie ich erfahren habe, handelt es sich nunmehr um eine 3D-Animation. Da­gegen habe ich nichts ein­zu­wenden. Die Wer­bung ist da­durch je­doch nicht einen Deut besser ge­worden.

Platzangst

Feb. 2012

Ich krieg hier drin Platzangst, hört man bisweilen im Auf­zug oder im über­füllten Bus. Will heißen: Ich habe Angst, weil hier so wenig Platz ist – aber ich sag's mal wissen­schaftlich.

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Schon in die Falle getappt: Die Platz­angst im wissen­schaftlichen Sinne* ist die Angst, große Plätze zu überqueren. Diese Angst ist allen Flucht­tieren gemein, die sich nur ungern auf weiten ebenen Flächen ohne Deckungs­möglichkeit aufhalten, da sie hier leichte Beute von Räubern werden könnten. Auch Menschen können aus den verschie­densten Gründen von dieser Agora­phobie befallen werden.

Die Angst vor engen Räumen, die Klaustro­phobie, ist jedoch viel weiter verbreitet unter uns Normal­verbrauchern. Niemand befindet sich gern mit vielen fremden Per­so­nen in einem engen Raum, und je älter man wird, desto schlimmer wird diese Ab­neigung – ich kann ein Lied davon singen. Und da es eine Angst ist, kann man sie nicht greifen, man kann ihr nicht be­geg­nen.

Furcht wäre einfach. Die hat man vor etwas Konkretem; vor Hunde­bissen, Insekten­stichen, Blut­ver­giftung. Dem kann man begegnen, indem man Gegen­maß­nahmen ergreift, sich von Hunden fern hält, feste, eng­an­liegende Kleidung trägt oder sich gegen Tetanus impfen lässt. Aber Angst – mit der muss man zum Psy­cholo­gen*. Davor hätte ich Angst – besonders bei vollen Warte­zimmern, da bekomme ich immer Platz­angst …


* ist Psychologie überhaupt eine Wissenschaft?

Nutzt nix

Jan. 2012

Gibt es einen Unterschied zwischen nutzen und nützen? Wenn ja, welchen? Und ist das wichtig?

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Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Nein. Es ist nicht wichtig. Aber man kann ja mal darüber nach­denken. Ist es Ihnen auch schon so er­gangen – man stolpert beim Sprechen plötz­lich und fragt sich (das passiert in Mikrosekunden), was muss ich denn jetzt ein­setzen: nutzen oder nützen? Meistens wird es dann doch nutzen, weil die Mikro­sekun­den nur so dahinrasen und der Sprach­fluss nicht unnötig unter­brochen werden soll.

Verantwortlich für diese Verunsicherung ist nicht das Sprachzentrum - das arbeitet völlig autark - sondern die nach­ge­schaltete Qualitäts­kontrolle, die alles, was unser Sprach­zentrum verlässt in Echt­zeit auf Irr­tümer untersucht, die im Sprach­zentrum eventuell schon fest verdrahtet sind. Trifft die QC auf einen Fehler, dann wird er bei minder­schweren Ver­gehen ignoriert, bei wichti­geren Dingen wird schon mal ein Pausenzeichen (Ähh) gesendet und alles zurück geschickt.

Nutzen also – und es folgt noch ein schnell verhallendes Nach­schwingen, ein schwer fassbarer Ge­danke, irgend­wann muss ich mich doch einmal damit be­fassen, und dann ist es auch schon wieder vorbei – das Ge­spräch geht weiter. Viel­leicht haben Sie sogar schon einmal benützen be­nutzt? Kann man – sollte man aber nicht.

Grammatikalisch handelt es sich in beiden Fällen um transitive, schwach ge­beugte Verben; das eine wird vom Dativ re­giert (wem nützen), das andere vom Akku­sativ (wen nutzen). Sie sind also sicher nicht iden­tisch. Wenn man sagt A nutzt B, dann be­zieht A den Nutzen von B. Sagt man jedoch A nützt B, dann be­zieht B den Nutzen von A. Es sind also eher Gegen­sätze als Sy­no­nyme. Jetzt wird auch klar, warum man nicht benützen sagen sollte (der Schweizer tut's trotz­dem) – es er­gibt ein­fach keinen Sinn. Ähnlich un­sinnig ist ab­nützen oder aus­nützen. Auch der Spruch aus der Über­schrift ist natür­lich ver­kehrt. Es muss heißen es nützt nicht – aber wer sagt das schon?

A nutzt B und B nützt A.

Es nutzt nix – jeder redet, wie ihm der Schnabel ge­wachsen ist. Dass dieses Problem aber auch schon recht alt ist, zeigt der bereits lange be­kannte Nichts­nutz (der natür­lich nicht nützt). Der Unnutz hingegen hat durch­aus seine Da­seins­berech­tigung, da er eigent­lich ein Unnutzen ist. Ge­nau wie das Ad­jektiv unnütz, welches eine Ver­kürzung von unnützlich ist. Die eher exotische Nutz­niessung gibt es nur in der Schweiz (mit doppeltem s, weil das ß von den Eid­ge­nossen ab­ge­schafft wurde). Das Nutz­tier heißt so, weil wir es nutzen – genau so gut könnte es aber auch Nütz­tier heißen, weil es uns nützt. Der Nutzen ist es wiederum, der dem Nutzer nützt, welcher ihn nutzt.

Verwirrend? Nein – wenn man Zeit hat (z.B. beim Schreiben). Ja – wenn die Mikro­se­kunden ticken: Los jetzt! Ent­scheide dich! Was soll’s denn nun sein – und schon hast du mal wieder das falsche Wort … benützt … 


 

 

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